BasisGrün - Linke Grüne in Bayern
München 26.11.2001 Erklärung zum Parteitag von Bündnis90/Die Grünen in Rostock - Wir ziehen unsere Konsequenz
Aufgabe der friedenspolitischen Positionen
Der Parteitag in Rostock als oberstes Parteiorgan hat entschieden: Auch die Grünen sind für eine deutliche Zäsur in der Nachkriegsgeschichte: Von deutschem Boden darf wieder Krieg ausgehen. Die Salamitaktik, die zuletzt in der Zustimmung zum Kosovo-Krieg einen weiteren Höhepunkt hatte, ist damit aufgegangen. Gleichzeitig wird deutlich: Die Zustimmung zum Afghanistan-Krieg, die Zustimmung zu einem Einsatz der Bundeswehr in diesem Krisengebiet ist unabänderlich verbunden mit einer Bereitschaft zu weltweiten Einsätzen der Bundeswehr. 
Die 80%-Mehrheit für den Kriegseinsatz, kam auch nur deshalb zustande, weil die Parteitagsstrategen mit Erschrecken festgestellt haben, dass sogar die Kriegsbefürworter eher als die, die den Krieg nur akzeptieren eine Mehrheit hatten. Die Angst zu viele Mitglieder und WählerInnen zu  verlieren, hat im Antrag des Parteivorstandes grundsätzliche Zugeständnisse an die Kriegsgegner/innen möglich gemacht. Diese Taktik reicht uns jedoch nicht. Friedenspolitik ist auf Grünen Parteitagen strukturell nicht mehr mehrheitsfähig. Für zu große Teile der Grünen Basis ist die Beteiligung an der Koalition wichtiger als die frühere Säule der Partei, die  Friedenspolitik:
Zu leichtfertig wurde darüber hinweggesehen, dass gegen zahlreiche politische Grundsätze bei diesem Krieg verstoßen wurde.
  • Das Fehlen von politischen Konzeptionen gegen den Terror 
  • Bündnis mit einer Nordallianz, die  für Raub, Plünderungen und Vergewaltigung steht 
  • Die von den Amerikanern eingesetzten militärischen Mittel trafen vor allem zivile Opfer und zerstörten ein weiteres Mal eines der ärmsten Länder der Welt.
  • Die UNO wurde wieder einmal zum Spielball amerikanischer Interessen gemacht und nicht zum wesentlichen Akteur dieser Krise
  • Bis heute gibt es keine politischen Konzeptionen für ein Afghanistan nach den Taliban. Die geplante Konferenz auf dem Petersberg kommt zu spät und bezieht zu wenige mit ein. 
Nicht nur in der SPD hat mit dieser Zustimmung zu grundsätzlichen Kriegseinsätzen die Linke aufgehört zu existieren.  Innerhalb der Grünen ist sie bis auf weiteres so marginalisiert, dass wir keine Chance für eine Erneuerung sehen.

Die Verknüpfung der Vertrauensfrage mit einer Sachfrage ist eine durchaus auch verfassungsrechtlich umstrittene Operation gewesen, sie bedeutet eine Entmündigung des Parlamentes und eine gefährliche Option für die Zukunft, besonders weil sie auf dem Parteitag von der Parteispitze gegenüber der Basis genauso angewandt wurde, wie vom Kanzler gegenüber dem Parlament.

Gefährdung der demokratischen Grundrechte
Wir fürchten, dass diese machtpolitisch kalkulierte Operation in die Geschichte eingehen wird als der Auftakt zur Demontage der bundesdeutschen Nachkriegsdemokratie, da sich eine ähnlich unheilvolle Entwicklung sich bei den Grundrechten abzeichnet. 
Weiträumig werden Grundrechte der bundesdeutschen Staatsbürger/innen und ausländischen Mitbürger/innen ausgehebelt und verschärft. Diese Demontage der Grundrechte ist präventiv eine Gefahr für unsere Demokratie. Dabei stellen wir fest, dass  kein einziger terroristischer Anschlag auch nur zu befürchten wäre. Experten stellen außerdem fest, dass die bisherigen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden ausreichen, um hier präventiv tätig werden zu können. Der Verdacht liegt nahe, dass wie in den USA, die terroristischen Angriffe zum Vorwand genommen werden, um kritische Bürgerinnen und Bürger mundtot zu machen und einzuschüchtern. Burkhard Hirsch hat unlängst in einem Artikel in der SZ deutlich gemacht, dass diese Grundrechtsänderungen einen totalitären Zug aufweisen. So soll das Bundesamt für Verfassungsschutz künftig einen ungehinderten Zugang auf Dateien der Telekommunikation (Telefon, Handy, e-mail und Internet) erhalten. Einblick in Bankverbindungen, Beobachtung der Daten von Fluggesellschaften, die Speicherung biometrischer Daten, all das wird traurige Realität. Damit werden die Bürger zu Objekten eines Staates, sie sind nicht mehr der Souverän, sie sind entmündigte Kinder. Dennoch hat die Parteiführung auf der Basis einiger dürrer Kompromisse diesem Unsicherheitspaket zugestimmt. Finden wir es schon verwunderlich, dass die SPD aus ihrer Geschichte nichts gelernt hat, so ist dieses Verhalten bei einer ausgewiesenen Bürgerrechtspartei wie den Grünen ein programmatisches Waterloo.

Grüne Erneuerung nicht in Sicht
Viele Parteifreundinnen und Parteifreunde wenden ein, dass diese Koalition bereits viel erreicht hat. Gewiss, es gibt deutliche emanzipatorische Fortschritte in kleineren Bereichen. Jedoch weist die Gesamtbilanz ein erhebliches Defizit was die Fortschrittlichkeit der außenpolitischen Ziele, der Sicherheits- und Innenpolitik, der Entwicklungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik, der  Atom-  und Verkehrspolitik angeht.

Wir meinen, dass die Grünen in dieser Situation ihre gesellschaftliche Politikfähigkeit nur wieder gewinnen können, wenn sie aus der Opposition heraus, mit der außerparlamentarischen Bewegung der Globalisierungsgegner/innen, der sozialen Bewegungen und der Friedensbewegung ein politisches Potential aufbauen, das den Bürgerinnen und Bürgern deutlich macht: Demokratie braucht Bewegung. Dann eventuell auch wieder mit Regierungsverantwortung. Gerade gegen den neoliberalen Mainstream der Altparteien SPD, CDU/CSU und FDP schränkt die Beteiligung an der Regierung den politischen Aktionsradius erheblich ein. 
Deshalb haben wir uns entschlossen, entweder der Partei den Rücken zu kehren, weil wir gegenwärtig nicht an ihre Reformierbarkeit glauben, oder aber in der Partei zu überwintern, bis sich eine Chance auf programmatische Erneuerung in der Opposition bietet. In jedem Fall werden wir unsere politischen Erfahrungen und programmatischen Überzeugungen in die außerparlamentarischen Bewegungen einbringen. 

Dazu kommen für uns alle zum Teil unterschiedliche Gründe für diesen Schritt.

Diejenigen von uns, die vorläufig noch in der Partei bleiben, 
werden bis auf Weiteres keine aktive politische Arbeit für die Grünen leisten.

UnterstützerInnen:

Ausgetreten:
  1. Barbara Gies (ehem. Sprecherin Landesarbeitskreis Wirtschaft, Ex Stadtvorstand München)
  2. Markus Sippl (ehem. Vorstandssprecher Grüne Jugend M., 1998 LT-Direktkandidat M.-Bogenhausen, Listenplatz 16 auf aktueller Stadtratsliste)
  3. Sara Haußleiter (Mitglied des Parteirats in Bayern, ehem. Sprecherin Grüne Jugend München)
  4. Gabriela Haußleiter (Gemeinderätin Kirchheim)
  5. Gabi Schindler (Gründungsmitglied der Grünen in Germering)
  6. Thomas Schindler (Gründungsmitglied der Grünen in Germering)
  7. Monika Schindler (Kandidatin Kommunalwahl 1996)
  8. Barbara Farnbacher (OV Trudering/Berg am Laim)
  9. Renate Binder (ehem. Kreisvorstand München-Nord)
  10. Michael Hülskötter (ehem. Kreisvorstand München-Nord)
  11. Judith Schmalzl (Stadträtin München)
  12. Susanne Feder (Vorstand OV Laim)
  13. Reinhard Lisowski (Bezirksausschuss , Vorstand OV Laim, ehem. Vorstand München-Nord)
  14. Gerd Aujezdsky (ehem. Mitglied des BA Au-Haidhaussen, ehem. Kreisvorstand München-Ost, amtierender Vorsitzender OV Au-Haidhausen)
Überwintern bis auf weiteres in der Partei:
  1. Conny Folger(ehem.Stadtvorstand Müchen)
  2. Martin Ottensmann (ehem. Stadtvorstand Müchen, 1994 +1998 Bundestagskandidat München-Nord) 
  3. Erwin Saint-Paul (ehem. Kreisvorstand-München-Ost)
weiter UnterstützerInnen bitte melden bei Conny Folger  Fax: 089/155057 Fon: 089/1596802