Main-Echo: Dienstag, 23.11.1999
Kreisgrüne eindeutig gegen »neoliberales Gemurkse«
Kritik an Bundespartei: Nicht auf »Neue Mitte« schielen
Main-Kinzig-Kreis. Auf ihrer Kreis-Mitgliederversammlung in Rodenbach äußerten die Main-Kinzig-Grünen ihre Unzufriedenheit über die ihrer Meinung nach zu angepasste Politik der grünen Regierungsmitglieder und der Bundestagsfraktion.
»Es darf nicht sein, dass 20 Jahre ehrenamtliche politische Arbeit für die Grünen vor Ort durch 20 Monate neoliberales Gemurkse in der Regierungsbeteiligung im Bund zunichte gemacht wird.« So drastisch formulierte der Vorstandssprecher Karl-heinz Herr die Ängste und den Unmut wohl vieler Grünen im Kreisgebiet.Es sei zweifelsfrei notwendig, politische Aussagen und Ziele zu modernisieren, dies könne beileibe aber keine Anpassung an die Politik von Schröder und Kohl bedeuten. Vielmehr gelte es gerade in diesen arbeitsmarktpolitisch schwierigen Zeiten, grüne Grundwerte wie soziale Gerechtigkeit, Schutz der Ökologie und Menschenrechte aufrecht zu erhalten, meinten einige Diskussionsteilnehmer.
Die Kreis-Grünen glauben, dass ihre Wählerschichten links von der SPD anzutreffen sind. »Die Strategen, die meinen, die Grünen müssten in der so genannten neuen Mitte der Wahlbevölkerung ihre Stimmen holen, werden in dieser Mitte heillos untergehen und schließlich nicht mehr wahrgenommen werden«, prophezeite Karl-Heinz Herr. Für die nächsten Monate kündigt der Kreisvorstand der Ökopartei intensive Auseinandersetzungen mit dem politischen Standort und dem Grundsatzprogramm der Grünen an.
In dieser durchaus kämpferisch und entschlossen wirkenden Atmosphäre diskutierten die grünen Kreismitglieder auch über die Arbeit des Friedensbeirates. Ausgelöst wurde diese Diskussion durch den Beschluss von CDU, SPD und Republikanern im Kreistag, dieses Gremium aufzulösen. Sepp Sigulla als stellvertretender Vorsitzender des Friedensbeirates stellte die Arbeit dieses Gremiums ausführlich vor und vertrat die Auffassung, dass der Kreistag dem Friedensbeirat zwar formal das Mandat als Verbindungsgremium zum Kreisausschuss nehmen, nicht aber die kritische Arbeit dieses Gremiums unterbinden kann.
In einer einstimmig verabschiedeten Resolution forderten die Grünen dann auch die Mitglieder des Friedensbeirates auf, »angesichts von umstrittenen Waffenlieferungen der Bundesregierung, von Kriegen vor unserer Haustür mit unserer Beteiligung, von Aufrüstungstendenzen in der Bundeswehr, aber auch von der vielfältigen Problematik von Flüchtlingen im Main-Kinzig-Kreis« ihre Arbeit fortzuführen. Der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen, so heißt es in der Resolution, »wird die Weiterarbeit des Friedensbeirates parlamentarisch und außerparlamentarisch nachhaltig unterstützen«.