Heidi Meinzolt-Depner, Kreuzweg 6, 82131 Stockdorf, T/F 089 89979690,
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Vorstandssprecherin  KV Starnberg, Vorstand der Europäischen Föderation Grüner Parteien
 

Offener Brief an Margarethe Bause, Jerzy Montag

z.K. an Ruth Paulig (Fraktionsprecherin)


Liebe Margarethe, lieber Jerzy,

nun sind wir mit einem blauen Auge aus den Europawahlen herausgekommen und was macht ihr, deren Aufgabe es wäre, den Gesamtzusammenhalt der Grünen nach außen zu vertreten und nach innen zu stärken: ihr bezeichnet Eure Kritiker - bzw. die
Kritiker der Natobombardierung - als schädlich für die (Zukunft der) Partei und weist ihnen die Tür, die diese z.T selbst aufgestoßen haben, weil Ihnen die grüne Luft zu stickig wurde.

Laßt mich einmal die These aufstellen, daß gerade auf Grund der KriegsgegnerInnen in der Partei und den von Ihnen mitgestalteten Diskussionsforen - die sich übrigens aufs Grüne Programm stützen und aus tiefster Überzeugung und politisch begründet, gegen den Einsatz militärischer Gewalt sind -  der befürchtete Absturz bei der Europawahl verhindert wurde.

Ich habe bei zahlreichen Veranstaltungen, die ich in den letzten Wochen mit Kreisverbänden, Europaunion, Friedensinitiativen im Rahmen des Europawahlkampfes für die Grünen gemacht habe, deutlich und wachsende Zustimmung zu der von mir vertretenen Antikriegsposition bekommen - und lasse mir weder vom Landesvorstand noch ihm politisch nahestehenden Kreisen das Fehlen politischer Reife  andichten noch Realismus oder Pragmatismus  absprechen. Ihr habt das wiederholt getan, am Landesausschuß und jetzt in der jüngsten Presseveröffentlichung.

Wie ihr das witzige symbolische Asylgesuch einiger bayrischer Kriegsgegnerinnen ohne Not auf die Ebene diplomatischer Verwicklungen gehievt habt, mit der Angst vor Einmischung in interne Angelegenheiten bezeichnet habt, hat mir schon fast
Spaß gemacht, denn die Absicht, Brücken zu bauen (wohlgemerkt grünintern, aber grenzüberschreitend - ein ureignes europäisches Thema!) hat für mich nach wie vor etwas. Wer politisches Erwachsensein von Anderen einfordert und diese
Initiative geifernd als Kinderei abtut, dem fehlt die nötige Coolness und diese Bösartigkeit strahlt ihr leider zunehmend aus. Wem macht es noch Spaß bei den Grünen, wenn alles so verbissen gesehen wird und ohne Spaß geht zumindest
ehrenamtlich nicht so viel.

Genauso bin ich der Meinung, daß man die Rufe "Kriegstreiber" in aller gebotenen Bescheidenheit - schließlich haben Grüne dem Waffengang erstmalig (völkerrechtswidrig und programmwidrig) zugestimmt - debattiert und Für und Wieder abwägt und nicht als Belehrende der ewigen Hüter der Menschenrechte auftritt ( wie dies u.a. Heide Rühle in München und viele Andere getan haben).
Wer dann noch aus einer Debatte - wie im Hofbräuhaus geschehen, die Gegner aus dem Saal verweisen will, läßt die Toleranz vermissen, die wir für uns immer einfordern.

Die Opposition im Kopf und im politischen Programm gegen den gesellschaftlichen mainstream ist ein konstituierendes Element grüner Politik für mich - auch und gerade bei Regierungsbeteiligung. Natürlich sind wir nicht nur Protestpartei, sondern wollen "gestalten", warum sonst machen wir vor Ort und überregional in Räten, Parlamenten und Gremien Politik. Aber wir wollen und müssen uns noch deutlich unterscheiden von den anderen Parteien. Sollte Euch das nicht mehr wichtig genug sein, dann fürchte ich verspielt ihr mit unsere Legitimation im politischen Spektrum.

 Wer war denn, öffentlich zugestanden, "alternativlos" zum Bomben? Doch nicht diejenigen, die die Kontakte zu serbischer Opposition, zum Veronaforum, zu Frauen-und Friedensinitiativen im Balkan hatten und Latten von zivilen Konfliktlösungen propagierten und auch nicht diejenigen, die den sofortigen Stop der Bombardierung spätestens angesichts der ökologischen und sozialen Desaster und der Zuspitzung der Vertreibung forderten - um noch Schlimmeres zu verhindern und Druck auf internationale Präsenz und Verhandlung zu erreichen. Keiner von uns kann für sich in Anspruch nehmen eine "Lösung" für die katastrohalen Menschenrechtsverletzungen durch Milosevic und seine Schergen zu haben-   außer daß wir/die Zivilgesellschaft mit allen Kräften dazu beitragen seine Gegner und damit demokratische Entwicklungen zu stärken und die Lebensbedingungen in der Region zu verbessern; beides ist in meinen Augen durch den Krieg nicht geschehen.

Ich will die diplomatischen Initiativen und das persönliche Engagement auf dem Weltparkett von Joschka Fischer nicht klein reden. Er hat mit schwerer Hypothek etwas erreicht. Trotzdem habe ich das diplomatische Doppelspiel (unter amerikanischer Ägide) für falsch und unverantwortlich gehalten: die Parallelstrategie von Luftangriffen und Diplomatie. Das hat Reden vom "Gerechten Krieg" bzw. vom Sieg der Gerechten Sache wieder hoffähig gemacht, die der Vergangenheit angehören müssen. Die Folgen in den Köpfen und für den Ausbau der Militärbudgets sind noch nicht überschaubar, aber tragischer Weise an Scharpings Gesicht und Reden bereits ablesbar.

Wer die Vielfalt in Europa erhalten, Haß und Nationalismen abbauen will, der ist, glaube ich, gut beraten, wenn er alle persönliche wie politische Energie auf zivile Lösungen, auf Vermittlung, Versöhnung und Verhandlung konzentriert und die Reduzierung der Militärapparate vertritt.  Dies muß einer unserer gemeinsamen Schwerpunkte in den nächsten Wochen sein.
Durch Ausgrenzen und stromlinienförmiges Zuschleifen der Partei werdet ihr das nicht erreichen.

Landesversammlung Lindau

Nun noch ein Wort zur anstehenden Landesversammlung in Lindau: Ich bin Delgierte und habe eine Verantwortung als Kreisvorstandssprecherin im KV Starnberg. Den mageren Unterlagen entnehme ich, daß Strukturveränderungen mit Satzungsrelevanz zentral auf der TO stehen. Die Antragsfrist ist am 14.6. abgelaufen und mir liegen weder ein Antrag des LAVO/ bzw. der Kommission, noch daraus folgende Satzungsänderungsanträge vor . Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Landessatzung § 25, Art.10 (letzter Satz), bzw. §15, Abs.3 !

Ich frage Euch:

  1. Wie kann ich mir selbst die nötigen Informationen beschaffen ?
  2. Wie kann ich eine Diskussion im KV organisieren, wenn u.a. nicht einmal mehr Anträge zulässig sind?
  3. Was für eine Absicht  steckt hinter dieser Handlungsweise ?
  4. Ist das das von oben organisierte Ende der Basisdemokratie? Wo soll die Partei hin?
  5. Wie wollt ihr politisch in der Öffentlichkeit damit umgehen, daß ihr zum wiederholten Mal Strukturveränderungen auf die TO auf-und absetzt? Ich gehe davon aus, daß sie wieder abgesetzt werden muß!
  6. Wie rechtfertigt ihr, daß wir angesichts dringend notwendiger politischer Diskussionen, Interna wieder zu einem Schwerpunkt machen?
  7. Bereitet ihr durch die Debatte um Parteiausschlüsse das Terrain für die Strukturänderungen?
  8. Was versteht ihr denn unter Effektivierung der Parteiarbeit, wenn inhaltliche Diskussionen Sprengstoff sind?


Ich frage mich z.B. auch, warum Gunda Röstel in einer ersten Stellungnahme nach der Europawahl  nicht vorallem Europa thematisiert hat (und z.B. die guten Erfolge unserer Grünen Nachbarn im angrenzenden Ausland - für eine europäische
grüne Zusammenarbeit), sondern zum x-ten Mal grünes Licht für die Strukturveränderungen gegeben hat.

Wir sollten jetzt wirklich alles dafür tun, daß wir (europaweit) inhaltlich zusamenarbeiten, um unser eigenständiges Profil zu schärfen. Unter Effektivität verstehe ich vorallem, daß wir einen hohen Anspruch an Transparenz und Durchlässigkeit verwirklichen und hohe Partizipation auch im grünen Umfeld erreichen. Ich weiß was es bedeutet, verdammt schlecht angebunden zu sein bei den deutschen Grünen - bei hoher Verantwortung im Bereich der Europäischen Grünen.
Dazu braucht es eine Portion Guten Willen, das Verteilen der Gewichte auf vielen Schultern und das Zusammenführen von Anregungen. Professionalität läuft nicht über den Geldbeutel - gut bezahlte Posten und hierarchische Funktionsverteilung.

Fazit deshalb für mich und auch als Anregung: Wir Grünen müssen viele dichte Netze zu weben und müssen Spontaneität und Begeisterungsfähigkeit fördern, keine Politikverwaltun und kein Zementieren von Dauerabbos auf Posten. Auch unsere
Artisten in der Zirkuskuppel brauchen langfristig diese Netze.

Und auch das ist verantwortliches Sicherheitsdenken.

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