Meldung vom 23.11.1999 18:19
Katholische Kirche stellt keine Beratungsscheine mehr aus
Bischöfe folgen Weisung des Papstes - Einige Bistümer wollen sich offenbar widersetzen
Bonn. Die katholische Kirche wird schwangeren Frauen künftig keine Beratungsscheine für eine straffreie Abtreibung mehr ausstellen. Wie die Deutsche Bischofskonferenz am Dienstag in Bonn mitteilte, wird damit eine ausdrückliche Weisung des Papstes befolgt, die dieser am Samstag in einem Schreiben an die Bischöfe erlassen hatte. Der Ausstieg aus der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung solle bis spätestens Ende 2000 vollzogen sein, erklärte ein Sprecher. Politiker aller Parteien bedauerten diese Entscheidung. Drei Bistümer wollen allerdings dem Willen des Papstes offenbar trotzen.
Die Bischöfe erklärten nach zweittägigen Beratungen in Würzburg, sie seien sich «einig im Ziel, das Leben ungeborener Kinder zu retten und Frauen in Schwangerschaftskonflikten zu helfen». Der Papst habe sie ermutigt, eine intensive Beratung fortzusetzen, «allerdings mit der Weisung verbunden, keinen Beratungsnachweis ausstellen zu lassen, der den Weg zur straffreien Abtreibung ermöglicht».
Offen ist noch, wann die einzelnen Bistümer den Ausstieg aus der Konfliktberatung vollziehen. Das entscheide jeder Bischof in Absprache mit den Ländern selbst, sagte ein Sprecher. In Fulda würden schon seit Jahren keine Bescheinigungen mehr ausgestellt, Speyer und Paderborn hätten den Stopp zum 1. Januar angekündigt. Allerdings wolle die Bischofskonferenz auch prüfen, ob die kirchlichen Beratungsstellen selbst ohne Ausstellung des Scheins in der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung bleiben könnten.
Der Limburger Bischof Franz Kamphaus hat nach Angaben seines Sprechers Michael Wittekind nach der Würzburger Konferenz deutlich gemacht, dass er in seinem Bistum die Suche nach Alternativen zum Beratungsschein fortsetzen werde. Sollten sich diese nicht finden, würden die Einrichtungen «den bewährten Weg der Beratung fortsetzen». Unklar blieb vorerst auch, ob das Bistum Trier aus der staatlichen Beratung aussteigen werde. Sprecher Hans Casel erklärte, Bischof Hermann-Josef Spital habe sich noch nicht abschließend geäußert. Nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Mittwochausgabe) hat neben Kamphaus und Spital auch der Magdeburger Bischof Leo Nowack beim Treffen der Bischöfe zu Protokoll gegeben, an der bewährten Praxis festhalten zu wollen.
Unabhängig von der Amtskirche wollen Laien eine katholisch geprägte Schwangerschaftskonfliktberatung mit Ausgabe von Beratungsscheinen fortsetzen. Sie hatten dazu schon im September den Verein «donum vitae» (Geschenk des Lebens) gegründet. Am Freitag hatte sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hinter diese Initiative gestellt.
Bergmann bedauert Entscheidung der Bischöfe
Bundesfamilienministerin Christine Bergmann bedauerte die Entscheidung der Bischofskonferenz. «Die Frauen werden von der katholischen Kirche allein gelassen», kritisierte die SPD-Politikerin in Berlin. Die Vorsitzende der Unionsarbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Bundestag, Maria Eichhorn (CDU), sprach von einem schweren Schlag für Rat und Hilfe suchende Frauen. Die hessische Sozialministerin Marlies Mosiek-Urbahn (CDU) erklärte, ihr Land wolle den Verein «donum vitae» anerkennen und finanziell fördern, um das katholische Element und damit die Pluralität in der Schwangerenkonfliktberatung zu erhalten. Auch die bayerische Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) sagte dem Verein ihre Unterstützung zu.