Mittwoch, 5. Sept. 2001
Bündnis 90 / Die Grünen
OV Ratingen, Vorstand
Kontakt: Siegfried.Leittretter@tonline.de
Anmerkungen zum Entwurf des Grundsatzprogrammes 2020
Debatte auf der Regionalkonferenz am 8. Sept. 01 in Oberhausen
Im OV Ratingen, B 90Die Grünen, haben wir an zwei Abenden nach
der Sommerpause den Programmentwurf diskutiert. In unserem OV stößt
der Programmentwurf auf erhebliche Kritik. Der Vorstand übernimmt
die dort geäußerte Kritik am Programmentwurf, leitet sie
an alle relevanten Stellen in der Partei weiter sowie an die Regionalkonferenz.
Wir, der Vorstand bitten nachdrücklich darum, unsere Anmerkungen
zu diskutieren und in die Neufassung des Programmentwurfes einzuarbeiten.
In unserer Diskussion herrschte die Meinung vor, dass das Programm
keine greifbare Vision grüner Politik, kein Bild einer zukünftigen
Gesellschaft vermittelt. Vielmehr zerfällt es in "tausend"
unterschiedliche Splitter ohne klare Schwerpunkte und mit unterschiedlichem
Konkretisierungsgrad. Nicht im Zentrum steht die anhaltende Massenarbeitslosigkeit
und die fortschreitende Umweltzerstörung, die dramatische Spaltung
unserer Gesellschaft in Arm und Reich, in Gewinner und Verlierer, in
Deutschland und Europa. Hier muss grüne Politik ansetzen und politische
Ziele vorgeben und Lösungen zeigen. Wir brauchen eine soziale und
ökologische Reformstrategie als Kern unseres Programmes. Uns erscheint
das Programm wie ein vorweggenommener (Koalitions)Kompromiß. Wir
vermissen klare Positionen gegen die Diffamierung von Sozialhilfeempfängern,
für eine positive, inhaltliche Auseinandersetzung mit den Globalisierungskritikern
und anderen gesellschaftlichen Gruppen sowie zum Grundrecht auf Asyl.
Wir verstehen uns als Teil einer weltweiten, sozialökologischen
Menschenrechtsbewegung.
Daher arbeiten wir mit den entsprechenden nationalen und weltweiten
Bewegungen zusammen.
Im Einzelnen haben wir folgende Anmerkungen:
Unsere Werte (S. 8 ff)
Soziale Gerechtigkeit ist ein zentraler Wert und wichtiges Ziel unserer
Partei. Daher akzeptieren wir nicht, dass "sozial" als Begriff
und was dies im einzelnen bedeutet bei den Grundwerten, in unserem
Programm nicht mehr erscheint. Der erweiterte Begriff der Gerechtigkeit
deckt das nicht ab.
Marktwirtschaft und Ordnungspolitik (S 25 ff)
Nur die wirtschaftlich Starken können sich einen schwachen Staat
leisten. Daher wollen wir eine ökologischsoziale Marktwirtschaft
mit einem starken Staat als Regulator. Aussagen wie, "..So viel
Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig," sind nichtssagend
und erinnern allenfalls an FDPSlogans. Wir vermissen klare Aussagen
für eine grundlegende Reform unseres Steuersystems in dem Sinne,
dass die Besteuerung und Belastung der Arbeit reduziert wird und das
System der Steuer und Abgabenbelastung arbeitsplatzschaffend eingesetzt
wird. Wir vermissen entsprechend Aussagen zur Wertschöpfungssteuer,
Aussagen zu einer groß angelegten sozialökologischen Steuerreform,
die die Arbeitskosten senkt und stattdessen zunehmend den Naturverbrauch
belastet. In diesem Sinne erwarten wir auch auch, dass wir die Gewerkschaften
als unseren Partner ansehen, weil sie viele Gedanken und Ideen mit uns
teilen.
Ökologie und Solarzeitalter (S. 17 ff)
Wir vermissen eine klare, mutige Vision für das Solarzeitalter
"100 % regenerativ!" national europa und weltweit
was denn sonst?. Das steht so nicht im Programm. Solarzeitalter ist
keine Vision für die ferne Zukunft. Sie ist machbar (Energieeffizienz
+ Erneuerbare). Sie schafft neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze.
Sie befreit uns aus den Fesseln der Kernkraft, des Öls und den
dadurch ausgelösten kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie ist
Teil einer weltweiten Politik für Umwelt und Entwicklung. Angesichts
der Bedrohung unseres Klimas gibt es dazu keine vernünftige Alternative.
Die Energiewende muss unumkehrbar undbeschleunigt werden. Mit marktwirtschaftlichen
Instrumenten ist das Solarzeitalter nur erreichbar, wenn die Preise
die ökologische Wahrheit sagen, die Risiken und die externen Kosten
der Energieträger internalisiert werden und alle Privilegierungen
und versteckten Subventionen für fossile und atomare Energieträger
beseitigt sind. Bis dahin brauchen wir eine europaweite Vorrangregelung
für Erneuerbare Energien, nach dem Modell des ErneuerbarenEnergienGesetzes
und einen Vorrang für hocheffiziente KraftWärmeKopplung.
Die ökologische Steuerreform kann den Prozess dann beschleunigen,
wenn sie zukünftig den tatsächlichen Schadstoffausstoß
und die Risiken besteuert und auf weitreichende Ausnahmeregelungen
verzichtet. Klimaschutz ist keine(!) Last (S. 21, 363 ff ausgeführt),
sondern ein Beschäftigungsmotor mit Innovations und Wachstumspotenzial.
Daher brauchen wir auch keine handelbaren Emissionszertifikate für
den internationalen ökologischen Lastenausgleich. Der Absatz muss
gestrichen werden.
Verkehr / Versiegelung (S. 18ff)
Wir vermissen eine Auseinandersetzung mit dem wachsenden Flugverkehr.
Zu S. 20, nach Zeile 293: Lokal muss die Versiegelung im Außenbereich
gegen Null gefahren werden, um den Wasserhaushalt zu schützen,
um die letzten Freiflächen und wertvolle Lebensräume für
Pflanzen und Tiere zu erhalten.
Feminismus und Gleichberechtigung (S. 54 f)
Das Schlüsselprojekt Frauen stellt ein "erwünschtes"
Frauen und Familienbild in den Mittelpunkt. Kaum anerkannt werden
Frauen, die innerhalb der Familie freiwillig die Betreuung der Kinder
übernehmen und nicht berufstätig sind bzw. sein können.
Sie haben ein Recht darauf, dass ihre Lebensweise gleichermaßen
respektiert und sozial abgesichert wird. Es ist nicht unsere Aufgabe
zu bewerten, die eine gegen die andere Lebensform auszuspielen, sondern
für die Vielfalt unterschiedlicher Lebensformen soziale Anerkennung
und soziale Absicherung zu schaffen.
Globalisierung: Schlüsselprojekt Fairer Handel und internationale
Standards (S. 68 ff):
Wir vermissen klare Perspektiven!! Freiwillige Umwelt und Sozialstandards
reichen nicht.
Zurecht wird festgestellt, dass der freie Weltmarkt verantwortlich ist
für Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen. Als Zukunftsmodell
reichen freiwillige Maßnahmen der Akteure, wie Fair Trade Projekte
und internationale Öko und Soziallabel, nicht aus. Sie zeigen
zwar am Beispiel einiger Produkte, wie der weltweite Handel sozial,
ökologisch und entwicklungspolitisch sinnvoll gestaltet werden
kann, vermitteln aber noch keine Perspektive auf Durchsetzung und Verallgemeinerung
im gesamten weltweiten Handelssystem. Letztendlich bleibt die Umsetzung
vom guten Willen jedes einzelnen Akteurs abhängig. Daher brauchen
wir neue Instrumente, um die weltweiten Handels und Finanzströme
im Interesse von Mensch und Umwelt zu regulieren. Die un oder deregulierten
weltweiten Märkte gefährden auch unser eigenes soziales und
ökologisches System.
Zu den Entscheidungsalternativen im Entwurf des Grundsatzprogrammes
Sozialversicherungssysteme (S: 35)
Wir entscheiden uns für beitragsfinanzierte Systeme (Alternative
1)
Bildungsfinanzierung (S: 44)
Wir sind gegen eine Festlegung auf konkrete Instrumente im Grundsatzprogramm
(Alternative 2)
Bundeswehreinsatz (S. 64)
Wir sprechen uns dafür aus, dass mindestens 2/3 der Abgeordneten
des Deutschen Bundestages einem Auslandseinsatz zustimmen müssen
(Alternative 1)
Kontakt: Siegfried.Leittretter@tonline.de
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