Rentenpapier von jungen Grünen
Aufpoliert statt reformiert
von Ramona Pop, Jan Fries und Christian Meyer

Jugendliche und ihre Interessen sind für die Politikerinnen und Politiker etwas so kostbares, dass sie allein für Sonntagsreden reserviert sind. Nur bei der Rentenreform ist alles anders. In dieser Debatte dürfen die "Interessen der nächsten Generation" als Alltagsargument herhalten. Endlich scheint das erreicht worden zu sein, worum schon viele gekämpft haben, die Interessen junger Menschen stehen im Mittelpunkt. Glaubt man einigen PolitikerInnen ist es eigentlich eine Reform nur für die Jugend. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden zum selbst ernannten Anwalt der Jugend und Walter Riester kennt kaum ein anderes Argument als die "Generationengerechtigkeit". Nur die Jugend selber fühlt sich nicht berücksichtigt. Ein breites Spektrum an Jugendorganisationen von der Grünen Jugend über Jusos und DGB-Jugend bis hin zu der evangelischen und katholischen Jugend lehnten den Rentenreformentwurf ab. Spätestens bei den "Rentenkonsensgesprächen" wurde deutlich, dass es nicht wirklich um die künftigen Generationen geht. Denn Konsens meinte die Einbeziehung aller politischen Parteien, nicht die Einbeziehung aller Generationen.

So bleibt als einziger wirklicher Konsens die Notwendigkeit einer Reform. Der Begriff der "Generationengerechtigkeit" verkam in der Debatte zu einem Kampfbegriff und einer leeren Hülle, mit dem die diversen Lobbyisten versuchten für sich Vorteile zu erringen. Dabei war es egal, ob es sich um den angeblichen Kampf zwischen den Generationen handelt oder um den Versuch notwendige Umverteilung zu erwirken. Nur um eine Reform für die junge Menschen geht es nicht. Allein die Verteilung des Kuchens "Rente" steht im Mittelpunkt. Das Tauziehen darum ist eindeutig nicht an die jüngere Generation gegangen. Generationengerechtigkeit kann nicht zur einseitigen Interessenvertretung einer Generation herangezogen werden.

Einen demagogisch herbeigerufenen "Generationenkrieg", der allein zur angeblichen Unausweichlichkeit einer pauschalen Rentenkürzung herbei geredet wird, lehnen wir ab.

Statt dessen muss der Begriff "Generationengerechtigkeit" für eine Debatte stehen, die eine Grundlage für ein zukünftiges System zur Alterssicherung mit dem alle Generationen leben können, sucht.

Wir bekennen uns dabei zum Generationenvertrag und zur Solidarität zwischen der alten und jungen Generation, sowie innerhalb der Generationen. Nur eine Rentenreform, die diese Solidarität stärkt und die Lasten nicht einseitig den ArbeitnehmerInnen und RentnerInnen aufbürdet, ist in der Lage, die notwendige Akzeptanz für ein soziales und gerechtes Rentensystem zu erhalten.

An Stelle einer ergebnisoffenen Diskussionen wird aber ein ideologisches Ziel vorgegeben. Die Beiträge sollen stabil bleiben. An dem Ziel der Betragsstabilität beißt sich die Bundesregierung fest, anstatt alle Veränderungen von Gesellschaft und Arbeitswelt in die Reform einzubeziehen. Dabei hat gerade die junge Generation ein Recht auf ein Rentensystem, dass die aktuellen Veränderungen und Umbrüche berücksichtigt. Das hätte etwas mit Gerechtigkeit zu tun und würde die Lebensrealitäten der jungen Generation anerkennen.

Jung sein im Umbruch der Gesellschaft

Jetzt jung zu sein, heißt sich in einem Umbruch der Gesellschaft zurecht finden zu müssen. Den klassischen Lebensweg gibt es nicht mehr. Junge Männer können nicht mehr darauf zählen ihr Leben lang Vollzeit zu arbeiten, anderseits verlangt auch niemand mehr von ihnen, dass sie der Alleinernährer einer Familie sind. Frauen hingegen haben sich erfreulicherweise von der Rolle als Hausfrau und im Einzelfall Nebenverdienerin weitgehend befreit und fordern ökonomische Unabhängigkeit. Diese ist erst die Grundlage für ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben. All diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf Einkommen und deren Verteilung. Der daraus folgende Prozeß der Reorganisation von Erwerbsarbeit und Reproduktionsarbeit hat gerade erst begonnen.

Andere Veränderungen haben dagegen schon an Kontur gewonnen. Besonders die Erosion der Erwerbsgesellschaft ist unübersehbar. Das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis hat seine absolute Vormachtstellung eingebüßt. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, (Schein-)selbständige Tätigkeiten, aber auch Erwerbslosigkeit haben in einem beträchtlichen Umfang zugenommen. Vier Millionen registrierte Erwerbslose und eine noch größerer Bedarf an Arbeitsplätzen ist mehr als ein konjunkturelles Problem. Die Leistungsfähigkeit unser Volkswirtschaft ist durch diesen Umbruch nicht gefährdet, eher im Gegenteil. Allein der Finanzierung unseres Sozialsysteme wird der Boden unter den Füßen weggezogen, da sie von den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen abhängig ist.

Die Veränderung der demographischen Zusammensetzung unserer Gesellschaft setzt sich fort. Während 1965 noch 7,4 BeitragzahlerInnen auf einen Rentner kamen, waren es 1990 nur noch 4,1 und heute sind es noch 2,4. Das Älterwerden unserer Gesellschaft ist ein langer und kontinuierlicher Prozeß, der weder plötzlich kam, noch ein neues Phänomen ist. Auf der anderen Seite produzieren immer weniger Menschen immer mehr. So ist es auch theoretisch möglich, eine größere Anzahl von Nichterwerbstätigen zu versorgen. Es geht bei der Rentendiskussion in erster Linie um eine Debatte um Verteilung.

Das Interesse der jungen Generation an ein zukünftiges Rentensystem ist vor allem, dass es diese veränderte gesellschaftliche Entwicklung zur Kenntnis nimmt.

Aufpoliert statt reformiert

Der Reformbedarf ist klar erkennbar. Veränderte Erwerbsbiographien, andere Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern, hohe Arbeitslosigkeit, ein hoher Produktivitätsstandard und eine sich verschiebende Altersstruktur unserer Gesellschaft machen eine Reform der Alterssicherung dringend notwendig. Eine Reform muss deshalb daran gemessen werden, ob sie den Veränderungen in der Gesellschaft Rechnung trägt.

Bei dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf drängt sich der Verdacht auf, als seien die demographischen Veränderungen als einzige Entwicklung wahrgenommen worden. Der vorgeschlagene Reformkatalog reduziert das Problem auf ein reines Finanzierungsproblem. Deshalb ist die ganze Reform von den Kosten aus gedacht. Die Frage nach den notwendigen Leistungen eines Rentensystems tritt in den Hintergrund. Doch bei aller Kritik lässt sich sagen, dass in vielen Detailfragen deutliche Verbesserungen erreicht worden waren. Dieses betrifft besonders Punkte, die uns Bündnisgrünen wichtig sind, wie eine verbesserte Absicherung von Frauen und die Bekämpfung der sogenannten verschämten Altersarmut.

Dogma Beitragsstabilität

Das große Ziel der Rentenreform ist die Beitragsstabilität. Schon von Anfang der Legislaturperiode waren niedrigere oder zumindest stabile Lohnnebenkosten ein beherrschendes Thema. Aus dieser Aussage leitet sich auch das Hauptziel der Rentenreform her. Die Beiträge sollen stabil bleiben. Das ist wichtiger, als Mindeststandards bei den Leistungen der Rente zu definieren und diese auch politisch zu verteidigen. Stabilität der Rentenbeträge wird mit 20% bis 2020 bzw. 22% bis 2030 definiert. Diese Zahlen sind willkürlich gesetzt worden. Eine inhaltliche Begründung warum die Grenze der Belastbarkeit nicht bei 18% oder bei 24% liegt, gibt es nicht. Statt dessen sind diese Zahlen zu einem Dogma hochstilisiert worden, ohne sie in einen Gesamtzusammenhang der Belastung von ArbeitnehmerInnen und Unternehmen zu stellen.

Die stabilen Beiträge sollen, so die Argumentation, die Belastung des arbeitenden Teils der Bevölkerung in Grenzen halten. Die Lohnnebenkosten werden als Symbol für die Belastung von Unternehmen und ArbeitnehmerInnen betrachtet. Allerdings werden die ArbeitnehmerInnen, soweit sie nicht eine Rumpfrente erhalten wollen, zusätzlich durch ihre private Zusatzversorgung belastet. Diese wird ab dem Jahre 2008 eine Höhe von 4% erreichen. An realer Beitragsbelastung heißt das dann für dieses Jahr einen Beitragssatz von 10 % für die Arbeitgeber und eine Belastung von 14 % für die Arbeitnehmer. Bis zum Jahre 2030 erhöht sich dieses Verhältnis dann noch auf 11 % zu 15 %. Damit liegen die realen Beiträge zur Rentenversicherung bei 24 % bzw. 26 %. Damit werden einseitig die durch die Steuerreform bereits erheblich entlasteten Arbeitgeber aus der Finanzierung für den zusätzlichen Bedarf für die Altersversorgung entlassen. Eine Grenze der Belastbarkeit für die ArbeitnehmerInnen gibt es hingegen nicht.

Absenkung des Rentenniveaus

Eine Deckelung der Einnahmen der Rentenversicherung ist nicht ohne Einschnitte bei den Ausgaben zu machen. Dieses soll vor allem durch eine Absenkung des Rentenniveaus auf 64 % realisiert werden. Die Senkung des Rentenniveaus soll durch einen Ausgleichsfaktor erreicht werden. Dieser Faktor ist das Instrument mit dem die Bundesregierung die Absenkung vollziehen will. Ab dem Jahre 2011 wird für jeden Rentnerzugangsjahrgang das Rentenniveau, um 0,3 % gesenkt, so dass im Jahre 2030 das gewünschte Niveau erreicht wird. Damit nimmt die Bundesregierung Abschied von dem Prinzip der Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung.

Über den ganzen Zahlenspielereien darf allerdings nicht vergessen, dass das Rentenniveau von 64 % nur von dem sogenannten Eckrentner erreicht wird. Also einer zumeist männlichen Person, die 45 Jahre lang voll gearbeitet hat. Damit ist eine Erwerbsbiographie Grundlage der Rentenberechnung, die heute schon die Ausnahme darstellt. Bei einer solchen Erwerbsbiographie denken die meisten jungen Menschen an ihre Eltern und ihre Großväter, aber nicht an ihre eigene Zukunft. Das Konzept gibt bisher keine Antwort auf die Frage, was mit den Menschen geschieht , die nicht eine solche Erwerbsbiographie vorweisen können.

Die zusätzliche private Altersvorsorge - Abschied vom Solidarsystem ?

Die Bundesregierung sieht ein, dass ein Rentenniveau nicht problemlos abgesenkt werden kann. Deshalb sollen niedrigere Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine individuelle private Vorsorge kompensiert werden. Durch die empfohlene Eigenvorsorge von 4% soll ein Rentenniveau von über 70% erreicht werden. Unterstellt wird dafür eine Rendite von 4% p.a.. Bestimmte Anlageformen sollen dabei staatlich gefördert werden. Die private Vorsorge, die bisher allein eine zusätzliche Absicherung war, soll damit zu einem festen Bestandteil der Alterssicherung ausgebaut werden. Unverständlich bleibt dabei, warum diese Zusatzversicherung freiwillig ist, wenn sie ein notwendiger Beitrag zur Alterssicherung ist.

Die private Vorsorge stellt den Einstieg in eine kapitalgedeckte Altersvorsorge und zusätzlich den Abschied vom durch Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen zu gleichen Anteilen finanzierten Solidarsystem dar.

Es besteht die Hoffnung, dadurch die Risiken demographischer Veränderungen zu reduzieren. Ob diese Rechnung allerdings aufgeht ist mehr als zweifelhaft. Ein höherer kapitalgedeckter Teil der Altersversorgung löst nicht das Problem, dass der Bedarf der Rentnerinnen und Rentner auch zu diesem Zeitpunkt produziert werden muss. Dabei ist es egal, ob das Geld aus dem Umlageverfahren kommt oder durch die Auflösung von Vermögensbeständen. Die Hoffnung, dass eine stärkeren Kapitaldeckung immun ist gegen Veränderung der Altersstruktur, entbehrt deshalb einer Grundlage. Das größte Interesse an der privaten Eigenvorsorge haben die Versicherer und Kapitalanlagegesellschaften. Sie erhalten dadurch Milliarden mit denen sie ihre ohnehin schon starken Machtpositionen weiter ausbauen können. Trotzdem stellt sich die Frage, wo plötzlich soviel Kapital angelegt wird. Aber das größere Problem wird dann auftreten, wenn mehr Leute ihre Rücklagen zur Altersversorgung auflösen, als andere Geld anlegen. Gerade ein Blick auf Japan zeigt deutlich wie schnell eine Spekulationsblase platzen kann. Durch ein solches Ereignis wären die RentnerInnen in kürzester Zeit um ihre Rente gebracht.

Darüber hinaus gibt es individuelle Risiken wegen der Intransparenz des Versicherungsmarktes. Hier müssen zum Schutz der VerbraucherInnen noch wirksame Mechanismen entwickelt werden. Zu prüfen ist die Einführung einer Positivliste oder wenigstens einer Zertifizierung der förderungswürdigen Anlageformen durch eine unabhängige Stelle. Ohne einen wirksamen Verbraucherschutz, werden wohl viele um ihre Zusatzrente gebracht werden.

Alterssicherung von Frauen - "Einen Ehemann weit von der Armut entfernt ?"

Die Alterssicherung der Frauen ist in Deutschland in der Regel immer noch eine von ihrem Ehemann abgeleitete Forderung.

Mit der Witwenrente hat die Ehefrau zu Lebzeiten ihres Gatten keine eigenen Ansprüche. Der Reformansatz der Bundesregierung in diesem Bereich greift zwar sehr kurz, ist aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das Optionsmodell, welches Ehepaaren die Wahl läßt, ob sie an der bisherigen Regel festhalten, oder ob sie schon zu Lebzeiten ihre Rentenansprüche aus den gemeinsamen Jahren splitten, stellt einen Ausstieg aus der Abhängigkeit der Frauen. Allerdings wird es Zeit sich von dem Bild der Versorger-Ehe zu trennen. Eine Subventionierung der Ehe ist weder im Steuer- noch im Rentenrecht für uns plausibel.

Eine weitere positive Änderung ist eine verstärkte Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Es bleibt zu hoffen, dass damit den Männer ein Argument genommen wird, sich der Kindererziehung zu entziehen.

Mit der Einführung der kapitalgedeckten privaten Zusatzversicherung kommen jedoch neue Ungerechtigkeiten auf die Frauen zu. Wegen ihrer höheren Lebenserwartung steigen die Beitragssätze zur privaten Altersvorsorge. Hier bedarf es einer gesetzlichen Regelung, wie bereits in Schweden geschehen ist, um Unisex-Tarife zu garantieren. Das "Risiko" eines längeren Lebens darf nicht von Frauen allein getragen werden.

Sozialhilfe für alte Menschen - Entmündigung im Alter vermeiden

Das vorrangigste Ziel eines Systems zur Alterssicherung ist es Altersarmut zu verhindern. Diesem Ziel kommt die Bundesregierung mit der Reform einen Schritt näher. Mit der Reform müssen alte Menschen nicht mehr befürchten, falls sie Sozialhilfe beantragen, dass sich das Sozialamt das Geld von ihren Kindern wieder holt. Mit der Abschaffung dieses Rückgriffsrechtes auf die unterhaltspflichtigen Kinder ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die verschämte Altersarmut getan. Ebenso ist es längst überfällig, dass die gesamte Sozialhilfe pauschaliert ausgezahlt wird. Alles andere würde eine Entmündigung darstellen.

Die Zusammenarbeit vom Sozialamt und dem Rentenversicherungsträgern sollte dahingehend verbessert werden, dass die RentnerInnen automatisch auf ihre eventuellen Ansprüche aus der Sozialhilfe hingewiesen werden.

Es ist Zeit zum Handeln

Festzustellen bleibt: Die Reformbemühung der Bundesregierung gehen an den wirklichen Problemen des Rentensystems vorbei. Weder die veränderten Erwerbsbiographien, noch die wachsende Zahl von nicht in die gesetzliche Sozialversicherung einbezogenen Beschäftigungsverhältnissen, noch die veränderte Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern finden sich in der Reform wieder. Statt dessen wird mit platter Generationengerechtigkeitsrethorik über den wirklichen Reformbedarf hinweg getäuscht. Ein inszenierter Krieg der Generationen wirbelt genug Staub auf, unter dem sich die Verantwortlichen verstecken können.

Rot-Grün hat dabei immer noch die Chance endlich eine umfassende Reform durchzuführen. Dabei müsste neu über die Frage nachgedacht werden, wie in Zukunft die Renten bemessen werden. Der Eckrentner hat dabei seinen Ruhestand verdient. Ergänzt werden müssen neue Konzepte vor allem durch eine umfangreichere Absicherung gegen Armut im Alter.

Ebenso muss die Frage nach der grundsätzlichen Finanzierung der Renten neu aufgeworfen werden. Die vorgelegte Rentenreform ist nicht alternativlos.

Im Bundestagswahlprogramm haben vor allem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dazu umfassende Vorschläge gemacht.

Abschied vom männlichen Vollzeitarbeiter - Reform der Rentenbemessung

Eine 45-jährige Vollzeittätigkeit als Maßstab für die Bemessung der Rentenansprüche ist etwas für das Geschichtsbuch und nicht zur Anwendung in der Praxis. Menschen, die eine solche Erwerbsbiographie nicht vorweisen können, sind längst keine Ausnahme mehr. Trotzdem ist das immer noch die Voraussetzung, um eine Rente in voller Höhe (also im Jahre 2030 von 64% des Nettoeinkommens) zu erhalten. Dieses Modell, dass auf den männlichen Familienernährer abgestimmt ist, muss ersetzt werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten in ihrem Wahlprogramm vorgeschlagen, dass zur Bemessung der Renten nur noch die besten Jahre herangezogen würden. Dieses hätte zur Folge, das Unregelmäßigkeiten in den Erwerbsbiographien keine fatale Wirkung mehr für die Rente hätte. Phasen von Teilzeitarbeit, Weiterbildung, Kindererziehung oder vieles mehr würden ein viel geringeres Problem darstellen. Auch die komplizierte Frage, welche Rentenausfälle nun von staatlicher Seite subventioniert werden, sollte entfallen. Es wäre einfach normal nicht 40 Jahre 40 Stunden die Woche zu arbeiten. Von einer solchen Änderung profitieren vor allem die Frauen, die schon heute häufig von den gebrochenen Erwerbsbiographien betroffen sind.

Ergänzend dazu sollte eine Grundsicherung im Alter eingeführt werden, die allen RentnerInnen, die nicht auf anderem Weg einen "soziokulturellen Mindestbedarf" erhalten, diesen zur Verfügung stellt. Dabei ist für uns der "soziokulturelle Mindestbedarf" deutlich höher als die heutige Sozialhilfe.

Neue Finanzierungsanteile bei der Rente

Der wirkliche Reformbedarf des Rentensystem liegt in der Finanzierung. Entscheidend für das Beitragsaufkommen ist nicht die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter, sondern die Zahl derjenigen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Deshalb ist eine gute Arbeitsmarktpolitik für die Finanzierung der Renten ein erster Schritt zu einer sichereren Rente.

Für eine langfristige Stabilisierung der Finanzierungsgrundlage sind allerdings weitergehende Reformen notwendig. Solange die Finanzierung der Renten ausschließlich an die Einkommen aus sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gekoppelt ist, wird ein Reformgesetz dem nächsten folgen, ohne dass eine Lösung gefunden wird. Deshalb brauchen wir eine radikale Neuorientierung bei der Finanzierung.

Aus der historischen Entwicklung heraus hat es Sinn gemacht, die Sozialversicherungen durch die Einkommen aus abhängiger, sozialversicherungspflichtiger Arbeit zu finanzieren. Aber spätestens seit sich abzeichnet, dass diese Art der Einkommenserzielung an Bedeutung verliert, darf auch die Finanzierung der Sozialsysteme nicht mehr auf diese Einkommensart beschränkt bleiben. Es wird deshalb Zeit, dass der Versichertenkreis erheblich ausgeweitet wird. Der einfachste Weg dazu ist eine wirkungsvolle Arbeitsmarktpolitik. Darüber hinaus ist es aber auch unverzichtbar andere Arten von Einkommen, wie Kapitalerträge und Einkommen aus selbständiger Arbeit, ebenfalls mit heran zu ziehen. Eine allgemeine Reform könnte dann auch noch dazu benutzt werden den Extraweg der Beamten zu beenden und auch diese mit in das Rentensystem einzugliedern. Mit diesen Schritten würde das Sozialversicherungssystem zu einer Versicherung für alle weiterentwickelt. Dies würde ebenfalls zu einer erhöhten Akzeptanz und Transparenz im Versicherungssystem führen.

Im grünen Bundestagswahlprogramm hieß es dazu : "Wir wollen die Altersabsicherung für alle durch erhöhte Zuschüsse aus Steuermitteln und durch Umschichtungen innerhalb des Systems finanzieren. Konkret bedeutet dies, daß hohe Renten im Verhältnis schrittweise sinken müssen, um die Entlastung niedriger Renten finanzieren zu können."

Ein zweites, ergänzendes Modell zur Finanzierung der Renten, wäre eine Orientierung an der Wertschöpfung in den Unternehmen und damit eine Endkoppelung vom Faktor Arbeit. Die Ökosteuer ist da ein Schritt in die richtige Richtung. Durch sie wird ein Teil des Aufkommens nicht mehr durch den Faktor Arbeit erzielt, sondern ergibt sich aus dem Energieverbrauch. Eine konsequente Weiterentwicklung dieses Instrumentes wäre eine Wertschöpfungsabgabe. Mit deren Hilfe wäre die Höhe der Abgaben abhängig von der Produktion des einzelnen Unternehmen. Außerdem ergibt sich noch ein gewünschter positiver arbeitsmarktpolitischer Lenkungseffekt. So würden beschäftigungsintensive (z.B. Klein- und Handwerksbetriebe) Betriebe entlastet, kapitalintensive Betriebe aber stärker in das System der sozialen Verantwortung einbezogen. Auch wenn in Zukunft die Zahl der Arbeitsplätze rückläufig wäre, aber die Produktion weiter steigt, blieben die Renten sicher.

Fazit

Die Rentenreform der Bundesregierung ist aus Sicht junger Grüner mangelhaft und nachbesserungsbedürftig. Von der Mehrzahl der Probleme, die den Reformbedarf des Rentensystems ausmachen, findet allein die demographische Entwicklung Eingang in die Reform. Statt einer langfristigen Perspektive für die Alterssicherung, versteift sich die Bundesregierung auf kurzfristige Ziele wie Beitragsstabilität. Insgesamt eine Politik, die vor allen in einem berechenbar ist : Die nächste Rentenreform kommt bestimmt.

Deshalb fordern wir als junge Grüne eine echte Reform. Die Bemessung der Rentenhöhe muss sich endlich von dem Eckrentner verabschieden und so den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen. Bei der Finanzierung der Renten müssen alle Einkommen mit einbezogen werden. Nur mit einer solchen Erweiterung des Versicherungskreises steht die Rentenversicherung auf einer breit genügenden Basis. Ergänzend soll die Alterssicherung durch Geld aus erwerbsarbeitsunabhänigen Quellen, wie sie u.a. eine Wertschöpfungsabgabe darstellen würde, finanziert werden.

In den anstehenden Konsensgesprächen über die Rentenreform besteht die Chance diese für eine Zustimmung wichtigen Punkte noch in das Rentenpaket hineinzuverhandeln. Dazu fordern wir die Bundesregierung ausdrücklich auf.

Wir fühlen uns dabei mit unseren Vorschlägen nicht nur einer breiten Mehrheit innerhalb der Grünen Jugend, sondern auch mit vielen anderen Jugendlichen und Jugendorganisationen verbunden.

Für uns als junge Grüne bleibt es dabei: Die Politik ist der Jugend eine Rentenreform schuldig, die auf die veränderten gesellschaftlichen Realitäten sozial und innovativ reagiert. Dann kann sie das Wort "Jugend" und die "Interessen der zukünftigen Generationen" auch wieder beruhigt in ihre Sonntagsreden aufnehmen.

10.11.00

AutorInnen : Ramona Pop (24, Sprecherin Grüne Jugend - Bundesverband), Jan Fries (20, Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bremen), Christian Meyer (25, Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Niedersachsen)

UnterstützerInnen : Werner Graf (19, Sprecher Grüne Jugend - Bundesverband), Marco Eilers (24, Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Thüringen), Renee Wendt (19, Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sachsen-Anhalt), Ines Eichmüller (20, Vorsitzende Kreisverband Nürnberg-Stadt), Swaantje Fock (26, Sprecherin Kreisverband Osnabrück-Stadt), Thomas Wardemann (Sprecher der LAG Soziales Brandenburg), Konstantin Knorr (19, Landesvorstand Grüne Jugend Niedersachsen) u.v.a..

Ansprechpartner :

Telefon & Fax (Christian Meyer) : 05531-6912

Handy : 0171-95 65 877

email : Christian.Meyer.GAJB@t-online.de

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