von Tobias Pflüger (IMI)
Am 07. November 2001 beantragte die Bundesregierung eine
"Ermächtigung zum Einsatz" der Bundeswehr. Dies war der lange
erwartete Beitrag der Bundesregierung zum als "Krieg gegen den Terror"
deklarierten Krieg zur Neusortierung der Weltordnung. Der Antrag
der Bundesregierung hat es aus verschiedenen Gründen in sich:
Im Beschluß des Bundeskabinetts vom 07. November
wird eine Kriegsermächtigung für 3.900 Mann der Bundeswehr gefordert.
Die offiziellen Angaben über das Bundeswehrkontingent sind wie folgt:
"Im Rahmen der Operation ENDURING FREEDOM werden bis zu
3.900 Soldaten mit entsprechender Ausrüstung bereitgestellt: ABC-Abwehrkräfte,
ca. 800 Soldaten / Sanitätskräfte, ca. 250 Soldaten / Spezialkräfte,
ca. 100 Soldaten / Lufttransportkräfte, ca. 500 Soldaten / Seestreitkräfte
einschließlich Seeluftstreitkräfte, ca. 1800 Soldaten / erforderliche
Unterstützungskräfte, ca. 450 Soldaten."
"Die Beteiligung mit deutschen Streitkräften an der
Operation ENDURING FREEDOM ist zunächst auf zwölf Monate begrenzt."
"Einsatzgebiet ist das Gebiet gemäß Art. 6
des Nordatlantikvertrags, die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien
und Nord-Ost-Afrika sowie die angrenzenden Seegebiete. Deutsche Kräfte
werden sich an etwaigen Einsätzen gegen den internationalen Terrorismus
in anderen Staaten als Afghanistan nur mit Zustimmung der jeweiligen Regierung
beteiligen."
Die Bundesregierung will mit diesem Beschluß des
Bundeskabinetts (und wohl am Donnerstag des Bundestages) eine
umfassende Kriegsermächtigung mit einer nicht sehr
genauen Truppenanforderung, mit einer Laufzeit von einem Jahr und einem
völlig offen definierten Einsatzraum.
Was bedeutet dieser Beschluß nun im Einzelnen:
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Der Bundestag soll die konkrete Hoheit über den Einsatz
von Bundeswehrsoldaten an die Bundesregierung abgeben.
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Der Einsatzraum der Bundeswehr ist bewußt sehr weiträumig
gefaßt und läßt praktisch alle Kriegsoptionen offen. "Kompensationseinsätze"
in den USA sind möglich. Mit den sehr offenen Begrifflichkeiten "Mittelasien",
"Nordostafrika" und "Zentralasien" kann alles gemeint sein: Ist damit der
Irak doch Kriegsziel? Oder geht es jetzt um Somalia? Auch der Sudan und
Libyen können unter diese geographische Beschreibung noch subsummiert
werden. Was ist mit dem Kaukasus als Einsatzort deutscher Truppen? Mit
der vagen geographischen Eingrenzung des möglichen Einsatzgebietes
zeichnet sich ab, was weitere Ziele des von den USA und Großbritannien
begonnenen Krieg sein könnten. Es ist spätestens jetzt klar,
es handelt sich nicht um einen "Krieg gegen den Terror", es geht den kriegsführenden
Regierungen des Westens um eine geopolitische Neuordnung Mittel- und Zentralasien
und Nordostafrikas mit militärischen Mitteln.
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Sehr interessant ist die Formulierung der Kriegsbeteiligung
"in anderen Staaten als Afghanistan nur mit Zustimmung der jeweiligen Regierung."
Was ist, wenn es keine anerkannte Regierung gibt, wie etwa in Somalia?
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Eine Kriegsermächtigung auf vorläufig zwölf
Monate zeigt auf, wie lange der Krieg mindestens dauern wird. Mit einem
so offenen Kriegsmandat hat die Bundesregierung die Möglichkeit die
Bundeswehr mit allen möglichen konkreten Einsatzoptionen (von humanitärer
Hilfe bis zum Bodentruppeneinsatz) in einem sehr offenen geographischen
Umfeld einzusetzen.
Die Beschreibung der Truppenkontingente läßt
vieles absichtlich offen: Doch ist manches für Militärkenner
trotzdem klar (Quellen werden hier aus nachvollziehbaren Gründen nicht
genannt):
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Bei den "ABC-Abwehrkräfte, ca. 800 Soldaten" handelt
es sich um zwei Kompanien des ABC-Abwehrbataillon 7 aus Höxter mit
dem ABC-Spürpanzer Fuchs. Der Spürpanzer Fuchs, Exportschlager
der deutschen Waffenindustrie, ist ein rollendes Labor. Dieses Labor wird
meistens hochgelobt. Es wurde aber auch schon scharf kritisiert, beim Nichtaufspüren
von radioaktiver DU-Munition z.B. im Bereich Jugoslawien und Kosovo. Dies
funktioniert nämlich nur, wenn der Panzer direkt über der kontaminierten
Stelle steht. Auch die USA haben ABC-Spürpanzer, die aber besser ausgerüstet
sind als die der Bundeswehr. Die ABC-Spürpanzer sollen auf dem Landweg
wohl via Türkei Richtung Kriegsgebiet gebracht werden. Möglicher
Einsatzort ist Usbekistan, das Aufmarschgebiet der US-Truppen. Auch ein
Rochadeeinsatz (Austausch mit US-Truppen) ist möglich.
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"Sanitätskräfte, ca. 250 Soldaten": Hierbei handelt
es sich um einen sogenannten "Multi-Role-Transporter MedEvac". Dies ist
ein Airbus A310 mit medizinischem Spezialausbau. Also ein fliegendes Kleinkrankenhaus.
Erster Stationierungsort ist der Kölner Flughafen. Ziel wird wohl
sein, Kriegsverletzte aus dem Kriegsgebiet abzutransportieren. Zuerst wohl
zu den US-Einrichtungen bei Frankfurt/Main in Deutschland. Eine spätere
Einbeziehung bzw. ein Austausch mit weiteren Bundeswehr-Sanitätskräften
ist nicht unmöglich. Offen bleibt noch, welche Rolle die vereinbarte
zivil-militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr mit 68 zivilen Kliniken
in Deutschland in diesem Zusammenhang hat. Eine Aktivierung einzelner dieser
vorangeschrittener Vereinbarungen ist nicht völlig ausgeschlossen.
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"Lufttransportkapazitäten im Umfang von bis zu
500 Soldaten": Hierbei handelt es sich wohl um mindestens 3 Transallflugzeuge
der Bundeswehr, die unter Befehl des EUCOM (europäischen Oberkommando
der US-Streitkräfte) Transportaufgaben vom US-Luftwaffenstützpunkt
Ramstein (Rheinland-Pfalz) mit Frachten u.a. zum türkischen NATO-Stützpunkt
Incirlik fliegen sollen. Diese Information deutet auf einen doch möglichen
Einsatz gegen den Irak hin oder auf andere Maßnahmen im Zusammenhang
mit dem Irak.
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"Seestreitkräfte in einem Umfang von 1.800 Soldaten":
Der umfangreichste Teil der Kriegsbeteiligung wird von der Marine gestellt.
Angefragt sind nach Angaben des US-Militärs: 1 Instandsetzungsschiff,
2 Fregatten, 1 Aufklärungsschiff, 1 Tanker, Seefernaufklärer
Breguet Atlantique, ein Verband mit Schnellbooten, ein sogenannter Minensuchverband
sowie 2 Hubschrauber "Sea King". Der Einsatzraum der Marineeinheiten ist
der Golf von Aden / das Horn von Afrika, es geht also wohl um die Absicherung
von Schiffswegen z.B. für Öltransporte über diese Route
oder im weiteren Umkreis. Interessamt ist die Teilnahme von "Verbindungsoffizieren
für die Embargoüberwachung". Soll hier die Bundeswehr am bisherigen
Irak-Embargo teilnehmen? Ist ein Ersatz der US-Schiffe beim Irak-Embargo
geplant? Werden neue Embargomaßnahmen gegen den Irak oder Somalia
geplant?
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"'Spezialkräfte'" der Bundeswehr im Umfang von bis zu
100 Soldaten": Aufgrund der unspezifischen Beschreibung handelt es sich
hierbei nicht nur um Soldaten der Elitekampfeinheit "Kommando Spezialkräfte"
aus Calw, sondern auch - wohl im Austausch - um die KSK-light-Truppen der
Division spezielle Operationen (DSO) mit Sitz des Stabes in Regensburg,
und den Luftlandebrigaden 31 in Oldenburg und 26 in Saarlouis. Für
diese KSK-und DSO-Truppen könnte der Kriegseinsatz nicht nur riskant
sondern tödlich werden.
Insgesamt bleibt aber die Frage offen: Welche Rolle
sollen die Bundeswehrsoldaten spielen? Sichern sie die bombenden Truppen
der Kriegspartner ab oder beteiligen sie sich in einer zweiten Phase selbst
am direkten Krieg? Es ist alles möglich. Zumindest die KSK- und DSO-Truppen
werden sich ziemlich sicher direkt am Krieg beteiligen.
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