Antrag an die BDK 23./24.6.2000

AntragstellerInnen: Uli Cremer u.a.

Einrichtung einer Grünen Untersuchungskommission zum NATO-Krieg

Die BDK beschließt die Einrichtung einer Untersuchungskommission zum NATO-Krieg. Aufgabe der Kommission ist es, die Rolle und Verantwortlichkeit deutscher Regierungsmitglieder, soweit sie Mitglied bei BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN sind, bei eventuellen Legendenbildungen im Vorfeld und während des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien zu klären. Dazu arbeitet sie Dokumente auf und bewertet sie. Sie kann ExpertInnen (z.B. OSZE-Beobachter, FriedensforscherInnen etc.), aber auch GRÜNE Regierungsmitglieder zu den Sitzungen / Anhörungen einladen, um deren Sicht der Dinge kennenzulernen.

Die Kommission greift folgende Themenkomplexe auf:
1. Racak
2. Hufeisenplan
3. "Zigarrenlegende" / "15-Minuten-Lüge"

Die Kommission wird aus je 4 Mitgliedern des Fachbereichs Außenpolitik und der Bundestagsfraktion (Abgeordnete bzw. MitarbeiterInnen) zusammengesetzt. Die Mitglieder werden von den beiden Gremien selbst bestimmt.

Die Kommission legt bis zum 24.3.2001, dem 2.Jahrestag des Beginns der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien, einen Abschlussbericht mit Empfehlungen vor. Kann sich die Kommission nicht auf eine einheitliche Position verständigen, werden Minderheitsvoten zugelassen. Der Bericht wird elektronisch übers Internet zugänglich gemacht und als Broschüre in einer Auflage von mindestens 3.000 Stück veröffentlicht. Er muß der Partei auf allen Ebenen zugänglich sein.

Für ihre Treffen (Fahrtkosten), Kontakte (Kommunikationskosten) sowie eventuell notwendige Anhörungen wird die Kommission angemessen finanziell ausgestattet. Für den Druck des Abschlussberichts wird ein entsprechender Betrag im Haushalt 2001 eingestellt.

 

Begründung:

Vor einem Jahr haben wir innerhalb der GRÜNEN Partei heftige Auseinandersetzungen über die Unterstützung des NATO-Angriffs in Jugoslawien geführt. Die Mehrheit der Bundestagsfraktion und später auch die der Partei traten für die Kriegsbeteiligung ein.

Bereits während des Krieges bzw. seiner Vorbereitung, aber auch in den letzten Wochen und Monaten sind zahlreiche Verdachtsmomente aufgetaucht, die vermuten lassen, dass der NATO-Krieg mittels verschiedener Unwahrheiten ideologisch vorbereitet bzw. begleitet wurde. Die Kommission soll diese Verdachtsmomente sowie die Rolle GRÜNER Regierungsmitglieder bei einer eventuellen Verbreitung von Unwahrheiten und Unterdrückung von Informationen untersuchen.

Bei jedem Versuch, friedenspolitische Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, werden GRÜNE über den Krieg und seine Folgen stolpern. Ohne Aufarbeiten der Geschichte des Krieges sowie seiner Vorbereitung und der eigenen Rolle dabei können weder die GRÜNE Partei noch die GRÜNE Bundestagsfraktion sich wieder glaubwürdig für Friedenspolitik einsetzen.

Deswegen müssen wir versuchen, die Wahrheit um die Vorgänge im Vorfeld des Nato-Angriffs zu ergründen und dazu exemplarisch die drei folgenden Themenkomplexe aufarbeiten:

1) Racak
Die Ereignisse in Racak Januar 1999 waren ein entscheidender Eckstein bei der Rechtfertigung des Krieges. Hier geht es um die Klärung der Frage, ob es sich um ein Massaker an Zivilisten handelte oder ob die Toten Opfer von Kampfhandlungen zwischen serbischer Polizei und UCK waren. Auch die Frage, wo die Menschen getötet wurden (in Racak selbst oder an verschiedenen anderen Orten und dann später zusammengetragen wurden), ist zu beleuchten. Bekanntlich wurden die Leichen der Opfer von einem finnischen Team untersucht. Es gibt die Aussage der Teamchefin Helen Ranta: "Es gab Druck von verschiedenen Seiten... Grundsätzlich habe ich in der Racak-Zeit meine Instruktionen vom deutschen Außenministerium bekommen." (Jungle World 18.8.99) Dem sich hieraus ergebenden Verdacht, dass das Außenministerium versucht habe, die Untersuchungsergebnisse zu beeinflussen und die Veröffentlichung zu verhindern, muß nachgegangen werden, um ihn entweder zu bestätigen oder zu entkräften. Inzwischen ist der Untersuchungsbericht von der "Berliner Zeitung" sowie "Konkret" eingesehen worden, so dass sich die Informationsgrundlage verbessert hat.

2) Hufeisenplan
Bezüglich des sog. Hufeisenplans haben sich Verdachsmomente erhärtet, dass der Plan nicht in Belgrad, sondern in Bonn geschrieben wurde (Vergl. Bericht PANORAMA v.18.5.00) Solange der Plan nicht veröffentlicht wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine Fälschung zur Legitimation des NATO-Angriffs handelt. Hier müssen Fragen an GRÜNEN-Mitglied Fischer gestellt und geklärt werden: Welches Material hat er aus welcher Quelle erhalten? Was hat er an Scharping weitergegeben? Welche Belege hat er für eine serbische Urheberschaft des Dokuments?

3) 15-Minuten-Lüge?
Gibt es eine "15-Minuten-Lüge"? Von Joschka Fischer ist ausgesagt worden, dass die Entscheidung zur Kriegsbeteiligung Deutschland (Grundsatzentscheidung der NATO zur Androhung von Luftangriffen, gipfelnd im sog. Activation-Befehl der NATO) erst am 12. Oktober 1998 in Bonn fiel. Auf dem Wege zum Kanzleramt hätten Schröder und er für die folgenschwere Entscheidung gerade 15 Minuten Zeit gehabt. Da der wesentliche NATO-Beschluß auf Botschafter-Ebene bereits 3 Tage vorher fiel, liegt jedoch der Schluss nahe, dass Schröder und Fischer bereits bei ihrem Besuch in Washington am 9.10.98 die deutsche Unterstützung zugesagt haben (vergleiche hierzu auch M. Küntzel: Der Weg in den Krieg, Berlin 2000, S. 131f.). Die Frage, wann wer zugestimmt hat, ist kein unwichtiges Detail, denn es geht um die deutsche Rolle bei der Vorbereitung des NATO-Krieges: Hat die deutsche Regierung den Krieg aktiv mit herbeigeführt oder ist sie von anderen Ländern zum Mitmachen gezwungen worden?

UnterstützerInnen:
Uli Cremer (KV Hamburg-Eimsbüttel)
Ursula Hertel-Lenz (KV Berlin-Steglitz)
Sylvia Kotting-Uhl (KV Odenwald-Kraichgau)
Ralf Henze (KV Mannheim)
Barbara Häusling (KV Hagen)
Robert Fuß (KV Rhein-Sieg)
Frank Miething (KV Berlin-Charlottenburg)
Sven Metzger (KV Berlin-Kreuzberg)
Nicole Bartsch (KV Mannheim)
Kai Peter Amos (KV Donnersberg)
Christian Schultz (KV Hamburg-Altona)
Jörg Rupp (KV Ettlingen)
Wolf Buchmann (KV Trier-Saarburg)
Hans Langlotz (KV Hamburg-Eimsbüttel)
Peter Wahl (KV-Bonn)
Wolfgang Neskovic (KV Lübeck)
Markus Krajweski (KV Hamburg-Eimsbüttel)
Rolf Bräuer (KV Peine)
Rudolf Hansen (KV Heinsberg)
Markus Ganserer (KV Regen)
Nils Lessing (KV Mettmann)
Sabine Freitag (KV Hannover-Land)
Rudolf Ladwig (KV-Hagen)
Elvira Zellner (kV Tiergarten Berlin)
Jens Pühn (KV Göttingen)
Jakob Klein (KV Wuppertal)
Kurt Haymann (KV München-Nord)
Andreas Knoblauch (KV Salzgitter)
Georg Clasbrummel (KV Lippe)
Josha Frey (KV Lörrach)
Bernd Parusel (KV Berlin-Wilmersdorf)
Krystyna Grendus (KV Odenwald-Kraichgau)
Harald Grendus (KV Odenwald-Kraichgau)
KV Berlin-Spandau