zurück

Achtung Nebelkerzen
oder die Sache mit dem Stand von Wissenschaft und Technik

Ein wesentlicher Kritikpunkt am Atomkonsens ist die Frage der Sicherheitsstandards. Von Seiten der Bundestagsfraktion wird dazu verbreitet, selbstverständlich stehe der Konsens einer Verschärfung der Sicherheitsstandards nicht entgegen. Es sei gerade Kennzeichen des gegenwärtigen Sicherheitsstandards, das dafür der jeweilige, also auch der künftige Stand von Wissenschaft und Technik zu Grunde zu legen sei.

So heißt es unter :
http://www.gruene-fraktion.de/atomausstieg/wortlaut/stage.htm#06:

Werden durch den Atomkonsens strengere Sicherheitsstandards verhindert?
Keinesfalls. Zum ersten Mal überhaupt wird die Pflicht zur Vorlage einer Sicherheitsüberprüfung als Betreiberpflicht zur Unterstützung der staatlichen Aufsicht gesetzlich normiert - mit konkreten Terminen für alle Anlagen vorgeschrieben. Die ersten Sicherheits-Checks werden noch in diesem Jahr beginnen. Die Prüfungen sind nach 10 Jahren zu wiederholen. Das bestehende Sicherheitsniveau wird weiterhin aufrecht erhalten. Nur bei Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen - und das beinhaltet den aktuellen Stand der Technik und Wissenschaft - gewährleistet die Bundesregierung den ungestörten Betrieb der Anlagen.

Dazu ist folgendes zu bemerken:
Selbstverständlich ist im Atomkonsens nicht vereinbart worden, das der Sicherheitsstandard nach dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik eingefroren wird. Eine solche Vereinbarung wäre ohne weiteres rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Beschluß vom 8.8.1978 BVerfGE 49, 89 (133f, 137) -Kalkarentscheidung- ausgeführt, angesichts der besonderen Gefahren der Atomenergie sei eine ständige Anpassung an den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich, um einen dynamischen Grundrechtsschutz zu verwirklichen. Die Bedeutung der Vereinbarung über die Sicherheitsstandards liegt aber in Folgendem: Auch einem Laien dürfte auffallen, das "Stand der Wissenschaft und Technik" ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Es ist Aufgabe der Verwaltung (hier: die Bundesregierung) diesen Rechtsbegriff zu konkretieren und zu bestimmen, welche Anforderungen gestellt werden. Dabei müssen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und nicht allein die "herrschende Meinung" in der Wissenschaft herangezogen werden. Da Risikoermittlung- und -Bewertung in der Hand der Bundesregierung liegen, ist dies von den Gerichten nur beschränkt überprüfbar. Dies zum Leidwesen etwa von Klägern gegen Atomkraftwerke. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, so etwa das Bundesverwaltungsgericht, die dem Verordnungsgeber zugewiesene Aufgabe der Bewertung wissenschaftlicher Streifragen einschließlich der Bewertung des Risikos durch eine gerichtliche Bewertung zu ersetzen. Deshalb beschränken sich die Gerichte darauf, zu prüfen, ob der Verordnungsgeber etwa wissenschaftliche Erkennisse völlig negiert hat. Die Vereinbarung im Atomkonsens schreibt also fest, daß die Risikoeinschätzung, die von der letzten Bundesregierung hinterlassen wurde nicht verändert werden soll. Dies obwohl sowohl AKW-Gegner als auch AKW-Betreiber gerade eine solche Neubewertung erwartet, bzw. befürchtet haben. Dazu schreibt Greenpeace dehalb auch ganz zutreffend in dem offenen Brief an die Delegierten:

Mit der Unterschrift unter das Konsenspapier verabschieden sich Bündnis90/Die Grünen vom sicherheitsorientierten Vollzug.
Zwar nicht rechtlich - im Atomgesetz wird weiterhin dieselbe Passage vom dynamischen Stand von Wissenschaft und Technik auf dem geduldigen Papier stehen-, aber politisch. Denn ab sofort stimmen Bündnis90/Die Grünen (so das Konsenspapier) mit den AKW-Betreibern darin überein, dass die Atomkraftwerke auf hohem Sicherheitsniveau betrieben werden. Und garantieren deswegen den ungestörten Betrieb der Anlagen . Sie verpflichten sich außerdem, keine Initiative zu ergreifen, um den Sicherheitsstandard oder die Sicherheitsphilosophie zu ändern . Zwar soll es in Zukunft eine gesetzliche Pflicht zur Sicherheitsüberprüfung geben. Doch Maßstab für die Prüfungen soll ein von Angela Merkel entwickelter Leitfaden sein. Dieser Maßstab soll nur noch in Absprache mit den Ländern, der eaktorsicherheitskommission und den Betreibern der AKWs geändert werden. Wenn man weiß, das neun Reaktoren eine solche Prüfung in den letzten Jahren ohne Probleme überstanden haben, wird schnell klar, dass diese Sicherheitsüberprüfungen kein wirksames Instrument zur schnelleren Abschaltung der Reaktoren sein werden.

Im Kern gibt also gerade die Vereinbarung zu den Sicherheitsstandards den Betreibern die gewünschte Betriebssicherheit. Die obige Erklärung der Bundestagsfraktion ist daher schlichte Desinformation. Eine Desinformation, wie man sie bislang eigentlich eher von den AKW-Betreibern gewohnt war. Ich habe inzwischen SIEBEN Mal versucht einen entsprechenden Beitrag auf der Diskussionsseite der Bundestagsfraktion zu plazieren. Leider ist er dort nicht veröffentlicht worden. Entweder hat man dort technische Probleme oder Probleme mit der Diskussionskultur.

Wilhelm Achelpöhler
Staufenstraße 39
48145 Münster

      zurück