zurück

Ein "altes" Papier aus November 1986 ausgegraben, welches die BUU Elmshorn
seinerzeit im "Krückaublatt Nr. 13" (Zeitung der lokalen grünen Wählergemeinschaft und Bürgerinitiativen) veröffentlichten:

BROKDORF AM NETZT: SOFORT WIEDER ABSCHALTEN!

Nach mehr als zehn Jahren Widerstand, Prozessen und Demonstrationen ist am 7. Oktober der vier Milliarden DM teure Reaktor ans Netz gegangen. Kurz vorher hatte die Landesregierung die endgültige Betriebsgenehmigung erteilt. Als Reaktion hier demonstrierten am "Tag X" in Hamburg und eine Woche später in Kiel jeweils über 10.000 Menschen gegen die Inbetriebnahme von Brokdorf und für die Stillegung aller Atomanlagen. Bei Elmshorn wurden mehrere Strommasten besetzt.

CDU weiter voll auf Atomkurs
Trotz des bisher schwersten Reaktorunglücks in Tschernobyl, trotz der überall stattfindenden Ausstiegsdiskussion setzt die CDU damit den Marsch in den Atomstaat fort. Im Brustton der Überzeugung wird Brokdorf zum "sichersten Reaktor der Welt" erklärt - schließlich habe man ja eine nochmalige "Sicherheitsüberprüfung" durchgeführt. Diese "Sicherheitsüberprüfung" (eigentlich sollte Brokdorf schon im Juni eingeschaltet werden, was wohl aber unmittelbar nach Tschernobyl nicht opportun war) ist aber nichts anderes als eine Beruhigungspille für die Bevölkerung. Das groß herausgestellte zusätzliche Sicherheitssystem besteht lediglich aus einer Druckentlastungseinrichtung, die aber bei allen explosionsartigen Unfallverläufen, wie etwas in Tschernobyl völlig wirkungslos ist. Damit ist Brokdorf auch nicht sicherer als vorher.

Der Sofortausstieg ist möglich
Energiewirtschaftlich ist heute Brokdorf unsinniger denn je: Es werden riesige Überkapazitäten produziert, kein Mensch braucht diesen Strom. Inzwischen hat sogar der Hamburger Senat zugegeben, daß Brokdorf für die Stromversorgung nicht erforderlich sei. Nach den Berechnungen des Senats würde in Hamburg (Atomstromanteil jetzt immerhin über 80 %) selbst dann kein einziges Licht ausgehen, wenn alle AKWs, an denen die HEW beteiligt sind (Brokdorf, Krümmel, Stade und Brunsbüttel) abgeschaltet würden. Der Sofortausstieg aus der Atomenergie ist also nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Dies bestätigen auch andere Gutachten wie das der offiziösen Schweizer Prognos AG: Für die Jahre 1987-91 rechnen die Schweizer Forscher im Falle des Sofortausstiegs mit
Kostenentlastungen (sprich: Strompreissenkungen) durch den Nichtfertigbau des Kraftwerkjahrgangs 1988 und den Nichtbau des Kraftwerkjahrgangs 1990 sowie durch bessere Ausnutzung der Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen. U.a. wird in diesem Gutachten die Unsinnigkeit einer "Entschädigung" der AKW-Betreiber wegen Stillegung bestätigt, weil die noch nicht abgeschriebenen Errichtungskosten der AKWs bereits im bestehenden Strompreis enthalten sind.

SPD: Ausstieg - ja, aber...
Nach ihrem letzten Parteitag scheint sich auch die SPD in die Reihen der AKW-Gegner begeben zu haben: Es wird eine Abschaltung aller AKWs innerhalb von 10 Jahren gefordert. Voraussetzung hierfür ist jedoch, neben einer "sozialdemokratischen Gesetzgebungsmehrheit" ein "nationaler Konsens der Abwendung von der Atomenergienutzung". Und hier zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit des Ausstiegs á la SPD: Zum einen betont diese Partei dreimal täglich, daß ihr die Absange an die Grünen noch wichtiger ist als der Ausstieg aus der Atomenergie. Statt ein potentielles Ausstiegsbündnis mit Grünen, Teilen des DGB und der Anti-AKW-Bewegung zu formieren, trägt die SPD dazu bei, daß die Regierungsparteien an der Macht bleiben und Kalkar und Wackersdorf weitergebaut werden. Zum einen heißt "nationaler Konsens" nichts anderes, als dass erst ausgestiegen wird, wenn die Energiekonzerne ihre AKWs freiwillig stillegen. Und die werden einen Teufel tun, solange man ihnen den Strom abnimmt und sie eine Menge Geld verdienen. Statt Massenmobilisierung und politische Konfrontation gegen die Atomindustrie ermöglicht die SPD dieser das Überwintern. Im Endeffekt läuft dieser SPD-Ausstieg darauf hinaus, das Atomprogramm vorläufig nicht auszubauen, das bestehende Programm abzuspecken und auf Sofortmaßnahmen für den Ausstieg zu verzichten. Der Rest ist Wahlkampf-Klimbim.

Den Widerstand fortführen
Wichtig ist es jetzt, daß die Inbetriebnahme von Brokdorf bei uns keine Resignation auslöst. Immerhin ist es nach Tschernobyl gelungen, die Anti-AKW-Bewegung wieder als eigenständige, offensive politische Kraft zu formieren. Es kommt darauf an, den Widerstand in vielfältigen Formen fortzuführen. Ansätze dazu gibt es (genannt seien nur die Blockaden am AKW der Gewaltfreien Aktion und Solidarischen Kirche an jedem 6. des Monats, "Sonntagsspaziergänge" am AKW-Gelände, Verweigerungsaktionen wie "Giroblau"). Es gilt, sie zu nutzen.

      zurück