Heidi Meinzolt-Depner,
Kreuzweg 6, D 82131 Stockdorf, T/F 089 89979690,
Vor 19 Jahren, als ich den Grünen beigetreten bin,
ging es darum, neue Themen in der politischen Arena zu verankern. Als Grüne
legten wir programmatisch und in vielen phantasievollen Aktionen unsere
Finger in Wunden der Wohlstandsgesellschaft. Dafür bekamen wir in
Deutschland, Europa und schließlich weltweit Zustimmung. Die Grünen
ergriffen die historische Chance, ein Gesamtkonzept umzusetzen, das soziale
Gerechtigkeit und Freiheitsrechte für Frauen, Unterdrückte und
Andersdenkende verbindet mit Frieden durch Gewaltverzicht und die Förderung
ziviler präventiver Politik und Lebensqualität durch hohe Umweltziele
und eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere im Nord-Süd-Horizont.
Dieses grüne Projekt lebte durch die breite demokratische
Beteiligung vieler Menschen unterschiedlichster Herkunft, Alter und ideologischer
Orientierung. Die Verfestigung im System und die Hierarchisierung im institutionellen
Gefüge, hat den Grünen in einem schleichenden Prozess viel von
ihrer Ursprünglichkeit und Unkonventionalität genommen. Obrigkeitshörigkeit,
Systemkonformismus, Selbstgerechtigkeit und Verkrustungen machen sich breit.
Die Grünen schwimmen im gesellschaftlichen Mainstream, mit schwindendem
eigenen Profil. Sie schaden damit nicht nur sich selbst, sondern tragen
dazu bei, Politikverdrossenheit und Fatalismus zu verstärken.
Nach der Erosion grüner Grundwerte und nach endlosen Strukturreformen in den letzten Jahren, die die Eigenständigkeit der Grünen als Parteiorganisation verwischt haben, nach erpresserischen Konsensverhandlungen mit der Industrie und unter der Fuchtel eines Regierungspartners, wurde das grüne Programm auf Regierungskompatibilität zurechtgeschliffen. Und doch lohnte es sich in meinen Augen noch im letzten Jahr für das neue, zur Verabschiedung anstehende, Grundsatzprogramm zähneknirschend zu streiten. Nachdem dies von der politischen Tagesordnung abgesetzt wurde, kann es jetzt nach der Disziplinierung der Partei in Rostock mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Abstriche durchgezogen werden. Damit werden die Grünen eine andere Partei. Dies ist wie eine Änderungskündigung und so habe ich das für mich verstanden. Der Paradigmenwechsel, mit dem Krieg zum legitimen Mittel auch grüner Politik in Deutschland wird – ist schließlich der „point of no return“ für mich. Aktiver Pazifismus der andere als militärische Antworten einfordert, hat eine politische Stimme verloren und ist damit, mit Auswirkungen weit über grüne Parteikreise hinaus, so diskreditiert, daß auch zukünftig zivile Konfliktlösung in ihrer Nische bleibt. Es geht auch anders: die grünen Parteien in England,
Schweden, Portugal, Italien und in der Ukraine haben sich strikt gegen
Militärschläge in Antwort auf den 11.September gewandt. Die amerikanischen
Grünen verwiesen in ihrer klaren Ablehnung des Afghanistankrieges
explizit auf die geostrategischen Interessen, die in Zentralasien verfolgt
werden, auf die Notwendigkeit einer juristischen Terrorismusverfolgung,
die mit der Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofes nicht gewollt
wird und den Boykott der Biowaffenkonvention durch die US-Regierung als
falsche strategische Orientierung. Wo bleibt da noch der vielberufene „Konsens“
innerhalb der grünen Familie?
Auch irgendwie tröstlich! Ich habe in meinen Jahren bei den Grünen ehrenamtlich in vielen Spannungsfeldern gearbeitet, als Sprecherin des Landesverbandes Bayern, Sprecherin bundes- und landesweiter Arbeitskreise zu Fragen der Europa-, Friedens- und Eine-Welt-Politik, als Vorstandsmitglied der Europäischen Grünen, als Kreisvorsitzende und Kandidatin für den Bundestag und das Europaparlament - mit großem Spaß und vielen Wechselbädern der Gefühle. Dabei ist so Manches erreicht worden. Und so sehe ich mich auch weiterhin vielen Anliegen der Grünen und grünen Programmen verpflichtet und vielen Freunden und Mitstreiterinnen freundschaftlich verbunden. |
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