Gesellschaft für Strahlenschutz e.V .
Dr. Sebastian Pflugbeil
(Präsident)
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10119 Berlin
Tel. 030-4493736
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Gesellschaft für Strahlenschutz warnt:
Abwiegelung des Verteidigungsministers zur Uranmunition hat keine wissenschaftliche
Grundlage.
Blutuntersuchungen genauer als Urinanalysen
Die Gesellschaft für Strahlenschutz hält die Urinanalysen und
deren Bewertung, auf die sich Minister Scharping bei seinen Äußerungen
über die Harmlosigkeit der Uranmunition beruft, für fragwürdig.
Mängel im Design der Untersuchung, in der Probennahme, der statistischen
Auswertung und der Bewertung der Ergebnisse sprechen für eine völlig
neue Untersuchung. Dabei sollten neben den Urinanalysen auf Uran und Plutonium
die genauere und zweckmäßigere biologische Dosimetrie (Chromosomenanlayse
in Blutbestandteilen) durchgeführt werden. An der Untersuchung sollten
verschiedene wirklich unabhängige Laboratorien beteiligt werden,
um dem Verdacht einer Manipulation jede Grundlage zu entziehen.
Der Verteidigungsminister hat in den vergangenen Tagen wiederholt erklärt,
daß es für die Soldaten des deutschen Heereskontingentes KFOR,
die im Kosovo eingesetzt worden sind, keinerlei Gesundheitsgefährdungen
durch die Spuren amerikanischer Uranmunition gäbe. Er stützt
sich dabei auf eine Untersuchung der Uranausscheidung im Urin von Soldaten
vor, während und nach ihrem Einsatz, die von einer Arbeitsgruppe
der GSF (Neuherberg) unter Leitung von Prof. Paretzke im Auftrag des Verteidigungsministeriums
(BMVg) durchgeführt wurde.
Diese Studie weist schwerwiegende methodische Mängel auf:
Die Studie enthält keinerlei Angaben zur Planung der Untersuchung.
Dazu würden begründete Aussagen gehören, wie groß
die zu untersuchenden Personengruppen sein müssen, um eine hinreichend
genaue Aussage zu erhalten.
Dazu gehören auch Überlegungen zur systematischen Ausschaltung
von Faktoren, die die Uranausscheidung zwar beeinflussen, aber mit der
Uranmunition nichts zu tun haben. Es wird beispielsweise zwar ein einzelner
hoher Meßwert auf den Genuß uranhaltigen Mineralwassers zurückgeführt,
aber kein Studiendesign entwickelt, daß es gestattet hätte,
solche Störfaktoren generell zu kontrollieren.
Es gibt keinerlei erkennbare Vorgehensweise, die eine Manipulation der
Untersuchung ausschließen könnte. So wurden die Urinproben
von einer Arbeitsgruppe des Auftragsgebers (BMVg) gesammelt, vorbehandelt
und erst dann an die GSF übersandt. Schon das stellt die Unabhängigkeit
der Studie in Frage. (Man stelle sich vor, wie überzeugend es wäre,
bei Dopingkontrollen im Sport den Mannschaftskapitän die Proben einsammeln,
ettikettieren und an das Labor schicken zu lassen.)
Die Zuordnung der Soldaten zu vermutlich Unbelasteten bzw. möglicherweise
Belasteten ist rein subjektiv und nicht nachvollziehbar.
Eine statistische Analyse der Ergebnisse erfolgt nur für die Studiengruppe
I. Geplant war die Untersuchung von 50 Personen vor und während des
Einsatzes. Proben lagen schließlich nur von 43 Personen vor und
34 Personen während des Einsatzes vor. Es gibt keine Erklärung
für das Wegfallen von 9 Probanden während des Einsatzes. Es
wäre zwingend, zu klären, ob durch diese Ausfälle (immerhin
21 % der Probanden) eine Verzerrung des Ergebnisses zustandegekommen sein
könnte.
Zur statistischen Analyse der Ergebnise der Studiengruppe I geben die
Autoren der Studie an, einen "gepaarten t-Test für Stichproben
mit ungleichen Varianzen" angewandt zu haben. Offenbar wurde jedoch
ein ganz anderer Test - ein t-Test für unabhängige Beobachtungen
mit ungleichen Varianzen (Welsh) - eingesetzt. Das ist jedoch der falsche
Test für die zu lösende Aufgabe - die Beobachtungen vor und
während des Einsatzes an einunddenselben Soldaten sind nicht voneinander
unabhängig, sie erfüllen damit nicht die mathematischen Voraussetzungen
zur Anwendung dieses Tests.
Da entsprechende Angaben fehlen, stellt sich sogar die Frage, ob sich
die errechneten Mittelwerte in den Spalten 2 und 4 der Tabelle 5 womöglich
auf unterschiedliche Soldatengruppen beziehen (eine mit 43 und eine mit
34 Soldaten), damit wäre der angestellte Vergleich vollends unsinnig.
Bei der Anwendung eines geeigneten Testverfahrens - etwa eines nichtparametrischen
Tests zum Vergleich der Differenzen zwischen beiden Gruppen - wären
nach den Ergebnissen der Tabelle 5 vermutlich sogar signifikante Unterschiede
zwischen "vor dem Einsatz" und "während des Einsatzes"
zu erwarten. Sie wären jedoch wesentlich auf den Rückgang der
Uranauscheidungen in der Kontrollgruppe während des Einsatzes zurückzuführen
und würden kaum zu einer vernünftigen Schlußfolgerung
für die Fragestellung der Studie führen.
Aufgrund der aufgezeigten Mängel ist eine völlig neue Untersuchung
unumgänglich.
Sie sollte neben der nur bedingt aussagefähigen Analyse des Urins
auf Uran- und Plutoniumspuren unbedingt von der Möglichkeit einer
biologischen Dosimetrie Gebrauch machen. Biologische Dosimetrie nutzt
die Tatsache, daß bereits sehr geringe Strahlendosen zu sichtbaren
Treffern an Chromosomen in bestimmten Bestandteilen des Blutes führen.
Man kann auf diesem Wege sogar feststellen, ob Alphastrahlen eine Rolle
gespielt haben. Anders als bei der Analyse der Ausscheidungen kommt man
bei der biologischen Dosimetrie sehr viel näher an die Prozesse heran,
die sich in einer Vielzahl von Krankheitsbildern von einfacher Immunschwäche
bis zur Herausbildung von Krebs niederschlagen können.
Zur Vermeidung von Zweifeln an künftigen Ergebnissen sollten die
Proben geteilt, auf die übliche Weise kodiert und von verschiedenen
Laboratorien ausgemessen werden. Insbesondere sollte vermieden werden,
daß Strukturen des BMVg sich dem Verdacht der Manipulation aussetzen.
Der Verlauf der bisherigen Diskussion rechtfertigt den Hinweis darauf,
daß militärische Strukturen vergleichsweise leicht genutzt
werden können, um Soldaten zu ihrem Schutz zu befehlen, bestimmte
Dinge zu tun und andere bleiben zu lassen. Das funktioniert mit der Zivilbevölkerung,
insbesondere mit den besonders gefährdeten Kindern nicht. Soldaten
fahren nach ein paar Monaten wieder nach Hause --die Zivilbevölkerung
bleibt aber über Generationen in den hoffentlich nur gering belasteten
Gebieten. Zur Zeit kann niemand sagen, welche Auswirkungen die Verwendung
der DU-Munition auf Soldaten und Zivilisten auf lange Sicht haben wird.
Jedes Schulkind kann jedoch verstehen, daß die heutigen Waffen fast
ausschließlich die Zivilbevölkerung treffen und noch Jahrzehnte
nach Beendigung des Krieges weiterwirken.
Im Januar 2001 erscheint in der angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift
Radiation Research ein Beitrag, der den experimentellen Nachweis erbringt,
daß bereits ein einziges Alphateilchen eine langanhaltende Instabilität
des Genoms in menschlichen Lymphozyten verursachen kann (Rad. Res. 155,
122-126 (2001). Diese genomische Instabilität ist eine wichtige Stufe
bei der Herausbildung von Krebs. Die Uranisotope sind Alphastrahler. Der
Beitrag in Rad.Res. ist ein weiteres Argument dafür, daß selbst
geringste Strahlendosen ernst zu nehmen sind.
Folgt man den Angaben des Instituts für Umweltpolitik der US-Army
(1995, www.aepi.army.mil), dem man eine Übertreibung der Risiken
kaum unterstellen kann, so muß man mit einer Hautdosis von 2 Millisievert
pro Stunde rechnen, wenn man ein abgeschossenes DU-Geschoß in die
Hand nimmt. Relevant sind hierbei nicht die Alphateilchen sondern die
b- und g-Strahlen, die die Zerfallsprodukte des Uran abgeben. In unserer
Strahlenschutzverordnung wird im § 45 ein Grenzwert für Teilkörperdosis
von Haut von 1,8 mSv pro Jahr festgelegt. Bei einem Kind, das mit einem
Urangeschoß spielt, wäre schon nach nur einer Stunde der Jahresgrenzwert
überschritten.
Harmlos? (Der Bericht der GSF ist im Internet zu finden: www.gsf.de/Aktuelles/Presse/uran.pdf)
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