Offene Antwort an Heidi Meinzolt-Depner

- nachdem der Brief an uns über "Basis-Grün" im Internet verbreitet wird, haben wir uns entschlossen, unsere Antwort auch öffentlich zugänglich zu machen -

17.6.99

Liebe Heidi,


vielen Dank für Dein Schreiben vom 17.7.99. Hierzu gilt es einiges richtigzustellen. Vorneweg aber mein Erstaunen über Dein Vorgehen. Keine persönliche Rückfrage, kein Telefonanruf, kein Treffen auf ein Kaffee oder ein Besuch in der LGS. Dafür aber ein "offener Brief", was wohl bedeutet, daß wir Deine Überlegungen in der Presse wiederfinden werden. Ich antworte Dir jedenfalls nicht "offen", sondern persönlich und stehe auch zu einem Gespräch jederzeit zur Verfügung.

Nun zu den einzelnen Punkten.

1. Die LDK in Erlangen - also die Basis - hat eine Strukturkommission eingesetzt und ihr einen Arbeitsauftrag erteilt. Er ist Dir bekannt. Ich persönlich habe mich dafür eingesetzt, der Diskussion etwas mehr Zeit zu lassen und auf einer neuen LDK im Herbst 1999 zu entscheiden. Die "Parteibasis" ist dem nicht gefolgt. Nach der Entscheidung der LDK wurde der Landesvorstand und die Strukturkommission verpflichtet, bis zum "Frühjahr 1999" fertig zu werden und eine Struktur-LDK einzuberufen. Bereits im März haben wir die umfangreichen Zwischenergebnisse der Kommission an alle KV`s geschickt und um ein feed-back gebeten. Der Rücklauf war sehr spärlich, an eine Stellungnahme des KV Starnberg kann ich mich nicht erinnern.
Die Strukturkommisssion hat am Freitag, den 11.6.99 letztmalig getagt, parallel dazu auch der LaVo. Aus beiden Gremien sind dabei unter Berücksichtigung der bis dahin eingelaufenen Stellungnahmen Vorschläge bzw. Anträge entstanden.
Die Antragsfrist, die allen bekannt ist und auf die die LGS selbstverständlich schon vor längerer Zeit hingewiesen hat, hat am 14.6.99 geendet. Seit dem 15.6.99 stehen alle Anträge im Internet auf der Web-Seite des Landesverbands. Gemäß der Satzung hat die LGS unmittelbar nach Schluß der Antragsfrist die vorliegenden Anträge an die KV`s verschickt. Dieses Vorgehen haben nicht wir erfunden, es wird satzungsgemäß seit vielen Jahren von der LGS so praktiziert und gerade Du als frühere Landesvorsitzende und langjährige Aktive kennst dies.
Zu Deinen einzelnen Fragen:
n Du kannst Dir alle Informationen direkt bei mir, übers Internet, und über die LGS beschaffen und wirst sie in den nächsten Tagen postalisch erhalten. Satzungsanträge sind aus gutem Grund an Fristen gebunden. Auch der KV Starnberg, dem der Auftrag an die Strukturkommission bekannt ist und dem das Zwischenergebnis vom März 99 vorlag, hätte zur Struktur der Partei satzungsrelevante Anträge stellen können. Im übrigen können Änderungs- und Gegenanträge zu den vorliegenden fristgerecht eingebachten Anträgen jederzeit gestellt werden. Deshalb ist auch der KV Starnberg nicht gehindert, seine Position noch einzubringen, wenn diese von den bereits gestellten Anträgen abweicht.
n Wir gehen nicht davon aus, daß die Strukturdebatte auf der LaVe in Lindau von der TO abgesetzt wird. Sie ist gut vorbereitet worden, die Strukturkommission hat ausgezeichnete Arbeit geleistet und wichtige Vorschläge gemacht, die der LaVo neben einigen eigenen Überlegungen fast vollständig in seinen Antrag zur Änderung der Satzung übernommen hat. Die Strukturdebatte und strukturelle Neuerungen sind notwendig und wurden von der Basis ( LaVe Erlangen ) gewünscht. Es ist ebenfalls wünschenswert, diese Entscheidungen von Personalfragen zu trennen und deshalb nicht auf das Ende der Amtszeit des jetzigen LaVo zu verschieben und zeitlich mit den Neuwahlen zu verbinden.
n Die LaVe hat mehrere inhaltlich politische Schwerpunkte. Zum einen die politischen Reden des LaVo ( diesmal Margarete) und BuVo(Antje Radcke), dann die Abendveranstaltung mit dem Thema: Grüne in der Regierung - Aufbruch zu neuen Ufern oder Verlust der Identität? und schließlich als Landesthema die Bildungspolitik. Bei allen Punkten können die Delegierten ( die Basis) mitdiskutieren und mitentscheiden. Mit der Strukturdebatte und den Anträgen zur Satzung erfüllen wir den uns erteilten Auftrag. Es ist also nicht richtig, daß wir "Internas" zum Schwerpunkt der Debatte auf der LaVe machen würden.
n Wir führen keine Debatte über Parteiausschlüsse. Diese ist uns nur gerüchteweise ( ich selbst habe hierzu nichts schriftliches vorliegen ) aus Erlangen bekannt, von wo angeblich Anträge auf Parteiauschluß gegen den Bundesvorstand und unsere BundesministerInnen gestellt worden sein sollen. Dies habe ich - wenn es zutrifft - als unpolitisch und eine Kinderei bezeichnet. Ich denke wenigstens in diesem Punkt wirst Du mir zustimmen.

2.Wir haben die KritikerInnen der Natobombardierung niemals als schädlich für die Zukunft der Partei bezeichnet und haben ihnen nie die Türe gewiesen. Ganz im Gegenteil habe ich mich in allen öffentlichen Stellungnahmen darum bemüht, die PazifistInnen bei den Grünen zu halten und dazu aufgerufen, in der Partei für ihre Überzeugungen zu werben. Ich habe allerdings nie einen Hehl daraus gemacht, daß ich zwar für Gewaltfreiheit stehe aber kein Pazifist bin. Wir haben allerdings darauf hingewiesen, daß wir Aufrufe zur Zerstörung der Grünen, Aufrufe, die Grünen nicht zu wählen und Beschmipfungen als Kriegstreiber, Massenmörder, Verbrecher u.a.m. als parteischädigend ansehen. Diejenigen, die so agieren, sollten dies nicht mehr als Grüne, sondern - wenn sie es für richtig halten - von außen machen. Auch viele Leute von Basis-Grün" siehen dies wohl so, weshalb die Gründung eines Netzwerks in Dortmund nicht geklappt hat.

3..Ob "Asylgesuche" bayerischer KriegsgegnerInnen "witzig" sind, wie Du schreibst, ist eine Geschmacksfrage, über die sich bekanntlich wenig streiten läßt. Daß diese jedoch lediglich "symbolisch" gewesen wären und daß wir sie auf die Ebene "diplomatischer Verwicklungen" gehiewt hätten, entspricht nicht den Tatsachen. Tatsache ist, daß bei den österreichischen Grünen ein Rechtsanwaltsschriftsatz mit dem "Asylgesuch" eingegangen ist und daß die österreichischen Grünen sich an uns gwandt haben, um näheres über die "Asylbegehrenden" zu erfahren. Nachdem mit den "Asylgesuchen" fortwährend im Europawahlkampf öffentlich gegen die Grünen Stimmung gemacht wurde, sahen wir uns gezwungen, hierzu Stellung zu nehmen. Dies geschah weder verbissen noch bösartig, sondern möglichst sachlich und faktenbezogen.

4.Bei der Veranstaltung mit Heide Rühle in München warst Du als Moderatorin gefragt. Eine schwierige Aufgabe, bei der Du Heide hättest in Schutz nehmen können - gegen organisierte Schreihälse von DKP und PDS, die nicht diskutieren, sondern Heide niedermachen wollten. Hier mit unschuldigem Augenaufschlag eine Debatte mit aller "gebotenen Bescheidenheit" einzufordern, während die Gegenseite nur brüllt, krakeelt und pfeifft, war und ist einer Moderatorin nicht angemessen. Diejenigen, die debattieren wollten, sind reichlich und lautstark zu Wort gekommen. Aber diejenigen, die selbst erklärt haben, nicht diskutieren zu wollen und die Heide niederbrüllten und am Sprechen hindern wollten, wurden zurecht aufgefordert, ihr Mütchen woanders zu kühlen und zu gehen. Toleranz ist keine Einbahnstraße.

5. Du schreibst, wir sollten jetzt und in Zukunft inhaltlich zusammenarbeiten und Spontanität und Begeisterungsfähigkeit fördern. Laßt uns damit anfangen, auch miteinander, statt übereinander zu reden und nicht mehr solche Briefe schreiben wie Deinen und jetzt meinen. Als Aktive, Ehrenamtliche und "Professionalisierte" sind wir alle "Artisten unter der Zikuskuppel" und brauchen ein Netz der Solidarität.

Liebe und grüne Grüße
Jerzy Montag
Landesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen