Michaele Hustedt

- Einstimmig beschlossen auf der Sitzung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen am 14.09.1999 -

Wettbewerb und Umweltschutz

Eckpunkte der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
zur Energiepolitik in dieser Legislaturperiode

Neue Ausgangslage in der Energiewirtschaft

Die Monopolwirtschaft durch die Marktwirtschaft zu ersetzen ist der größte Umbruch in der Geschichte der Energiewirtschaft seit Bestehen der BRD. Für Ostdeutschland ist es der zweite große Einschnitt bei der Umstrukturierung der Energiewirtschaft. Der Wettbewerb in der Energiewirtschaft entwickelt sich dabei schneller als viele gedacht haben. In Zukunft ent-scheiden auch der Verbraucher und die Verbraucherin über das Angebot. Nach 40 Jahren Monopolwirtschaft wird nun bald für alle die freie Wahl des Stromlieferanten möglich sein. Diese Entwicklung ist gewollt und nicht mehr aufzuhalten. Die Monopolwirtschaft war ineffi-zient, innovations- und umweltfeindlich. Jahrzehntelang müssen die Bürger und Bürgerinnen überhöhte Preise bezahlen. Mit den überhöhten Gewinnen haben sich die Stromkonzerne andere Wirtschaftszweige, insbesondere die Infrastruktur wie Abfall und Telekommunikation, erobert. Der Übergang zur Marktwirtschaft ist deshalb richtig und wurde und wird von Bünd-nis 90/DIE GRÜNEN begrüßt und gefördert.

Der Markt kann viel, er kann Verkrustungen aufbrechen, für mehr Effizienz und Dynamik sorgen. Dass die Energieversorgung umweltverträglicher wird, dafür sorgt der Wettbewerb nicht automatisch. Welche Akteure im Wettbewerb eine Chance haben und welche Energie-erzeugungstechniken sich im Markt rechnen, dafür sind neben dem Kundeninteresse die Spielregeln dieses Marktes entscheidend. Umweltfreundlicher Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen oder erneuerbarer Energien können mit Billigstrom noch nicht konkurrie-ren. Sie sind in ihrer Existenz gefährdet. Der Markt formiert sich in den nächsten Monaten. Die Rahmenbedingungen für den Markt, die jetzt gesetzt werden, werden einen großen Ein-fluss darauf haben, wie die neue Energieversorgungsstruktur aussieht. Das nächste Jahr ist für die Zukunft der Energiewirtschaft entscheidend. Für die Politik gibt es daher dringenden Handlungsbedarf.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, dass es im kommenden Markt nicht nur um niedrige Strompreise geht, sondern auch um die Qualität der Energieerzeugung. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Energieversorgung in Deutschland weiterhin att-raktiv bleibt und nicht vermehrt durch Importstrom gedeckt wird. Gleichzeitig muss eine um-weltverträgliche, zukunftsfähige Energieversorgung zügig vorangetrieben werden. Die Wei-terentwicklung der regenerativen Energien, die Effizienzrevolution bei den fossilen Energie-trägern und die Energieeinsparung dürfen nicht unter die Räder kommen. Angesichts des nach wie vor ungebrochenen Trends zu globalen Umweltgefahren gibt es dazu keine Alter-native. Der Ausbau erneuerbarer Enrgien ist ein fundamentaler Bestandteil unserer Strategie zum Klimaschutz. Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung bis 2010 zu verdoppeln. Bis 2050 sollen die erneuerbaren Energien einen Anteil von 50 Prozent am Energiemix haben.
Andererseits ist es marktwirtschaftlich nicht zu vertreten, bestimmte Akteure auf Dauer zu schützen. Deshalb müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit deren Hilfe Tech-nologien, die volkswirtschaftliche Ziele wie eine stärkere Umweltverträglichkeit gewährleis-ten, marktfähig werden. Eine Stärkung der dezentralen Energieversorgungsstruktur ist dabei nicht nur notwendig für eine bessere Zukunftsfähigkeit der Energiewirtschaft, sondern stellt auch für die kleineren Anbieter eine Chance dar.

Das aktuelle Angebot von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, dass die Kommunen selbst entscheiden sollen, ob in ihrem Gebiet auch für Tarifkunden die freie Wahl des Strom-lieferanten möglich ist, halten wir angesichts des schnellen Fortgangs der Liberalisierung für eine real nicht einsehbare Strategie. Die Kommunen werden sich nicht gegen den Wettbe-werb entscheiden können. Der Unmut der Bürgerinnen und Bürger wäre viel zu groß.

Den BürgerInnen kann die freie Wahl ihres Stromlieferanten nicht mehr vorenthalten werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen und wollen in Zukunft über das Angebot mit-entscheiden. Den Stadtwerken muss geholfen werden ohne das Rad der Geschichte zurück-zudrehen. Bündnis 90/DIE GRÜNEN lehnen deshalb den Vorschlag von Wirtschaftsminister Müller ab. Eine echte Hilfe für die Stadtwerke ist es, wenn man die Kraft-Wärme-Kopplung mit wettbewerbskonformen Instrumenten marktfähig macht.


Die Ziele bleiben, der Weg muss sich ändern

In der Monopolwirtschaft konnte der Staat, ob im Bund, Land oder in den Kommunen, den Unternehmen mehr oder weniger direkt den politischen Willen vorschreiben. Dies galt sowohl für die Entwicklung der Atomindustrie, die am Anfang von der Politik, nicht aber von den Stromkonzernen gewollt war, dies war aber auch möglich z. B. auf kommunaler Ebene mit kostendeckender Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energiequellen oder dem Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Um den Einfluss auszubauen, haben Bündnis 90/DIE GRÜNEN deshalb in der Vergangenheit auf eine "Rekommunalisierung der Energieversor-gung" gesetzt. Die direkte politische Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmen werden in einer Marktwirtschaft aber deutlich abnehmen. Wer jetzt Einfluss nehmen will, muss "ja" sa-gen zum Wettbewerb und Instrumente vorschlagen, die wettbewerbskonform sind. In Zukunft müssen die politischen Ziele, wie mehr Umweltverträglichkeit und dezentralere Energieer-zeugung, dadurch erreicht werden, dass sie sich rechnen. Um die energiepolitischen Ziele, u.a. eine größere Umweltverträglichkeit und eine stärkere Dezentralsisierung, zu erreichen geht es also nicht mehr um Rekommunalisierung, sondern um die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Steuerpolitik, beim Netzzugang und bei der direkten und indi-rekten Subventionspolitik.

Dabei wird es kein Wundermittel geben, sondern es bedarf vieler Maßnahmen, die sich zu einer zukunftsfähigen Energiepolitik vereinen müssen.
Wichtig ist, dass die (neuen) Instrumente auf ihre reale Wirksamkeit am Markt überprüft wer-den. Das Recht, im bestehenden EnWG die Durchleitung abzulehnen, wenn die Stromer-zeugung durch KWK gefährdet ist, wird und kann z. B. nicht praktiziert werden. Es war eine reine Beruhigungsmaßnahme, die weder den Stadtwerken noch der KWK irgendetwas nutzt. Einige Maßnahmen, die z. Zt. diskutiert werden, haben ähnlichen Placebo-Charakter. Benö-tigt werden wirkungsvolle Instrumente, die tatsächlich Auswirkungen auf die Marktsituation haben.

Zwar handelt sich es z. Zt. um eine Liberalisierung des Strommarktes, aber da die Wärme-produktion direkt und indirekt mitbetroffen ist, wird sie im nachfolgenden Text mitbehandelt.


Stärkung des Umweltschutzes

Der Weltenergieverbrauch wird sich in absehbarer Zeit verdoppeln. Unsere Energieversor-gung auf die Entwicklungsländer zu übertragen würde das Ökosystem Erde nicht mehr ver-kraften. Zudem sind die Ressourcen endlich. Wir müssen sparsam mit ihnen umgehen. Aus Gründen des Klimaschutzes dürfen die fossilen Energieresourcen ohnehin nicht aufge-braucht werden. Schritt für Schritt eine zukunftsfähige Energieversorgung aufzubauen, ist und bleibt eine große Verantwortung für die entwickelten Industrienationen.
Beschlossene Maßnahmen:

1. Mit dem 100.000-Dächer-Programm, dem weltweit größten Förderprogramm für Photo-voltaik, und der Verzehnfachung der Haushaltsmittel von 20 auf 200 Millionen jährlich für marktnahe erneuerbare Energien wie Solarthermie und Biomasse haben die Bun-desregierung und die Regierungsfraktionen vom ersten Tag an einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung dieser Branchen gesetzt.

2. Bei der ökologischen Steuerreform wurden im ersten Schritt die dezentrale, eigener-zeugte Kraft-Wärme-Kopplung bis 0,7 MW vollständig von Gas- und Strombesteuerung befreit und die Kraft-Wärme-Kopplung mit über 70 Prozent Jahresnutzungsgrad von der Mineralölsteuer. Ab der 2. Stufe soll die Benachteiligung beim Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung in hocheffizienten Kraftwerken beseitigt werden, indem Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) ab einem Wirkungsgrad von 55 Prozent von der Mine-ralölsteuer befreit werden. Damit gehören GuD-Anlagen zu den wirtschaftlichsten Tech-nolgien zur Stromerzeugung.


Notwendige weitere Maßnahmen:

3. Für die Erneuerbaren Energien ist das Stromeinspeisungsgesetz entscheidend. Es be-steht die Gefahr, dass bei weiterhin prozentualer Koplung durch die sinkenden Energie-preise die Einspeisevergütung so stark reduziert wird, dass das Betreiben der Anlagen nicht mehr rentabel ist. Schon jetzt stehen die Banken neuen Investitionen skeptisch ge-genüber. Notwendig ist eine Novellierung des Stromeinspeisungsgesetztes noch in diesem Jahr. Die Vergütungssätze für Erneuerbare Energien müssen stabilisiert und differenziert werden, um die Rentabilität der Anlagen zu gewährleisten, ohne dass es zu einer Überförderung kommt. Zudem muss das Gesetz eindeutig den EU-Anforderungen genügen (siehe auch ausführliches Positionspapier). Ein Novellierungsbedarf ergibt sich auch daraus, dass demnächst regional der 5-Prozent-Deckel für die Einspeisevergütung erreicht und dadurch der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien verhindert wird.

4. Dezentrale Stromerzeugung aus regenerativen Energien und Kraft-Wärme-Kopplung entlastet die Stromnetze. Es ist deshalb gerechtfertigt und wird in anderen Ländern auch so praktiziert, dass dezentrale, kleine Anlagen deutlich geringere Durchleitungsge-bühren zahlen als Großkraftwerke. Es geht dabei um mehrere Pfennig pro kWh. Dies ist für uns ein unabdingbares Kriterium für die Neuregelung des Netzzugangs, über die in diesem Jahr entschieden wird. Zusammen mit der Ökosteuerreform wird damit die de-zentrale Kraft-Wärme-Kopplung wettbewerbsfähig. Auch für die Entwicklung eines grü-nen Strommarktes ist diese Regelung ein wichtiger Impuls, da sie den grünen Strom-händlern hilft, mit ihrem Angebot in der Nähe der Durchschnittspreise zu bleiben. Zudem ist es eine Stärkung der Inlandsproduktion gegenüber dem Importstrom.

5. Für die Kraft-Wärme-Kopplung müssen weitere Rahmenbedingungen verbessert werden. Dazu gehört der Abbau adminiistrativer Hemmnisse genauso wie ein zügige Liberalisie-rung des Gasmarktes. Darüber hinaus ist eine Quote für für Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung sinnvoll, die dann beim Stromlieferanten oder -käufer anfällt. Nach EU-Recht muss zur Erfüllung der Quote auch Importstrom zugelassen werden. Es ist allerdings möglich, dieses auf diejenigen Länder zu beschränken, die auch eine Quote festgelegt haben und ein funktionierendes Zertifikatsmodell aufweisen können.

6. Während die GuD-Kraftwerke schon jetzt wettbewerbsfähig sind und die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung durchaus wirtschaftlich sein kann, wenn (s. o.) die Rahmenbedingun-gen stimmen, muss für die Fernwärme aus Kohlekraftwerken eine zusätzliche Unter-stützung gefunden werden, damit zumindest die bestehenden Investitionen gesichert sind. Wir brauchen ein Überbrückungsinvestitionsprogramm zur Umrüstung und Mo-dernisierung dieser Kraftwerke sowie der Fernwärmenetze. Dies betrifft allerdings nur ei-nige Stadtwerke insbesondere im Ruhrgebiet, in München und in Ostdeutschland.

7. Für die Entwicklung eines grünen Strommarktes ist es von großer Bedeutung, dass die regenerativen Energien mit Ausnahme der großen Wasserkraft bei der Umsetzung der nächsten Stufen der ökologischen Steuerreform von der Stromsteuer befreit werden. Damit würde der grüne Markt demnächst um 4 Pfg. pro kWh - z. Zt. 2 Pfg. - entlastet werden und hätte gute Chancen attraktive Preise anzubieten.

8. Für das Erreichen des Klimaschutzziels sind ferner rasche Fortschritte bei der Einspa-rung von Energie für Heizwärme und Warmwasser im Wohnungsbestand dringlich. Denn hier können kurz- bis mittelfristig und wirtschaftlich bis zu 50 Prozent Energie eingespart werden. Die anstehende Novellierung der Energiesparverordnung eröffnet die Chance, den Energieberdarf im Gebäudebestand nachhaltig zu senken. Mit der Einführung von Energiekennzahlen nicht nur im Neubaubereich sondern auch im Gebäudebereich wollen wir Marktanreize für sparsamen Energieverbrauch schaffen. Die konsequente Bewertung der einzelnen Energieträger und Heizungsarten nach der Primärenergieeffizienz muss er-reicht werden. Eine ungerechtfertigte Privilegierung von Strom (Nachtspeicherheizungen und Warmwassergeräte) muss verhindert werden. Die Energieeinsparung soll begleitet werden von verstärkten finanziellen Anreizen für die energetische Sanierung im Woh-nungsbestand.

9. Viele Einsparmaßnahmen rechnen sich und werden sich auch trotz sinkender Strom-preise rechnen, denn nach wie vor werden häufig große Einsparpotentiale nicht mobili-siert, weil Industrie, Handwerk und Energieverbraucher nicht über diese Potentiale infor-miert sind. Auch in Zukunft muss das Angebot Energieberatung im Markt attraktiv sein. Es ist zu prüfen, ob eine Umlagenfinanzierung möglich ist.

10. Weitere Maßnahmen sind: der Abbau administrativer Hemmnisse für Energiedienstleis-tungen, die Gründung einer Bundes-Energieagentur und ein Altbausanierungsprogramm.


Atomausstieg und Wettbewerb

AKW's sind riskant, gesundheitsgefährdend und ohne Subventionierung nicht in der Lage, im Wettbewerb zu bestehen. Sie haben viel zu lange Amortisationszeiten und gehen mit zu starken gesellschaftlichen und technischen Unsicherheiten einher. Andere Techniken, z. B. GuD-Kraftwerke, produzieren billiger Strom und bieten zudem die notwendige größere Flexi-bilität des Anbieters. Deshalb hat spätestens mit der Einführung von Marktwirtschaft auf dem Energiesektor der Ausstieg aus der Atomenergie begonnen. Neue AKW's sind auch von den Stromkonzernen auf absehbare Zeit nicht geplant. Es geht nur noch darum, wann die alten vom Netz gehen. Atomkraft ist in Deutschland eine Auslauftechnologie. Die Stromkon-zerne bieten im strategischen Kampf um Marktpositionen teilweise unter Produktionskosten an, um ihre Anlage auszulasten. Sie können sich dieses Vorgehen für eine begrenzte Zeit leisten, da die Kassen aus der Monopolzeit prall gefüllt sind. Auf der anderen Seite wird der Markt Druck darauf ausüben, die Überkapazitäten abzubauen. Das baldige Abschalten der ältesten AKW's würde die Spielräume für Neuinvestitionen in umweltfreundlichere und marktfähigere Techniken eröffnen. Der Atomausstieg eröffnet somit eine wirtschaftlich positi-ve Innovationsdynamik.
Ein erster Schritt zum Abbau von Subventionen in Höhe von 15 - 26 Milliarden DM hat die Bundesregierung mit der neuen Regelung zu den Atomrückstellungen erreicht.

 

Weiterentwicklung des Energiemarkts

1. Alle Akteure sollen eine faire Chance bekommen im neuen Energiemarkt. Ein finanziell fairer und unbürokratischer Zugang zum Stromnetz ist die Voraussetzung für eine hohe Wettbewerbsintensität. Die Verbändevereinbarung, die im September abgeschlossen werden soll, muss unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten überprüft werden. Wenn sie nicht einer gesetzlichen Regelung entspricht oder verschleppt wird, muss umgehend eine Verordnung erlassen werden. Zu den Kriterien gehört: Transpa-renz, keine höheren Preise im internationalen Vergleich, faire Zugangsbedingungen auch für kleine Unternehmen, niedrigere Durchleitungspreise für dezentral erzeugten Strom (da dies zur Kostenentlastung der Netze beiträgt und Strom aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung fördert) und Börsengängigkeit.

2. Konfliktfälle müssen schnell und zügig - unter Entlastung von Gerichten - lösbar sein. Ansonsten bleibt die Ablehnung oder Verzögerung des Netzzugangs ein Instrument der Netzbesitzer, um die Wettbewerbschancen des eigenen Unternehmens zu erhöhen. Da-her bedarf es schnell wirksamer Konfliktbeilegungsmechanismen und einer Wettbe-werbsbehörde.

3. Es ist bedauerlich, dass sich die Industrie nur für eine Strombörse mit Terminhandel (in Frankfurt) entschieden hat. Die Leipziger Strombörse möchte auch einen Spotmarkt an-bieten. Für die Erhöhung der Wettbewerbsintensität, insbesondere auch für kleine Unter-nehmen wie Stadtwerke oder grüne Stromhandelsfirmen, ist ein Spotmarkt, um günstig Spitzenlaststrom zu kaufen, von großer Bedeutung. Wir begrüßen deshalb die Entschei-dung der Leipziger Strombörse weiterzumachen und werden uns dafür einsetzen, dass es im Vergleich zu Frankfurt zu keiner Benachteiligung kommt. Zudem werden wir die Gründung einer grünen Strombörse unterstützen.


Schutz des Marktes vor Öko- und Sozialdumping

1. (Dumping-)Strom in großen Mengen aus Osteuropa ist aktuell noch kein Problem. Es fehlen den osteuropäischen Ländern sowohl die Stromerzeugungskapazitäten als auch die Leitungssysteme, um große Mengen Strom nach Europa zu transportieren. Es könnte aber schnell zu einer Frage werden, wie sich der europäische Markt insgesamt vor Öko- und Sozialdumping schützt. Dies muss im Interesse aller Länder auf europäischer Ebe-ne geklärt werden. Auf jeden Fall werden wir uns dafür einsetzen, dass bestimmte Min-deststandards bei der Stromerzeugung in der EU eingehalten werden müssen. Dies gilt sowohl für die Sicherheitsstandards der AKW´s als auch für die Umweltstandards bei den fossilen Kraftwerken. Bei den Verhandlungen mit den Kandidaten für einen EU-Beitritt ist dies zu berücksichtigen.

2. Nicht akzeptabel ist es, wenn Länder innerhalb der EU auf dem deutschen Markt anbie-ten oder sich auf den deutschen Markt einkaufen, aber selbst nicht ihren Markt öffnen. Dies ist vor allem bei Frankreich der Fall. Notwendig ist hier eine konzertierte Aktion aller deutschen Akteure der Energiewirtschaft mit der rot-grünen Bundesregierung, damit die EU-Kommission eine baldige Marktöffnung auch des französischen Energiemark-tes durchsetzt. Dann wird sich entscheiden, ob französischer Atomstrom tatsächlich ein Exportschlager ist. Es macht auf Dauer für Frankreich wenig Sinn, hoch subventionierten Strom zu exportieren.

 

Stadtwerke im Wettbewerb

Es ist nicht zu erwarten, dass alle Stadtwerke im Markt Probleme bekommen. Allerdings ist die Umstellung eine große Herausforderung, denn sie haben es mit Stromkonzernen als Konkurrenten mit großer Finanzkraft zu tun. Die Umstellung auf den Wettbewerb müssen die Stadtwerke aber vor allem selbst leisten. Sie tun es auch. Die Politik kann sie nur durch ent-sprechende Rahmenbedingungen bei diesem Prozess unterstützen.

Die Stadtwerke sind unterschiedlich gut auf dem Wettbewerb eingestellt, sie haben unter-schiedlich effiziente Strukturen. Während manche in der Vergangenheit großes Engagement mit beträchtlichen Erfolgen gezeigt haben, sind andere genauso strukturkonservativ wie die großen Stromkonzerne.

1. Die Situation der Stadtwerke ist sehr unterschiedlich. Für diejenigen Stadtwerke, die keinen oder keinen großen Anteil an Eigenstromerzeugung haben (und das ist die Mehrheit), bedeutet der Wettbewerb, dass auch sie die freie Wahl des Stromlieferanten haben und damit günstiger als bisher Strom einkaufen können. Insbesondere wenn sie, wie es schon geschieht, Einkaufsgemeinschaften bilden, können sie durchaus im Preisniveau konkurrieren. Die Ausbildung eines Spotmarktes würde sie zudem unterstüt-zen, da gerade kleine Unternehmen an der Strombörse günstig Spitzenlast- und Reser-vestrom kaufen könnten.

2. Dagegen stehen die Stadtwerke mit Eigenproduktion vor der Herausforderung, mit der Preisentwicklung auf dem Markt mitzuhalten. Da dies zum größten Teil Strom aus KWK-Anlagen ist, ist die beste Hilfestellung für diese Stadtwerke, wenn die Stromerzeugung aus KWK-Strom unterstützende Rahmenbedingungen findet (s.o.). Zudem wollen wir die Stadtwerke in die Rechte des Stromeinspeisungsgesetzes aufnehmen. Wenn die Stadtwerke und alle anderen Stromerzeuger Elektrizität aus erneuerbaren Energien er-zeugen, bekommen sie eine entsprechende Einpeisevergütung, damit ihr Engagement nicht bestraft wird. Auf Länderebene muss dafür gesorgt werden, dass die Gemeinde-verordnungen geändert werden, damit Stadtwerke auch ausserhalb ihres Gebietes Strom verkaufen können und damit auf die Konkurrenz im eigenen Gebiet reagieren kön-nen.

3. Die Chance der Stadtwerke liegt in ihrer Kundennähe und darin, dass sie nicht nur Strom verkaufen, sondern auch andere Leistungen. Hier ein optimal auf die spezifischen Kundenwünsche abgestimmtes, differenziertes Angebot zu machen ist der richtige Weg, ob es grüner Strom oder Energiedienstleistung ist oder Pakete von Strom, Gas und Wasserlieferung oder auch Vergünstigungen für Schwimmbäder für Stadtwerkekunden.

4. Die Stadtwerke sind per Verfassung verpflichtet zur Daseinsvorsorge. Das schließt die Versorgungssicherheit mit Strom ein. Die Kommunen haben in diesem Sinne gegen das EnWG geklagt. Wie der Prozess ausgeht, ist offen. Die Politik muss eine Lösung finden für diese Verpflichtung. Vorschläge, dass die Kommunen einen Garantielieferanten bestimmen sollen an den der Kunde, wenn er wechseln will, eine Gebühr zahlen muss, halten wir nicht für sinnvoll. Dieser Garantielieferant müsste von den Kommunen ausge-schrieben werden. Es nützt somit nicht automatisch den Stadtwerken. Zudem verursacht die Verpflichtung zur Garantie der Versorgungssicherheit keine Kosten. Deshalb ist eine Gebühr nicht zu rechtfertigen.


Einnahmen der Kommunen und Sicherung des ÖPNV

1. Für die Kommunen sind die Einnahmen aus der Energieversorgung ein notwendiger Be-standteil ihrer Haushalte. Infolge der Liberalisierung bestand die Gefahr, dass die Kon-zessionsabgaben stark sinken, da sich viele Kunden zu Sondervertragskunden zusam-mengeschlossen haben und damit nach der alten Regelung keine Konzessionsabgaben mehr zahlen müssen. Diese Einnahmen machen mindestens 50 % der Einnahmen aus dem Energiebereich für die Kommunen aus. Diese Gefahr hat das Wirtschaftsministeri-um mit der Überarbeitung der Konzessionsabgabenverordnung behoben. Die Einnah-men der Kommune aus den Konzessionsabgaben sind somit gesichert.

2. Zu erwarten ist indes, dass die Einnahmen aus den Gewinnen der Stadtwerke sinken werden. Wieviel die Stadtwerke an den Netzdurchleitungsgebühren verdienen werden, hängt von den zukünftigen Netzzugangsbedingungen ab. Auf jeden Fall werden die Margen aus dem Energieverkauf sinken. Das ist der Sinn des Wettbewerbs, stellt aber die Kommune vor die große Frage, wie in Zukunft vor allem der ÖPNV finanziert werden kann, da er von der Quersubventionierung profitiert hat. Hier besteht auch Verpflichtung des Bundes, eine Lösung zu finden. Die alte Bundesregierung hat für dieses Problem keinerlei Lösungsvorschläge gemacht. Die Bundestagfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN wird in den nächsten Wochen ein Eckpunktepapier vorlegen. Dazu wird die Fraktion ein Eckpunktepapier vorlegen.


Energiewettbewerb in Ostdeutschland verstärken

In Ostdeutschland ist bisher die VEAG mit der Braunkohle vor dem Wettbewerb durch eine Regelung im EnWG geschützt. Das geht zu Lasten der ostdeutschen Industrie, aber per-spektivisch auch zu Lasten der ostdeutschen Bürger. Zudem ist es eine deutlich ungerechte Behandlung der ostdeutschen Stadtwerke, die ebenso wie die VEAG große Neuinvestitionen tätigen mussten, aber keinen Schutzzaun haben. Es macht allerdings durchaus Sinn, auf-grund der Sondersituation Aufbau Ost die Neuinvestitionen noch für eine Übergangsphase etwas zu schützen, damit es nicht zu "stranded investment" kommt. Allerdings sollte dann eine bundesweite Braunkohlequote die "Lex Veag" ersetzen. Sie müsste alle Stromliefe-ranten bundesweit verpflichten, einen Anteil von 9,7 % des Stromes aus ostdeutschen Kraft-werken zu liefern. Die grünen Stromhändler sollten von dieser Verpflichtung ausgenommen werden. Die Quote muss zeitlich begrenzt werden und zeitnah enden. Diese Quote müsste mit der EU-Richtlinie möglich sein, da diese die Förderung heimischer Energieträger aus-drücklich erlaubt. Damit wäre das Ziel des rot-günen Koalitionsvertrags erreicht, dass es kei-nen gespaltenen Markt Ost- und Westdeutschland gibt und die Preise sich angleichen.


Nächste Schritte

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Fraktionen der Regierungskoalition in kürzester Zeit im Bundestag einen Antrag vorlegen, der das Energiewirtschaftsrecht in diesem Sinne reformiert. Dazu gehören als zentrale Punkte
· die Novellierung des Stromeinspeisegesetzes
· die Regelung des Netzzugangs und der Durchleitung
· verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen für die KWK