"Pressemitteilung vom 15.6"
von einigen Münchner Grünen

nachdem die obengenannte Pressemitteilung jetzt im Internet verbreitet wird, sehen wir uns gezwungen, die ursprünglich persönlich gehaltene Antwort ebenfalls zu veröffentlichen


Herrn
Martin Ottensmann

Helene-Weber-Allee 8
80637 München

22.6.99

Lieber Martin,


am Montag nach der Europawahl haben Wolfgang, Margarete und ich eine Pressekonferenz zum Wahlausgang gemacht. Am Donnerstag lasen wir in der SZ von einer Kritik "Münchner Grüner" am Landesvorstand und jetzt erst halte ich die von Dir mitunterstützte "Pressemitteilung vom 15.6."in den Händen. Allein schon das Vorgehen macht mich wütend und traurig. Hast Du meine Telefonnummer verloren? Kennst Du meine e-mail-adresse nicht? Kein persöliches Wort, keine von Aug zu Aug vorgetragene Kritik, und dann diese Pressemitteilung, von der Maragete und ich nicht einmal eine Kopie "zur Kenntnisnahme" erhalten haben. Wir mußten sie uns hintenrum besorgen! Keiner von Euch war auf der Pressekonferenz und keiner fragt bei uns nach, was und wie wir uns geäußert haben.Und Du schreibst, daß Du "die politische Debattenkultur in der Partei wieder beleben willst". Wie denn, über die Zeitungen? Ohne direkte Rückfrage? Unter Mißachtung gewachsener Bekanntschaften? Ich weigere mich, mit Dir einen solchen Kommunikationsstil zu pflegen. Deshalb diese Zeilen.

1. Du formulierst, "der Landesvorstand" würde "eine radikale Umkrempelung der Parteistruktur planen", wir würden der "Parteibasis" die diesbezüglichen Anträge "vorenthalten" und die "Parteibasis auf den letzten Drücker überrumpeln". Dies ist in der Formulierung nicht nur gehässig, sondern auch in der Sache falsch.

Die LDK in Erlangen - also die Basis - hat eine Strukturkommission eingesetzt und ihr einen Arbeitsauftrag erteilt. Er ist Dir bekannt. Ich persönlich habe mich dafür eingesetzt, der Diskussion etwas mehr Zeit zu lassen und auf einer neuen LDK im Herbst 1999 zu entscheiden. Die "Parteibasis" ist dem nicht gefolgt. Nach der Entscheidung der LDK wurde der Landesvorstand und die Strukturkommission verpflichtet, bis zum "Frühjahr 1999" fertig zu werden und eine Struktur-LDK einzuberufen. Wir haben bereits im März die umfangreichen Zwischenergebnisse der Kommission an alle KV`s geschickt und um ein feed-back gebeten. Der Rücklauf war sehr spärlich, an eine Stellungnahme von Dir kann ich mich nicht erinnern.
Die Strukturkommisssion hat am Freitag, den 11.6.99 letztmalig getagt, parallel dazu auch der LaVo. Aus beiden Gremien sind dabei unter Berücksichtigung der bis dahin eingelaufenen Stellungnahmen Vorschläge bzw. Anträge entstanden.
Die Antragsfrist, die allen bekannt ist und auf die die LGS selbstverständlich schon vor längerer Zeit hingewiesen hat, hat am 14.6.99 geendet. Seit dem 15.6.99 stehen alle Anträge im Internet auf der Web-Seite des Landesverbands. Gemäß der Satzung hat die LGS unmittelbar nach Schluß der Antragsfrist die vorliegenden Anträge an die KV`s verschickt. Dieses Vorgehen haben nicht wir erfunden, es wird satzungsgemäß seit vielen Jahren von der LGS so praktiziert und gerade Du als langjähriger Aktiver kennst dies. Ferner hättest Du Dir alle Informationen jederzeit direkt bei mir, bei Margarete, den Mitgliedern der Strukturkommission oder der LGS holen können

Angesichts dieser Fakten sind die Vorwürfe "vorenthalten" und "überrumpeln" sachlich falsch, was schlimm genug ist, aber auch persönlich unter der Gürtellinie. Zum Begriff "Basis" und zu der Usurpierung dieses Begriffs für die jeweils eigene Position empfehle ich die erhellenden Ausführungen der Strukturkommission.

Auch Halbwahrheiten sind ganze Falschmeldungen. Der Landesvorstand plant nicht die "Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat" ( ich wußte gar nicht, daß Du so ein Fan dieses Zopfs bist), auch keine Verkleinerung des Landesvorstands und keine Umstrukturierung der inhaltlich arbeitenden Landesarbeitskreise.

Die Trennung von Amt und Mandat soll nur teilweise fallen, nicht für die Vorsitzenden. Der Landesvorstand soll in einen kleineren und einen größeren aufgeteilt werden. Die LAK`s sollen die Möglichkeit erhalten, sich - wenn sie dies wollen - auch in Fachbereichen zusammenzuschließen. Dies weißt Du alles, deshalb ist das Füttern der Presse mit Tartarenmeldungen soll ärgerlich.

2. Der neue Landesvorstand, insb. Margarete und ich , tragen seit unserer Wahl Ende November 1998 Verantwortung für und in der Partei. Übrigens nicht allein, wenn Deine Berufung auf die "Parteibasis" nicht eine reine Floksel sein soll. Was und wie in der Partei diskutiert wird, bestimmen nicht zwei oder sechs Leute. In "unsere Zeit" fiel die Regierungsbildung in Bonn, die Auseinandersetzung um das Staatsangehörigkeitsrecht und den Atomausstieg, der Europawahlkampf , die interne Strukturreformdiskussion und alles andere überlagernd der Kosovokrieg. Zu diesen Themen haben wir Diskussionen angeschoben, uns für die Partei geäußert und sind in KV`s und in der Öffentlichkeit aufgetreten. Die Aufzählung ist beileibe nicht vollständig (ich denke an die ökologische Steuerreform, die Gesundheitsreform und vieles andere mehr). Gewiß kann man immer noch mehr machen und immer auch noch etwas anderes. Und gewiß hätten andere als Margarete und ich es noch viel besser gemacht - nur andere waren nicht da. Und deshalb ist Deine Behauptung, "bei den bayerischen Grünen hätte es außer der Kosovo-Debatte seit langem keine intensive politische Debatte gegeben, wofür Margarete und ich verantwortlich wären", eine auch von Dir an die Öffentlichkeit lancierte Halbwahrheit, bei der hinter dem anklagenden Zeigefinger gleich drei auch auf die "Parteibasis" zeigen, deren Interesse für intensive politische Debatten außer in der Kosovofrage durchaus begrenzt war..

3. Margarete hat mit keinem Wort den "Wählern und Parteimitgliedern deutlich gemacht, daß sie bei der PDS besser aufgehoben sind". Wie kannst Du Margarete solchen Blödsinn zutrauen und in die Öffentlichkeit kolportieren? Margarete hat allerdings am Ende der Pressekonferenz nach einer ausführlichen und auch selbstkritischen Analyse des Wahlausgang durch uns drei ( Wolfgang, Margarete und mich ) zu einigen Vorkommnissen Stellung genommen, die in bayerischen Zeitungen - nicht auf unsere Veranlassung - breitgetreten worden sind und den Grünen geschadet haben. Dazu gehören Aufrufe, die Grünen nicht zu wählen, öffentliche Bekanntmachungen, keinen Wahlkampf für die Grüne "Kriegspartei" zu machen, Beschimpfungen von Grünen als "Kriegstreiber, Verbrecher" u.a., Parteiausschlußanträge aus Bayern gegen den Bundesvorstand und die grünen BundesministerInnen und die öffentliche Ankündigung, bei den österreichischen Grünen "Asylanträge" zu stellen. Zu diesen politischen Kindereien und zu diesem durchaus parteischädigendem Verhalten hat Margarete erklärt, daß wir dies als Landesvorstand nicht mehr kommentarlos hinnehmen werden. Nicht mehr und nicht weniger. Dies alles hättest Du erfahren können, wenn Du nachgefragt hättest. Statt dessen fütterst Du die Presse mit der Erklärung "die Landesvorsitzende Frau Bause betreibe selbst ein parteischädigendes Verhalten".


Unfair finde ich eine zu gelinde Beschreibung für Euere "Presseerklärung vom 15.6." Ich kann nur hoffen, daß dies nicht der Stil wird, in dem wir in Zukunft wieder miteinander umgehen werden. Es wäre ein Rückfall in wahrhaft schlimme Zeiten bei den Grünen und ist mir bei unserem bisherigen Verhältnis zueinander völlig unverständlich.


Mit freundlichen Grüßen


Jerzy Montag
Landesvorsitzender
Bündnis 90/Die Grünen