Diskussionspunkte und Fragen zur "Initiative für Investitionen, Arbeit und Umwelt"
1. Die Hombachsche Phrasendreschmaschine von einer "echten" bzw. "wirklichen" Angebotspolitik sollte wieder abgestellt werden. Sie vernebelt nur eine Klärung der Frage, wie Nachfrage- und Angebotspolitik tatsächlich "in ein vernünftiges Verhältnis" gesetzt werden können. Die Konfusion wird deutlich, wenn der alten Bundesregierung vorgeworfen wird, sie habe auf den Gebieten der Ausbildung, Weiterbildung , Forschung und Entwicklung "keine wirkliche Angebotspolitik" betrieben (S. 5) . Daß diese Gebiete, neben ihren Angebotsaspekten, wichtige Felder gerade staatlicher "Investitionen in Zukunftsbereiche" (S. 11) sind, wird hier unterschlagen. Dünn fallen auch die Aussagen unter dem Stichwort "Ökologische Modernisierung" zu den investiven Aufgaben des Staates zur Einleitung der Energie- und Verkehrswende aus. Hier scheint ein Konzept völlig zu fehlen.
2. Die Prämissen der "alten" Angebotsökonomik werden fraglos übernommen. So z.B., wenn kritiklos unterstellt wird, daß das Bündnis für Arbeit auch ein Bündnis für "Wettbewerbsfähigkeit" sein müsse (S. 2) oder wenn die Aussage gemacht wird, daß die "Grünen ... die Rahmenbedingungen für Investitionen nachhaltig verbessern" wollen (S. 4), ohne zu klären, worin denn das Problem mit diesen Angebotsbedingungen bestehe.
3. Letztlich gipfelt die recht traditionelle Angebotsorientierung des Papiers in der Propagierung eines Niedriglohnsektors. Dies ist grünintern genauso wenig diskutiert wie die Einführung einer Arbeitspflicht, die hier noch ein wenig verbrämt daher kommt (S.6).
4. Zu fragen ist auch, was sich hinter der nebulösen Formulierung unter Punkt 5 "Renten- und Gesundheitsreform" in Bezug auf die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme verbirgt: "Wenn ein höherer Steueranteil dabei herangezogen werden soll, muß vorurteilsfrei die Frage nach dem richtigen Verhältnis von direkten und indirekten Steuern geprüft werden" (S. 9). Entweder ist die Formulierung eine grüne Binsenweisheit (wenn damit die Ökosteuer gemeint sein sollte), oder hier verbirgt sich ein Einfallstor für Mehrwertsteuererhöhungen, die in anderem Zusammenhang abgelehnt werden (wie z.B. zur Finanzierung des Familienlastenausgleichs).
5. Positiv zu vermerken ist, daß zur Finanzierung der Unternehmenssteuerreform "Belastungen für den Haushalt oder eine Steuererhöhung ... nicht für verantwortbar" und der Nettoentlastungseffekt nur noch für kleine und mittlere Unternehmen "für wünschenswert und möglich" gehalten werden. Als Voraussetzung für "energische Entlastungsschritte" anzunehmen, daß sich die Unternehmen im Rahmen des Bündnis für Arbeit auf eine einklagbare "Verpflichtung" einließen, "Verantwortung für Investition zu übernehmen" ist wohl eine Chimäre, die auf dem "Prinzip Hoffnung" basiert.
6. Als eine weitere Chimäre erscheint es, im Zuge der Unternehmensteuerreform zu versprechen, "Eigen- und Fremdkapital werden gleichgestellt" (S. 6). Was soll das bedeuten? Daß Unternehmensgewinne in Zukunft ganz von der Steuer freigestellt werden? Oder daß Zinseinnahmen in Zukunft genauso hoch besteuert werden wie Unternehmensgewinne? Beides offensichtlicher Unsinn. Ein bißchen mehr Klarheit könnte in diesem Zusammenhang nicht schaden.
7. Was verbirgt sich hinter der Formulierung zur Ökosteuer (S. 7): "Wenn wir eine reale Senkung der Sozialbeiträge in mindestens dieser Höhe [-2,4%, TS] durchsetzen wollen, müssen auf der Seite der Rentenversicherung, wie der Krankenversicherung, Reformen beschlossen werden, die mindestens Beitragsstabilität gewährleisten"? Diese Formulierung ist zumindest mißverständlich. Heißt das, daß die Mittel aus der Ökosteuer nicht ausreichen werden, um diese Senkung durchzusetzen? Sind bereits weitere Einsparungen (="Reformen") auf Seiten der Sozialkassen eingeplant, um diese Beitragssenkung dennoch durchführen zu können?
8. Warum wird die Frage der Tariffonds auf ein Problem effektiver Verwaltung (S. 9) reduziert? Viel problematischer daran ist doch, daß mit der bislang vorliegenden Konzeption das Prinzip der solidarischen Finanzierung Rentenversicherung teilweise aufgegeben und auf Rentenzuwächse im stärkeren Umfang, als mit dem gerade erst ausgesetzten demographischen Rentenfaktor, verzichtet würde. Zu fragen ist doch zunächst einmal nach den finanziellen Vorzügen von Tariffonds im Vergleich zu einer rentenversicherungsinternen Lösung.
9. Warum wird eigentlich nicht mehr die Einbeziehung der Arbeitsloseninitiativen in das Bündnis für Arbeit gefordert? An deren Stelle müssen jetzt "der Mittelstand und die Freien Berufe mit einbezogen werden (S. 3). Symptomatisch?
10. Was sind eigentlich der theoretisch und empirisch gesicherten Belege der Aussage: "Schuldenfinanzierung ist kein Weg, weil er immer zu Lasten künftiger Generationen geht" (S. 9). Könnte es nicht sein, daß ein bißchen viel Ideologie hinter einer solchen pauschalen Aussage steht? Oder sollte man sich dann nicht gleich zu einer reinen angebotsorientierten Lehre bekennen?
Eine Marginalie: Wieso muß eigentlich die "Regierung Schröder .. unserem Land einen Platz an der Sonne sichern" (S. 7)? Der Letzte der damit scheiterte, war Kaiser Wilhelm. Die Deutschen haben aus der Geschichte längst die Konsequenz gezogen und fliegen lieber direkt dorthin.