Weitere Argumente und Antworten auf Befürworterthesen:
Unsere Perspektive in der Opposition:
die Chance, klares grünes Profil zu gewinnen Von 1990 bis 1995 waren wir in der Opposition und haben
grüne Konzepte pur vertreten und uns damit von 5 auf 10 Prozent
gesteigert.
Diese Chance sehe ich jetzt wieder, wenn wir diese Koalition der Unterwerfung
ablehnen.
Es ist richtig, die 10 grünen Projekte, die wir im Wahlkampf vorangestellt
haben, finden sich im Koalitionsvertrag wieder. Aber es sind auf der
anderen Seite nicht nur die großen Konfliktpunkte beim Luftverkehr
und Autobahnausbau, wo die Beton-Sozis uns zwingen wollen, das Gegenteil
von dem zu unterschreiben, was wir programmatisch vertreten, es gibt
auch in den einzelnen Koa.-Vertragskapiteln neben den Gemeinsamkeiten
und positiven Projekten schwierige Formelkompromisse und Vereinbarungen,
die im Widerspruch zu unseren Forderungen stehen.
Beispiel Energiepolitik: Neben dem Ausbau alternativer Energien wird uns ein Bekenntnis nicht
nur zur Steinkohle sondern auch zur Braunkohle abverlangt. Eine positive
Aussage zu hocheffizienten Gaskraftwerken war dagegen mit der SPD nicht
zu machen. Im Koa.-Vertrag 95 war es dagegen noch möglich, die
unterschiedlichen Positionen von SPD und Grünen zur Steinkohle
und v.a. zur Braunkohle und zu Garzweiler II festzuhalten. Damals hat
die SPD noch auf Unterwerfung verzichtet.
Beispiel Wirtschaftspolitik: Hier werden wir genötigt den Ausbildungskonsens und das Bündnis
für Arbeit als bewährte politische Strategie abzufeiern und
uns einseitig für beschleunigte Modernisierung, Digitalisierung
und Liberalisierung auszusprechen. Dabei hat bis jetzt jede Statistik
ergeben, dass auch unter dem Ausbildungskonsens die betrieblichen Ausbildungsplätze
weiter abgebaut worden sind. Es war noch nicht einmal möglich,
im vorliegenden Koa.-Vertrag neben den Zielen "Wirtschaftswachstum
und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen"
soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu verankern. Im Koa.-Vertrag
95 wurde dagegen neben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
mehrfach ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit als
gleichwertige Ziele betont.
Beispiel Hochschulpolitik: Der Qualitätspakt wurde in der letzten Legislaturperiode nicht
nur aus den Hochschulen, sondern auch von uns deutlich kritisiert. Nur
mit Grollen hat ihn eine knappe Mehrheit in der Fraktion hingenommen.
Jetzt bezeichnen wir ihn als verlässliche Basis und bekräftigen:
Wir stehen zu diesem Pakt! Darüber hinaus wird Wissenschaft und
Forschung immer einseitiger wirtschaftlichen Interessen unterworfen.
Während es uns im Antrag "Virtueller Hochschulraum NRW"
im April diesen Jahres noch gelungen war zu verankern, dass auch zukünftig
die Hochschulen ihrer Aufgabe gegenüber den Einzelnen und gegenüber
allen gesellschaftlichen Gruppen gerecht wird, heißt es jetzt
nur noch "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft...
Bis zuletzt wurde um die Formulierung zur Gen-Technik gerungen.
Zwar ist es gelungen, bei der Nutzung der Gentechnologie die sorgfältige
Abwägung von Chancen und Risiken zu verankern, dafür mussten
wir aber hinnehmen, dass die Landesregierung die Forschungsförderung
auf zukunftsorientierte Forschungsfelder konzentriert, u.a. die Bio-
und Gentechnik. 1995 hieß es noch: "Ein Schwerpunkt der Forschungsförderung
im Bereich der Bio- und Gentechnologie wird die Abschätzung der
Chancen und Risiken sein." Auch hier zwingt uns die SPD einen Positionswechsel
auf.
Beispiel Kinderbetreuung/Ganztag Der mit Mühe errungene Kompromiss "Ausweitung der Schulkindbetreuung
in der Fläche durch die Programme 8 – 1 und 13 plus und SIT bei
Stop des Hortausbaus, war nur möglich, unter Verzicht auf jede
Qualitätsvorgabe für die schulischen Betreuungsprogramme.
Auch wenn es gelungen ist, das Ausbluten der Betreuungseinrichtungen
für Kinder zu verhindern, ist jetzt schon klar: Die Probleme sind
vorprogrammiert, auch im GTK-Bereich werden sich die Personalstandards
bei der U-3 und Ü-6-Betreuung nicht halten lassen.
Beispiel Umweltschutz: Nachhaltigkeitsbekenntnisse, Agenda 21 und Ausbau der Förderung
von biologischen Stationen und freiwilligem ökologischem Jahr sind
nur die eine Seite der Medaille. Dagegen ist aber eins überdeutlich
geworden: Clement und Co wollen es nicht weiter hinnehmen, dass Bärbel
sich auf Landes- und Bundesebene weiter gegen die Deregulierungsinteressen
der Industrie, allen voran der chemischen Industrie stemmt. Deshalb
stehen auf der anderen Seite beschleunigte Genehmigungsverfahren und
die Belohnung von eigenverantwortlichem Handeln der Wirtschaft. Betrieben,
die sich an freiwilligen Umweltmanagementsystemen beteiligen, wird z.B.
Entlastung von staatlicher Überwachung versprochen. Es gibt daher
nicht nur die positiven Signale des Nabu-Vorsitzenden sondern auch eine
Stellungnahme der Naturschutzverbände Ost-Westfalen-Lippe, die
die finanzielle Unterstützung für Naturschutzprojekte als
Ablenkungsmanöver für den mit dem Koa.-Vertrag akzeptierten
ökologischen Raubzug bewerten.
Das sind nur einige Beispiele dafür, dass uns auch jenseits der
großen Konfliktpunkte die SPD Zugeständnisse abgerungen oder
aufgezwungen hat, die für uns gegenüber unserem Klientel,
gegenüber Initiativen und uns nahe stehenden Verbänden sehr
sehr schwierig sind. Viele, die uns noch gewählt und unterstützt
haben, werden uns diese Abkehr von Grundpositionen übel nehmen.
Die Erfahrung der letzten fünf Jahre hat uns darüber hinaus
gelehrt, dass gerade unser Klientel sehr schnell geneigt ist, alles
Negative uns anzukreiden, während die SPD positive Entwicklungen
als Erfolge ihrer Politik verkauft.
In der Opposition können wir dagegen klare, eindeutig grüne
Positionen beziehen:
gegen Garzweiler II und für eine umfassende ökologische
Energiepolitik.
für eine Wirtschaftspolitik, die sich an ökologischen, arbeitsmarkt-
und sozialen Zielen ausrichtet und für eine Ausbildungsplatzabgabe,
um genügend Ausbildungsplätze für alle zu gewährleisten,
für Ausbau von Kinderbetreuung in der Fläche aber verbunden
mit Standards, die die zeitliche Verlässlichkeit und Qualität
der Betreuung gewährleisten,
für eine konsequente Umweltschutzpolitik, die den Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen über Verfahrensbeschleunigung
und Unternehmensentlastung stellt
für eine positive Gestaltung und Demokratisierung der Hochschulen
ausgereichtet an Gesellschaftlichen Interessen und
für grundsätzliche Ablehnung der Gen-Technik.
Wenn wir diesen Weg gehen, beweisen wir Rückgrat, weil wir nicht
bereit sind um der Regierungsbeteiligung willen für uns wichtige
politische Ziele zu verleugnen. Dies verschafft uns Achtung bei den
Initiativen und schützt uns vor dem weiteren Zerfall unserer eigenen
Basis. Und wenn wir dann klare grüne Positionen vertreten und gestützt
auf die langjährigen politischen Erfahrungen und in Kooperation
mit uns nahestehenden gesellschaftlichen Gruppen, realitätstüchtige
Alternativkonzepte erarbeiten, haben wir gute Chancen, BündnispartnerInnen
neu zu gewinnen, z.B. aus der Gewerkschaftsjugend, aus den Umwelt- und
Naturschutzverbänden, aus Elterninitiativen und Erzieherinnenverbänden,
sozial engagierte Kirchenvertreter, aus der StudentInnenbewegung und
den Anti-Gentechnik-Initiativen.
Sicher, Oppositionsarbeit ist ein steiniger Weg und kein Zuckerschlecken.
Aber wir können uns dabei auf ein starke Landtagsfraktion und erfahrene,
engagierte MitarbeiterInnen stützen. Viel schwieriger wird unsere
Situation allerdings, wenn es Clement und Co mit ihrer Unterwerfungsstrategie
gelingt, uns unter die Fünf-Prozentgrenze zu drücken. Diese
Gefahr sehen wir real, weil sich zunehmend Menschen, die ihre Inhalte,
ihre Positionen vertreten sehen wollen, fragen: Wo stehen die Grünen
überhaupt noch, wozu soll ich die noch wählen.
These: Auf die Ausstrahlungskraft unserer jetzt neu zugeschnittenen
Ministerien und deren positive Arbeit können wir nicht verzichten. Es ist unbestritten, dass beide grünen Ministerien in der
Vergangenheit gute Arbeit geleistet haben, in der Öffentlichkeit
gut rübergekommen sind und dass wir dies auch in der Zukunft von
ihnen erwarten können, wobei sich durch die neuen Themenfelder
Stadtentwicklung, Kultur und Sport neue Möglichkeiten bieten.
Fakt ist aber auch, dass uns die hervorragende Ministeriumsarbeit und
die auch insgesamt von mir positiv bewertete vergangene Koalition nicht
davor bewahrt hat, 2,9% unserer Stimmen zu verlieren. Angesichts der
mit diesem Koalitionsvertrag sehr viel schwieriger werdenden Gesamtsituation,
ist zu befürchten, dass wir in der Koalition zu einer Art Dame
und Herr ohne Unterleib werden: gute Leute und gute Arbeit an der Spitze
aber die Basis und die Wählerinnenstimmen bröckeln weiter
ab, wegen all dem was wir mal eben so mitverantworten müssen.
These: Wer die ganze Zeit mitverhandelt, darf anschließend
nicht zum Ergebnis "nein" sagen! Die Partei (LPR) hat Barbara und mir den Verhandlungsauftrag
gegeben. Diesen Auftrag haben wir angenommen und bis zum Schluss gewissenhaft
ausgefüllt. Wir haben uns bemüht, in den Themenfeldern Arbeit,
Gesundheit, Soziales, Frauen, Kinder, Jugend und Familie, für die
wir die Verantwortung trugen, das Bestmögliche raus zu holen. Bei
allen internen Beratungen haben wir allerdings betont, dass das Gesamtergebnis
für uns nur tragfähig ist, wenn Clement sich bei der Raumordnung,
beim Luftverkehr und beim Straßenbau nicht durchsetzt, sondern
zum Kompromiss bereit ist.
Ob man oder frau "ja" sagt zu einem Verhandlungsergebnis,
das entscheidet sich immer, wenn das Gesamtergebnis auf dem Tisch liegt.
Das ist so, wenn einem nach langem Gefeilsche der vom Händler genannt
letzte Preis immer noch zu hoch ist, dass war beim ÖTV-Tarifvertrag
so und das ist für uns jetzt beim Koalitionsvertrag so. Wer andere
Spielregeln will, soll das sagen und mit der Partei diskutieren.
These: Es ist WählerInnenbetrug, wenn man vor der Wahl
sagt: Wer rot-grün will, muss grün wählen und danach
die Koalition ablehnt. Richtig, wir haben für eine rot-grüne Koalition mit einem
starken grünen Faktor geworben, aber es war auch klar, dass es
dabei nicht um eine Koalition um jeden Preis gehen kann und dass bei
der SPD die Bereitschaft zu einem Neuanfang auf gleicher Augenhöhe
gegeben sein muss. Genauso gut könnte man sagen: Auf der Grundlage
des grünen Programms ist der Koalitionsvertrag Betrug an unseren
WählerInnen.
Uns geht es aber nicht darum mit gegenseitigen Unterstellungen zu arbeiten,
sondern wir müssen ein Verhandlungsergebnis bewerten und die daraus
zu erwartenden Folgen für die grüne Partei.
These: Wer jetzt den Koalitionsvertrag ablehnt, schädigt
damit unsere besten Leute, die die Verhandlungsführung inne hatten. Das ist falsch! Nicht das mangelnde Verhandlungsgeschick unserer
Leute sondern die Unbeweglichkeit der SPD und die fehlende Kompromissbereitschaft
bei Clement und Co an für uns zentral wichtigen Punkten sind für
das Ergebnis verantwortlich. Genauso wenig, wie der ÖTV-Vorsitzende
Mai dafür die Verantwortung übernehmen muss, dass Otto Schily
bei den Tarifverhandlungen keine akzeptable Erhöhung zugestanden
hat, müssen z.B. Bärbel und Michael dafür gerade stehen,
dass Clement sich stur gestellt hat. Das wäre absurd.
These: Wir müssen auf jeden Fall eine sozialliberale Koalition
verhindern! Der Wunsch eine FDP-Regierungsbeteiligung zu verhindern war
auch für uns Motiv, in den Verhandlungen mit der SPD nicht vorschnell
klein bei zu geben, sondern bis zum Schluss zu versuchen, das Bestmögliche
rauszuholen. Als wesentliches Motiv für grüne Regierungsbeteiligung
ist das aber zu wenig. Wir wollen schließlich nicht Verhinderungs-
sondern Reformmotor sein. Trotzdem gilt es natürlich zu bewerten,
was bei einer FDP-SPD-Koalition anders würde, welche Schäden
zu erwarten sind. Die FDP hatte zwei Wahlbotschaften: Tempo, Tempo,
Tempo, weg mit dem Stau und mehr Geld für Bildung. Viel mehr Tempo
als die SPD uns in den Koalitionsvertrag diktiert hat, kann auch die
FDP nicht machen und mehr Geld für Bildung wollen wir auch, haben
wir auch ausgehandelt. Schaden nähmen wahrscheinlich unsere auf
Chancengleichheit und demokratische Teilhabe orientierten Konzepte.
Wenn die SPD sich darüber hinaus von der FDP Einschnitte ins soziale
Netz abhandeln ließe oder frauenpolitischen Rückschritt vereinbaren
würde, wäre das sicherlich schmerzlich. Aber es gilt dabei
zweierlei zu bedenken:
a) die Motivation der SPD gegenüber dem auch für sie wichtigen
WählerInnenpotential unsoziale oder frauenfeindliche Politik zu
verkaufen ist sicherlich begrenzt
b) angesichts der zu erwartenden Finanzsituation sind schmerzhafte Einschnitte
auch unter rot-grün wahrscheinlich. Das Verhalten der SPD in den
Koa.-Verhandlungen lässt kaum Hoffnung aufkommen, dass für
uns wichtige Förderprogramme geschont werden, im Gegenteil, gerade
bei denen ist drastisches Einschneiden zu befürchten, zumal der
Finanzminister dafür Sorge getragen hat, dass bei uns wichtigen
Projekten im Koa.-Vertrag eher wage Formulierungen zu finden sind während
bei teueren SPD-Anliegen klare definitive Aussagen getroffen werden.
Auch wir wollen NRW nicht leichten Herzens Möllemann überlassen.
Angesichts des vorliegenden Koalitionsvertrags bewerten wir aber das
mit dieser rot-grünen Koalition verbundene Risiko für die
grüne Partei höher, zumal Clement ja heute schon die Befristung
dieser Koalition bis zur Bundestagswahl im Hinterkopf hat und das gute
Verhältnis zu Möllemann weiter pflegen will.
These: Die Ablehnung des Koalitionsvertrags gefährdet Rot-Grün
in Berlin! Die rot-grüne Bundeskoalition hat nach anfänglichem
Schlingern einen festen Tritt gefunden und trägt sich selbst. Rot-grüne
Bundesratsmehrheiten gibt es nicht, können daher auch nicht gefährdet
werden. Daher sehen wir keine Risiken für die Bundesebene. Zumal
Schröder schlecht beraten wäre, zwei Jahre vor der Bundestagswahl
eine Koalitionskrise samt Partnertausch herbeizuführen.
These: Der Koalitionsvertrag ist eine gute Grundlage, wir müssen
nur das Beste daraus machen und intelligente Strategien entwickeln.
Der alte Koalitionsvertrag war an vielen Stellen besser. Aber auch in
den vergangenen Jahren haben wir immer wieder feststellen müssen:
Um das Beste daraus zu machen, brauchen wir die Kooperationswilligkeit
unseres Koalitionspartners. Die ist heute weniger vorhanden, denn je.
Auch noch so gute Strategien werden uns nicht vor den Blockaden und
Alleingängen der NRW-SPD bewaren.
These: Wer die Koalition ablehnt, hätte vorher aussteigen
müssen, jetzt ist es zu spät! Wir haben in der Verhandlungskommission gemeinsam entschieden,
uns nicht aus dem Saal provozieren zu lassen, sondern zu verhandeln
und der LDK das Ergebnis vorzulegen. Diese Vorgehensweise entspricht
unseren basisdemokratischen Strukturen. Die LDK muss entscheiden, ob
der Koalitionsvertrag trägt oder nicht und ob die NRW-SPD ein vertrauenswürdiger
Partner ist. Wer verlangt, dass die Ablehnung der Koalition zu einem
frühen Zeitpunkt von wenigen Verhandlungsmitglieder getroffen wird,
will eine andere Partei. Wir sind nach wie vor der Auffassung, derartig
grundlegende Entscheidungen kann nur die LDK treffen und sie muss sie
wirklich frei treffen können. Das hat sie vor fünf Jahren
getan, das hat sie in Jüchen getan und das wird sie am Wochenende
in Bonn tun.