Position des Energiepolitischen Ratschlags auf Bundesebene (EPR) vom 17.9.99 in Berlin
Faire Wettbewerbsbedingungen für die Stadtwerke herstellen
Den Wettbewerb regulieren, Umweltschutz fördern, Arbeitsplätze erhalten
Die Zeit drängt!
Laut Prognosen werden bei einer unveränderten Entwicklung des Strommarktes nur wenige (100 von ca. 900) Stadtwerke überleben. Das neue Energiewirtschaftsgesetz schickt die Stadtwerke mit Fesseln in den Wettbewerb und bevorteilt statt dessen die großen Verbundunternehmen. Stadtwerke können aber Träger einer dezentralen Energiepolitik sein und einen Beitrag zur Realisierung grüner Ziele leisten (Umwelt, lokale Wertschöpfung, etc.). Sie müssen gleiche Chancen im Wettbewerb haben. Wettbewerb bedarf einer Vielzahl von verschiedenen und verschieden großen Teilnehmern. Deshalb sehen wir die Stadtwerke auch als einen wichtigen Kontrapunkt gegenüber den - zumeist atom- und kohlelastigen - Verbundunternehmen, auf die nur schwer politischer Einfluß genommen werden kann. Der Anteil von KWK ist bei den Verbundunternehmen im Vergleich zu den Stadtwerken verschwindend gering. Im übrigen sind Stadtwerke (nicht alle, aber einige) die einzigen, die in den vergangenen Jahren Least-Cost-Planing erprobt und sich den Klimaschutzzielen verpflichtet haben.
Selbstverständlich müssen die Stadtwerke für Veränderungen bereit sein. Das fängt in den Chefetagen an und hört bei der Kunden- und Dienstleistungsorientierung der MitarbeiterInnen nicht auf. Einen Wettbewerb nur über den Preis können sie gegen die gut gefüllte Kasse der großen EVU´s nicht für sich entscheiden. Deshalb ist das angebotene Produkt, der Service und das kundenorientierte Angebot für die Weiterentwicklung der Stadtwerke entscheidend.
Eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes muß kurzfristig erfolgen. Folgende Forderungen sind einzubringen:
- Das Netz soll als natürliches Monopol (Wiederherstellung des ausschließlichen kommunalen Wegerechtes) erhalten bleiben und es muß ein diskriminierungsfreier Netzzugang für alle Marktteilnehmer (Netzzugangsverordnung und Regulierungsbehörde auf Bundesebene) eingeführt werden.
- Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle, d.h. Stadtwerke müssen durch Änderungen der jeweiligen Gemeindeordnungen auf Länderebene (notfalls über Änderung Art. 28 GG) gleiche Wettbewerbschancen erhalten.
- Aus ökologischen Gründen muß die Kraft-Wärme-Kopplung gesichert und ausgebaut werden, wozu schnellstmöglich eine bundesweite KWK-Pflichtquote eingeführt werden muß.
- Regenerative Energien sind über ein novelliertes Stromeinspeisegesetz zu sichern und auszubauen.
- Energiesparen als größte Energiequelle muß weiterhin über LCP-Maßnahmen gefördert werden. Dazu ist ein Umlagemodell notwendig.
- Für die zu erwartenden Ausfälle insbesondere im städtischen ÖPNV ist es erforderlich kurzfristig eine Erhöhung der Ökosteuer vorzunehmen.
- Für alle Stromangebote ist eine Kennzeichnungspflicht über die Herkunft und der unterschiedlichen Erzeugungsarten einzuführen (Zertifizierung).
Erläuterung:
Das noch von der alten CDU-FDP-Bundesregierung in Kraft gesetzte, novellierte Energiewirtschaftsrecht ist weiterhin unverändert gültig. Die Klagen der Länder Hamburg, Hessen und Saarland, der SPD Bundestagsfraktion und mehrerer Kommunen gegen das Energiewirtschaftsgesetz sind in Karlsruhe weiterhin anhängig.
Die negativen Auswirkungen der ungeregelten Liberalisierung a la Rexrodt kommen schneller als erwartet:
- Die Konzentration auf der Erzeuger- und Anbieterseite
- Viele KWK-Anlagen und vor allem die neueren KWK-Anlagen sind aufgrund der sinkenden Strompreise nicht mehr konkurrenzfähig
- Die Bedingungen des Netzzugangs werden immer noch von den großen Verbundunternehmen bestimmt
- Die regenerativen Energien verharren im "Nischendasein"
Wir haben den Wettbewerb grundsätzlich befürwortet. Wir sehen Wettbewerb allerdings nicht als Selbstzweck, sondern als ein Mittel zu einer höheren Effizienz und gerechteren Preisen. Wettbewerb heißt, daß es möglichst viele Akteure gibt und nicht, wie es gerade passiert, kleinere Akteure verdrängt werden. Ein fairer Wettbewerb bedarf allerdings bestimmter, regulierender Bedingungen und das gilt insbesondere aufgrund seiner Besonderheiten für den Strombereich. Für einen solchen Wettbewerb hatten wir noch in der vergangenen Legislaturperiode mit einem eigenen Gesetzentwurf gute Vorschläge gemacht.
- Einführung einer staatl. Regulierungsbehörde
Gerade weil Wettbewerb in der Stromerzeugung des Netzzugangs und des Unbundlings bedarf, sollten wir als Grüne weiterhin eine Regulierungsbehörde fordern. Eine Regulierungsbehörde kann im Vergleich zu den Kartellämtern mit einem bestimmten Instrumentarium und der komplexen Materie des Strommarktes entsprechend mit einem speziellen Team bestehend aus IngenieurInnen, WirtschaftswissenschaflerInnen und JuristInnen ausgestattet werden, um zeitnah und flexibel reagieren zu können (Vgl. andere Länder).
- Einführung einer faireren Netzzugangsverordnung u. Durchleitung nach dem Kostenprinzip
Hinsichtlich einer Marktöffnung auch für Tarifkunden und kleinere Sondervertragskunden sowie auf der Anbieterseite unabhängige Erzeuger, Stadtwerken und Erzeugern von regenerativen Energien und KWK ist es sehr schädlich, daß auf einen geregelten Netzzugang verzichtet wurde. Vielmehr ist eine Netzzugangsverordnung erforderlich. Minimalforderung wäre eine verbesserte Verbändevereinbarung, die auch arbeitsabhängige Entgelte festlegt und dezentrale Erzeugung bevorteilt. Die derzeitigen Verhandlungen zur neuen Verbändevereinbarung lassen befürchten, daß zwar formal die Entfernungsabhängigkeit abgeschafft, diese jedoch indirekt über eine sog. Transitgebühr wieder eingeführt wird. Die Bevorzugung der Verbund-EVU bliebe ungebrochen. Darüber hinaus gibt es noch keine Ansätze zur Veröffentlichung von Netzzugangstarifen.
Problematisch ist derzeit vor allem, daß Tarifkunden suggeriert wird, sie könnten problemlos ihre Versorger wechseln: Zumeist sind aber noch keine Durchleitungsverträge mit den Stadtwerken geschlossen worden. Darüber hinaus ist ungeklärt, was passiert, wenn der neue Lieferant ausfällt oder seinen Versorgungspflichten nicht nachkommt. Die Stadtwerke werden dann zu Lückenbüßern.
- Einführung der KWK-Quote
Eine weitere Stillegung von KWK-Anlagen muß dringend verhindert werden. Das Pflichtquotenmodell ist hierfür die beste Lösung, weil die Belastung auf alle umgelegt wird und insbesondere fortschrittlichere Stadtwerke mit einem hohen KWK-Anteil davon profitieren könnten.
Für die regenerative Energien ist schnellstens entweder ebenfalls über ein bundesweites Quotenmodell zu sprechen oder über eine Änderung des Stromeinspeisegesetzes.
- Änderung der Gemeindeordnungen
Ferner sind auf Landesebene entsprechende Novellierungen der Gemeindeordnungen so durchzusetzen, daß Stadtwerke auch außerhalb ihres bisherigen Versorgungsgebietes ihre Leistungen sowie weitergehende Energiedienstleistungen, i.S. einer nachhaltigen Energiewirtschaft, anbieten und auf diese Weise am Wettbewerb teilnehmen können.
- Sonstige Anforderungen
Wichtig wären Regelungen, nach denen Stadtwerke, die Least-Cost-Planning betreiben, die Kosten umlegen dürfen.
Über die Wiederherstellung eines ausschließlich kommunalen Wegerechts muß diskutiert werden. In diesem Zusammenhang muß die unklare Verwendung des Begriffs "Unternehmen der allgemeinen Versorgung" im EnWG geklärt werden: Wenn es weiterhin Unternehmen gibt, die eine allgemeine Versorgungspflicht haben, dann müßten sie auch die alleinigen örtlichen Netzbetreiber sein. Direktleitungsbau sollte weitgehend ausgeschlossen werden. Das Netz wird als natürliches Monopol erhalten, aber es muß ein diskriminierungsfreier Netzzugang für alle Marktteilnehmer sichergestellt sein.
Wir brauchen, um die Stadtwerke zu stärken, dringend eine gesetzliche Regelung zu den bestehenden Vorlieferantenverträgen, auch wenn das Mannheimer Urteil da schon etwas positiven Wind reingebracht hat. Das gilt auch für die Reziprozitätsklausel, nach der derzeit nur die Verbund-EVU uneingeschränkt im europäischen Markt handeln können.
- Querfinanzierung/ÖPNV-Finanzierung
Eine Situation wie der praktizierte Defizitausgleich von städtischen Verkehrsbetrieben aus erwirtschafteten Gewinnen des Energieberichs wird es nicht mehr geben. Zur Aufrechterhaltung eines ökologisch und verkehrspolitisch unverzichtbaren ÖPNV in den Städten müssen neue Finanzierungsinstrumente gewählt werden. Ein direkter Bezug ergibt sich zur Ökosteuer, die kurzfristig aufzustocken und zur Finanzierung herangezogen werden muß.
Dietmar Rieth, MdL, Sprecher des EPR, Kaiser Friedrich Str. 3, 55116 Mainz, Tel 06131/208 3140, Fax 06131/208 4140, e-mail:Dietmar.Rieth@gruene.landtag.rlp.de
Hartwig Berger, MdA, Sprecher des EPR, Niederkirchnerstr. 5. 10111 Berlin, Tel.: 030/232524-11, Fax: -09