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Gesellschaft für Strahlenschutz e.V .
Dr. Sebastian Pflugbeil
(Präsident)
Gormannstr. 17
10119 Berlin
Tel. 030-4493736
Fax 030-44342834
Pflugbeil.KvT@t-online.de

Gesellschaft für Strahlenschutz warnt:
Abwiegelung des Verteidigungsministers zur Uranmunition hat keine wissenschaftliche Grundlage.
Blutuntersuchungen genauer als Urinanalysen


Die Gesellschaft für Strahlenschutz hält die Urinanalysen und deren Bewertung, auf die sich Minister Scharping bei seinen Äußerungen über die Harmlosigkeit der Uranmunition beruft, für fragwürdig. Mängel im Design der Untersuchung, in der Probennahme, der statistischen Auswertung und der Bewertung der Ergebnisse sprechen für eine völlig neue Untersuchung. Dabei sollten neben den Urinanalysen auf Uran und Plutonium die genauere und zweckmäßigere biologische Dosimetrie (Chromosomenanlayse in Blutbestandteilen) durchgeführt werden. An der Untersuchung sollten verschiedene wirklich unabhängige Laboratorien beteiligt werden, um dem Verdacht einer Manipulation jede Grundlage zu entziehen.

Der Verteidigungsminister hat in den vergangenen Tagen wiederholt erklärt, daß es für die Soldaten des deutschen Heereskontingentes KFOR, die im Kosovo eingesetzt worden sind, keinerlei Gesundheitsgefährdungen durch die Spuren amerikanischer Uranmunition gäbe. Er stützt sich dabei auf eine Untersuchung der Uranausscheidung im Urin von Soldaten vor, während und nach ihrem Einsatz, die von einer Arbeitsgruppe der GSF (Neuherberg) unter Leitung von Prof. Paretzke im Auftrag des Verteidigungsministeriums (BMVg) durchgeführt wurde.

Diese Studie weist schwerwiegende methodische Mängel auf:
Die Studie enthält keinerlei Angaben zur Planung der Untersuchung. Dazu würden begründete Aussagen gehören, wie groß die zu untersuchenden Personengruppen sein müssen, um eine hinreichend genaue Aussage zu erhalten.
Dazu gehören auch Überlegungen zur systematischen Ausschaltung von Faktoren, die die Uranausscheidung zwar beeinflussen, aber mit der Uranmunition nichts zu tun haben. Es wird beispielsweise zwar ein einzelner hoher Meßwert auf den Genuß uranhaltigen Mineralwassers zurückgeführt, aber kein Studiendesign entwickelt, daß es gestattet hätte, solche Störfaktoren generell zu kontrollieren.
Es gibt keinerlei erkennbare Vorgehensweise, die eine Manipulation der Untersuchung ausschließen könnte. So wurden die Urinproben von einer Arbeitsgruppe des Auftragsgebers (BMVg) gesammelt, vorbehandelt und erst dann an die GSF übersandt. Schon das stellt die Unabhängigkeit der Studie in Frage. (Man stelle sich vor, wie überzeugend es wäre, bei Dopingkontrollen im Sport den Mannschaftskapitän die Proben einsammeln, ettikettieren und an das Labor schicken zu lassen.)
Die Zuordnung der Soldaten zu vermutlich Unbelasteten bzw. möglicherweise Belasteten ist rein subjektiv und nicht nachvollziehbar.
Eine statistische Analyse der Ergebnisse erfolgt nur für die Studiengruppe I. Geplant war die Untersuchung von 50 Personen vor und während des Einsatzes. Proben lagen schließlich nur von 43 Personen vor und 34 Personen während des Einsatzes vor. Es gibt keine Erklärung für das Wegfallen von 9 Probanden während des Einsatzes. Es wäre zwingend, zu klären, ob durch diese Ausfälle (immerhin 21 % der Probanden) eine Verzerrung des Ergebnisses zustandegekommen sein könnte.
Zur statistischen Analyse der Ergebnise der Studiengruppe I geben die Autoren der Studie an, einen "gepaarten t-Test für Stichproben mit ungleichen Varianzen" angewandt zu haben. Offenbar wurde jedoch ein ganz anderer Test - ein t-Test für unabhängige Beobachtungen mit ungleichen Varianzen (Welsh) - eingesetzt. Das ist jedoch der falsche Test für die zu lösende Aufgabe - die Beobachtungen vor und während des Einsatzes an einunddenselben Soldaten sind nicht voneinander unabhängig, sie erfüllen damit nicht die mathematischen Voraussetzungen zur Anwendung dieses Tests.
Da entsprechende Angaben fehlen, stellt sich sogar die Frage, ob sich die errechneten Mittelwerte in den Spalten 2 und 4 der Tabelle 5 womöglich auf unterschiedliche Soldatengruppen beziehen (eine mit 43 und eine mit 34 Soldaten), damit wäre der angestellte Vergleich vollends unsinnig.

Bei der Anwendung eines geeigneten Testverfahrens - etwa eines nichtparametrischen Tests zum Vergleich der Differenzen zwischen beiden Gruppen - wären nach den Ergebnissen der Tabelle 5 vermutlich sogar signifikante Unterschiede zwischen "vor dem Einsatz" und "während des Einsatzes" zu erwarten. Sie wären jedoch wesentlich auf den Rückgang der Uranauscheidungen in der Kontrollgruppe während des Einsatzes zurückzuführen und würden kaum zu einer vernünftigen Schlußfolgerung für die Fragestellung der Studie führen.

Aufgrund der aufgezeigten Mängel ist eine völlig neue Untersuchung unumgänglich.
Sie sollte neben der nur bedingt aussagefähigen Analyse des Urins auf Uran- und Plutoniumspuren unbedingt von der Möglichkeit einer biologischen Dosimetrie Gebrauch machen. Biologische Dosimetrie nutzt die Tatsache, daß bereits sehr geringe Strahlendosen zu sichtbaren Treffern an Chromosomen in bestimmten Bestandteilen des Blutes führen. Man kann auf diesem Wege sogar feststellen, ob Alphastrahlen eine Rolle gespielt haben. Anders als bei der Analyse der Ausscheidungen kommt man bei der biologischen Dosimetrie sehr viel näher an die Prozesse heran, die sich in einer Vielzahl von Krankheitsbildern von einfacher Immunschwäche bis zur Herausbildung von Krebs niederschlagen können.
Zur Vermeidung von Zweifeln an künftigen Ergebnissen sollten die Proben geteilt, auf die übliche Weise kodiert und von verschiedenen Laboratorien ausgemessen werden. Insbesondere sollte vermieden werden, daß Strukturen des BMVg sich dem Verdacht der Manipulation aussetzen.

Der Verlauf der bisherigen Diskussion rechtfertigt den Hinweis darauf, daß militärische Strukturen vergleichsweise leicht genutzt werden können, um Soldaten zu ihrem Schutz zu befehlen, bestimmte Dinge zu tun und andere bleiben zu lassen. Das funktioniert mit der Zivilbevölkerung, insbesondere mit den besonders gefährdeten Kindern nicht. Soldaten fahren nach ein paar Monaten wieder nach Hause --die Zivilbevölkerung bleibt aber über Generationen in den hoffentlich nur gering belasteten Gebieten. Zur Zeit kann niemand sagen, welche Auswirkungen die Verwendung der DU-Munition auf Soldaten und Zivilisten auf lange Sicht haben wird. Jedes Schulkind kann jedoch verstehen, daß die heutigen Waffen fast ausschließlich die Zivilbevölkerung treffen und noch Jahrzehnte nach Beendigung des Krieges weiterwirken.

Im Januar 2001 erscheint in der angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift Radiation Research ein Beitrag, der den experimentellen Nachweis erbringt, daß bereits ein einziges Alphateilchen eine langanhaltende Instabilität des Genoms in menschlichen Lymphozyten verursachen kann (Rad. Res. 155, 122-126 (2001). Diese genomische Instabilität ist eine wichtige Stufe bei der Herausbildung von Krebs. Die Uranisotope sind Alphastrahler. Der Beitrag in Rad.Res. ist ein weiteres Argument dafür, daß selbst geringste Strahlendosen ernst zu nehmen sind.

Folgt man den Angaben des Instituts für Umweltpolitik der US-Army (1995, www.aepi.army.mil), dem man eine Übertreibung der Risiken kaum unterstellen kann, so muß man mit einer Hautdosis von 2 Millisievert pro Stunde rechnen, wenn man ein abgeschossenes DU-Geschoß in die Hand nimmt. Relevant sind hierbei nicht die Alphateilchen sondern die b- und g-Strahlen, die die Zerfallsprodukte des Uran abgeben. In unserer Strahlenschutzverordnung wird im § 45 ein Grenzwert für Teilkörperdosis von Haut von 1,8 mSv pro Jahr festgelegt. Bei einem Kind, das mit einem Urangeschoß spielt, wäre schon nach nur einer Stunde der Jahresgrenzwert überschritten.
Harmlos? (Der Bericht der GSF ist im Internet zu finden: www.gsf.de/Aktuelles/Presse/uran.pdf)

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