BasisGrün - Grüne Linke in Bayern

Uffenheim, 26.01.00


Pressemitteilung

Die aktuelle Krise sollte Anlass sein, über Parteistrukturen nachzudenken. Auch die Grünen sind nicht vor Korruption und Machtmissbrauch gefeit. Alte Prinzipien wie die Rotation, die Trennung von Amt und Mandat und die Beibehaltung der Frauenquote sind Mittel, den Marsch in die Korruption weitgehend auszuschließen. BasisGrün Bayern fordert vom Vorstand des bayerischen Landesverband ein Bekenntnis zur Trennung von Amt und Mandat, heute und auf dem Bundesparteitag der Grünen im März. Eine Abschaffung würde zu einem weiteren Glaubwürdigkeitsverlust der Grünen führen. Die Bestätigung dieses Prinzips im März wird die Position der Sprecherinnen stärken und vom virtuellen Vorsitzenden unabhängig machen. Eine innerparteiliche Diskussion wird unumgänglich sein.
Deshalb schrieb BasisGrün folgenden Brief an den Landesvorstand der Grünen:

 


Uwe Kekeritz Custenlohr 40 97215 Uffenheim

Landesvorstand
Bündnis 90/Die Grünen München
Christoph Str. 1
80538 München

Uffenheim, 25-01-00

Nach Kohl, Kanther und Koffer: Die Trennung von
Amt und Mandat sichern, Rotation wiederbeleben,
unabhängige Sprecherinnen stärken


Lieber Landesvorstand,

zunächst sprach man von einem System Kohl, dann vom System CDU, von Geldwäsche und Mafia. Eine Analyse des Skandals, die sich darauf beschränkt Schuldige zu benennen mag juristisch korrekt sein und parteitaktisch kurzfristig opportun, gesellschaftspolitisch ist sie zweifelhaft, da sie nur die Symptome erfasst, ihre Ursachen aber außer Acht lässt. Die Ursachen klar und deutlich zu benennen, traut sich zur Zeit offensichtlich keiner, weder bei der SPD noch bei CDU/CSU. Aber auch die Grünen schweigen, denn ein Offenlegen der Ursachen würde viele Argumente gegen die von Spitzenfunktionären der Grünen Partei geplanten Satzungsreform zu Tage bringen.

Eine der zentralen Ursachen der Korruption ist und bleibt die Machtkonzentration auf wenige Personen für lange Zeit. Die Grünen haben dies vor 20 Jahren als eines der wesentlichsten Ursachen für die Ineffizienz des Parteiensystems und seinem zwangsläufigen Weg in die Korruption richtig erfasst. Weil sie damals noch wussten, dass sie nicht die besseren Menschen sind, haben sie in die Struktur der Partei Mechanismen eingebaut, die die Gefahr an der Wurzel packen und wesentlich verringern sollte.

Dass Macht korrumpiert, war keine grüne Offenbarung, sondern eine durch 4000 Jahre Menschheitsgeschichte bestens dokumentierte Tatsache. Wohl zum ersten Mal in der Geschichte einer Partei haben die Grünen der Gefahr der Korruption durch strukturelle Maßnahmen weitgehend den Boden entziehen wollen. Dazu gehörte die Rotation, die Trennung von Amt und Mandat aber auch die Frauenquote. Wer die zwangsläufig in jeder Partei entstehende Korruption und den Machtmissbrauch ausschließen und gleichzeitig die strukturellen Maßnahmen beseitigen will, muss von sich und den seinen als besserer Mensch überzeugt sein. Das werden wir aber doch nicht von uns behaupten? Es wäre vermutlich auch Unsinn.

Gerade der aktuelle politische Skandal zeigt uns, dass die grünen Ansätze vor 20 Jahren richtig waren, wenn sie auch angepasst werden mussten. Auf dem Parteitag im März werden die sogenannten Realisten diese Realitäten ignorieren und fordern, dass die Grünen erwachsen werden sollen. Ihr Idealbild ist die normale Partei. Vor dieser Normalität sollten wir allerdings Angst haben. Normal dürfen die Grünen nicht werden, weil wir alle wissen, was Normalität in der politischen Parteienlandschaft bedeutet: Korruption, Macht-versessen-heit, Ellenbogen-mentalität und Unfähigkeit. Normale Parteien balgen sich um eine imaginäre Mitte. Normale Parteien sind konturlos, ihre Programme beliebig und im wesentlichen auf das Ziel des Machterhalts ausgerichtet. Es dient unserer Glaubwürdigkeit und Zukunfts-fähigkeit, wenn wir uns von den anderen Parteien abheben.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der möglicht bald auf die Tagesordnung gesetzt werden muss, ist die Frage der Rotation, insbesondere für Mandatsträger. Merkwürdigerweise wissen heute alle, dass Helmut Kohl schon vor langer Zeit hätte gehen sollen, um Machtmissbrauch und die politische Starre nicht zu übertreiben. Jeder halbwegs informierte Mensch, kann eine Litanei von Politikern aufzählen, an der man für jeden Einzelnen die Sinnhaltigkeit der Rotation nachweisen könnte. Nur innerhalb der Grünen selbst soll diese Logik nicht angewendet werden. Die ursprüngliche Regelung der Rotation wurde als Misstrauens-paragraf interpretiert und mit viel Emotionalität und mit Ignoranz übergangen. Für einige Politiker der Spitzenklasse war sie ohnehin niemals von Belang. Aber dieses Thema sollte demnächst wieder auf der Agenda stehen.

Wir fordern Realisten, die die Realitäten anerkennen, konkrete Erfahrungen und geschichtliche Erkenntnisse nicht ignorieren. Deshalb fordern wir den bayerischen Landesvorstand auf, sich für die Trennung von Amt und Mandat jetzt und auf dem Parteitag im März einzusetzen. Diese Trennung ist das letzte Stück, das uns von der Parteien-normalität trennt.

Eine Entscheidung für die Aufhebung brächte einen weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit, er würde weitere Ineffizienzen in der Parteiführung produzieren. Eine gewählte Vorstandschaft, die vom virtuellen Vorsitzenden öffentlich als Mädels auf Abruf bezeichnet wird, kann nicht wirkungs-voll agieren. Eine Bestätigung der Trennung wird die Position der Parteisprecherin-nen stärken und effektiver werden lassen. Die Aufhebung würde außerdem einer weiteren alten und trotzdem absolut richtigen Erkenntnis spotten: Taten und Ziele sind niemals unabhängig von Methoden und Strukturen zu sehen, d.h. wir brauchen demokratische und keine autoritären Strukturen.

 

Mit freundlichen Grüßen
Conny Folger + Uwe Kekeritz