Geschlechter- und Generationengerechtigkeit sind der Kern bündnisgrüner Politik

Vorschläge zur Umsetzung in Regierungsverantwortung

Bündnis90/ Die Grünen wurden bisher in puncto Frauenpolitik die höchste Kompetenz zugeschrieben. Mit ihren gesetzgeberischen Vorschlägen wie mit ihrer eigenen parteiinternen Praxis der Quotierung haben sie das gesellschaftliche Klima und die realen Bedingungen für Frauen entscheidend im Interesse von Frauen mitgeprägt.
So waren die Grünen die erste Partei, die ein Antidiskriminierugnsgesetz (ADG) für die Bundesrepublik erarbeitet hat, das die Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Frauen verbieten und ihre gleichrangige Beteiligung an allen gesellschaftlichen Belangen sichern sollte.
Es gilt, diese Kompetenz nicht aufs Spiel zu setzen. Ein umfassender frauenpolitischer Ansatz ist notwendiger denn je - auch wenn dabei innerparteilich leider nicht mehr so viel Lorbeeren und Blumentöpfe zu gewinnen sind.
Gesellschaftlich sind wir leider immer noch von einer Gleichbehandlung/ Gleichbeteiligung entfernt. Diskriminierung von Frauen ist immer noch ein ‚Querschnittsproblem', das in allen Poilitikfeldern Beachtung finden muß. Und es ist ein Problem mit Zukunft, da gerade auch junge Frauen hiervon betroffen sind: trotz besserer Schulabschlüsse haben sie immer noch schlechtere Chancen in Ausbildung und Beruf.

Mit der Ankündigung, die Gleichstellung von Frauen und Männern wieder zu einem großen gesellschaftlichen Reformprojekt zu machen, hat sich die rot /grüne Bundesregierung ein anspruchsvolles Ziel gesetzt. Die im Koalitionsvertrag verabredeten Reformen finden unsere volle Unterstützung. Ein Teil der in den vergangenen 1 1/2 Jahren auf den Weg gebrachten Entscheidungen - wie der Nationale Aktionsplan gegen Gewalt oder die Reform des Gleichstellungsgesetzes für die Bundesverwaltungen - kann sich sehen lassen. Mit Sorge betrachten wir allerdings, daß viele der zwischen Bündnis 90 / DIE GRÜNEN und SPD im Koalitionsvertrag gemachten Verabredungen sich in den vergangenen Monaten in vage Absichtserklärungen, in Prüf- und Berichtsaufträge verwandelt haben.

Bündnis 90/ Die Grünen stehen in der Pflicht, bei allen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorhaben die besonderen Bedarfe von Frauen in den Mittelpunkt staatlichen Handelns zu stellen.
Grundlage der angekündigten und notwendigen Reformen muß dabei ein grundsätzlich veränderter Ansatz sein: ein grundlegend anderes Verständnis von Erwerbs-, Familien- und Erziehungsarbeit. Die zunehmende Erosion des männlichen Normalarbeitsverhältnisses ist auch eine Chance für eine gerechtere Verteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern.
Der Handlungsbedarf ist offensichtlich, in allen Politikbereichen: z. B. beim Bündnis für Arbeit, das einen geschlechterdemokratischen Anspruch bisher komplett vermissen läßt, beim Arbeitszeitgesetz, das nach wie vor die 60-Stunden-Woche ermöglicht, beim versprochenen verbindlichen Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das schon lange auf sich warten läßt, obwohl hier doch die Vorarbeiten bereits vor der Koalition weit gediehen waren.

Auch bei der Arbeitsförderung wurde viel im Koalitionsvertrag versprochen: eine "gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der aktiven Arbeitsförderung", mit Maßnahmen, die " wieder der Lebenssituation von Frauen gerecht (werden) und die frauendiskriminierenden Festlegungen im Abeitsförderungsrecht korrigieren". Frauen sollten " zukünftig bei den Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen berücksichtigt" werden
Obwohl diese Versprechen durchaus praktikabel waren, fehlt bis heute die Umsetzung.

Versprochen hatte auch die Wirtschaft einiges: 16.000 zusätzliche Ausbildungsplätze im Juli 1998 . Damit war für alle Sozialpartner klar, dass gesetzgeberische Maßnahmen wie die Umlagefinanzierung vom Tisch waren, daß das Bündnis für Arbeit ein voller Erfolg schien! Nun sind die Zahlen für 1999 da: statt zusätzlicher Ausbildungsplätze ein Minus von ca. 10.000 Ausbildungsplätzen auf dem ersten Markt gegenüber ‚98! Allein das Jugendsofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit hat die kleinen statistischen Erfolge gesichert. Der politische Wille, die Zukunftssperpektiven für junge Menschen strukturell und damit nachhaltig zu verbessern, ist im Bündnis nicht erkennbar.

Das Kernprojekt Grüner Frauenpolitik -die gleiche Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit auf Frauen und Männer- braucht eine Entsprechung auch in rentenpolitischen Konzepten. Davon ist in der bisherigen Diskussion geschweige denn im Regierungshandeln wenig zu sehen; die jetzt angekündigten Reformen gehen am Kern vorbei und können von daher nicht wirksam sein.

In allen aufgeführten Bereichen gibt es konkrete Konzepte, von Landes- wie BundespolitikerInnen erarbeitet Allein es fehlt an der politischen Umsetzung!
I. 13 Berufe für Frauen sind zu wenige!

Das Programm JUMP für mehr Ausbildungsplätze für Jugendliche war und ist sicher lobenswert. Aber Notprogramme können kein Heilmittel gegen die strukturelle Ausbildungsmisere sein. Sie haben überdies Nachteile wie plötzliche Mittelvergabe unter Zeitdruck, fehlende Planungssicherheit und damit Investitions- und Innovationshemmnisse für die Träger.

Für Bündnis 90/ Die Grünen gilt: Erste Priorität im Regierungshandeln muß sein, den jungen Menschen allerspätestens nach halbjähriger Erwerbslosigkeit eine Perspektive zu bieten. Darüber hinaus müssen die Bedarfe von Zielgruppen, so z.B. jungen alleinerziehenden Müttern, erkannt und hierfür entsprechende Maßnahmen entwickelt werden. 50.000 junge von Sozialhilfe lebende Frauen haben als Erwerbsarbeitssuchende den Status ‚häuslich gebunden' - gegenüber 500 Männern. Strukturelle Unterstützung wie eine bedarfsdeckende Kinderbetreuung ist hier nötig.

Um wirklich "benachteiligte" Jugendliche zu erreichen, müssen Entwicklungspläne maßgeschneidert sein. Denn egal welches Förderprogramm: die wirklich benachteiligten Jugendlichen werden nach wie vor nicht vermittelt und fallen auch beim Sofortprogramm wieder durch!

Junge Frauen machen die besseren Schulabschlüsse, die besseren Examina. Doch dann schrumpft die Auswahl der Ausbildungsberuf für sie auf ganze dreizehn. Haben sie einen Job, verdienen sie nach wie vor weniger als ihre männlichen Kollegen.
Besonderer Handlungsbedarf besteht im Bereich der schulischen Erstausbildung, wo die Voraussetzung für die Ausbildungs- und Berufswahl liegt. Landes- und BundespolitikerInnen müssen sich zusammenfinden, um die Anforderungen an die Schulpolitik wie an die betriebliche Ausbildung weiterzuentwickeln. Wichtiges Ziel ist hierbei, die Berufspalette für die jungen Frauen zu erweitern. Bei staatlichen Förderprogrammen muß darauf geachtet werden, daß Frauen überall entsprechend ihrem Anteil an Erwerbslosigkeit vertreten sind.

"Runde Tische" für die Vermittlung junger Frauen sind wichtig. Analog sollte für die verstärkte Förderung junger Migrantinnen vorgegangen werden. Neben der quantitativen Beteiligung von jungen Frauen muß auch eine qualitative Förderung erfolgen, z.B. gezielt in zukunftsfähigen, männlich dominierten Bereichen wie der Informationstechnologiebereich.

In den neuen Bundesländern fehlen besonders für junge Frauen Ausbildungsplätze im Dienstleistungssektor, dem Bereich mit sehr guten Jobaussichten. Dabei muß auch der Übergang von der Ausbildung zur Erwerbstätigkeit sichergestellt werden. Frauen dürfen nicht in "Männerberufen" häufiger von Erwerbslosigkeit bedroht sein als in "Frauenberufen".

Alle arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Veränderungen müssen den Zukunftsperspektiven junger Menschen höchste Priorität einräumen. So sind Altersteilzeitmodelle zu entwickeln, die an BerufsanfängerInnenteilzeit gekoppelt sind. Sabbathjahre bspw. sollten jungen Menschen zugute kommen, die als Vertretung erste Berufserfahrungen sammeln können. Teilzeitmodelle kommen dem Wunsch vieler auch junger Frauen entgegen, verschiedene Lebensbereiche der bezahlten und unbezahlten Arbeit leben zu können; Männer sollten gezielt motiviert werden, eine entsprechende Vielfalt in ihrem Leben zu entwickeln. Der öffentliche Dienst muß bei all diesen Möglichkeiten eine Vorreiterrolle übernehmen.

II. Arbeitsförderung muß Frauenförderung sein

Zentrale Bedeutung für die Situation von Frauen hat das Arbeitsförderungsrecht: ob als Berufsrückkehrerin, Weiterbildungssuchende wie Teilnehmerin an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - überall sind sie mit dem Gesetz konfrontiert, das sie in vielen Bereichen diskriminiert. Deshalb ist die von der rot/grünen Bundesregierung geplante Reform des Arbeitsförderungsrechts (Sozialgesetzbuch III) auch ein zentrales frauenpolitisches Vorhaben.

Die im SGB III verankerte Frauenförderung muß verbindlich geregelt werden.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, daß weiche Sollvorschriften nicht ausreichen. Frauen sind zukünftig mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen an allen Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik zu beteiligen. Zur Unterstützung sind die Kompetenzen der Frauenbeauftragten in den Arbeitsämtern zu stärken.
Die Förderung von Personen mit Familienpflichten ist nicht automatisch unter Frauenförderung zu subsumieren und deshalb als eigenständiges Kapitel zu verankern.
Es muß sichergestellt werden, daß der zu erwartende Eingliederungserfolg in den sog. 1. Arbeitsmarkt nicht alleiniges Qualitätskriterium ist; denn dieses führt zu einer geringeren Beteiligung von Frauen an den verschiedenen Instrumenten der Arbeitsförderung. Auch die soziale Integration, die Herstellung und der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit ist als Erfolg anzusehen!

Erziehungspflichten sind als Beitragszeiten anzuerkennen.

Die gilt für Zeiten von Mutterschaftsurlaubs, den Bezug von Erziehungsgeld, die Erziehung von Kindern und Pflege, wenn damit eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen wurde. Daß der zehnmonatige Wehrdienst für den Erwerb einer Anwartschaft als ausreichend angesehen wird, Erziehungsarbeit jedoch nicht, ist eine offensichtliche Diskriminierung.
Auch Zeiten der beruflichen Weiterbildung (mit Unterhaltszahlungen) müssen mit versicherungspflichtigen Zeiten gleichgestellt und als Anwartschaftszeiten anerkannt werden. Nur so steht Berufsrückkehrerinnen der Leistungsbezug oder die Möglichkeit einer Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Anschluß offen.
Die von der alten Bundesregierung abgeschaffte Möglichkeit des gleichzeitigen anrechnungsfreien Bezugs von Arbeitslosenhilfe und Erziehungsgeld muß für bedürftige Leistungsbezieherinnen mit Kindererziehungspflichten wiederhergestellt werden.

Der Zugang zu aktiver Arbeitsförderung muß für Frauen verbessert werden.

Dies gilt für Frauen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben wegen Einkommens der/des PartnerIn, Berufsrückkehrerinnen und erwerbslose Sozialhilfeempfängerinnen. NichtleistungsempfängerInnen muß der Zugang zu allen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten generell ermöglicht werden.

Der Berufs- und Qualifikationsschutz und damit der Einkommensschutz muß wiederhergestellt werden.

Die alte Bundesregierung hatte diesen abgeschafft, was besonders Frauen auf der "Qualifikationsrutsche" nach unten befördert. Damit geraten sie durch ihr insgesamt niedrigeres Lohnniveaus in die ergänzende Sozialhilfe.
Die im SGB III festgelegte untertarifliche Bezahlung führt besonders bei Frauen zu nicht mehr existenzsichernden Löhnen - verschärft in Ostdeutschland durch die tarifliche Absenkung. Deshalb muß die ortsübliche, an Tarifen orientiere Entlohnung auf dem sogenannten 2. Arbeitsmarkt wiederhergestellt werden.


III. Wir wollen amerikanische Verhältnisse:
Mindestens 35 Prozent Frauen in Führungspositionen

Verbindliche Frauenförderung war in den USA das Sesam-öffne-dich, die Erfolgsstory: In den letzten 35 Jahren haben die USA durch verbindliche Frauen-förderungsmaßnahmen den weiblichen Anteil in den Managementetagen auf über 35 Prozent steigern können. Die Realität in Deutschland: Noch immer verdienen Frauen ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. Sie besetzen nur 3,5 Prozent der Führungspositionen und gerade mal 5 Prozent der C4-Professuren. Dagegen sind sie bei den Erwerbslosen Spitzenreiterinnen: im Osten ist der Prozentsatz sogar 22 Prozent höher als der der Männer. Ein Kurswechsel ist in Deutschland längst überfällig. Daher haben sich SPD und Grüne im Koalitionsvertrag darüber verständigt, "verbindliche Regelungen zur Frauenförderung einzuführen, die auch in der Privatwirtschaft Anwendung finden müssen".

Deshalb brauchen wir dringend ein verbindliches Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft.

Nur die cleveren Unternehmen in Deutschland haben verstanden, dass Frauenförderung keine Repression ist, sondern ein wichtiger Baustein erfolgreichen Personalmanagements. Durch die Vergabe öffentlicher Aufträge kann der Staat ein Anreizsystem schaffen: Unternehmen erhalten bevorzugt öffentliche Aufträge, wenn sie Frauen fördernde Maßnahmen durchführen.
Ein entsprechendes Bundesgesetz hat die alte Bundesregierung mit dem Argument verhindert, es dürften keine vergabefremden Kriterien gelten. Dabei gibt es seit langem Gesetze, die beispielsweise Vertriebene und Spätaussiedler bei der Auftragsvergabe bevorzugen. Selbst der Europäische Gerichtshof hat bestätigt: soziale Kriterien sind bei der öffentliche Auftragsvergabe zulässig.
Bündnis 90/Die Grünen meinen: Wir brauchen in Deutschland ein umfassendes Gleichberechtigunggesetz mit verbindlichen Vorgaben für Gleichstellungspläne ab einer bestimmten Betriebsgröße, wirksamen Rechten für die Gleichstellungsbeauftragte und effektiven Sanktionen gegen Diskriminierungen der Arbeitgeber. Und: Der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit", auch für kollektive Vereinbarungen, muss endlich angewendet werden. Nur so können wir die Lohndiskriminierung von Frauen tatsächlich beenden.

Von der rot/grünen Bundesregierung erwarten wir eine bessere Ausgestaltung des individuellen Diskriminierungsverbotes.

Auch hier gehen die USA mit gutem Beispiel voran. Ein Verbandsklagerecht für Frauenverbände und Gewerkschaften muß den betroffenen Frauen die nötige Unterstützung bieten. Nicht zuletzt muss der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für Frauen wie für Männer umgesetzt werden. Nur so können Frauen und Männer gemeinsam die Erziehung ihrer Kinder und damit langfristig die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse gerechter gestalten.



IV. Wir wollen Gerechtigkeit -
bei bezahlter und unbezahlter Arbeit wie bei der Rente

Grüne Frauenpolitik setzt Impulse zur Verteilung auch der unbezahlten Arbeit auf Frauen und Männer, auch durch eine Rentenreform.
Solange Kindererziehungszeiten unzureichend für zu erwerbende Rentenansprüche angerechnet werden, Teilzeitarbeit mit anteiligen Verlusten von Ansprüchen einhergehen, wird sich an der Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nichts ändern.

Die Rente braucht eine Rundumerneuerung.

Nur in Zeiten zumindest männlicher Vollbeschäftigung galt die Rente als stabil durch die Verknüpfung von Erwerbsarbeit und Rentenansprüchen. In Zeiten hoher - auch männlicher - Erwerbslosigkeit bröckelt dieses System zunehmend.
Dazu verändert sich die Struktur unserer Gesellschaft: Die Menschen leben insgesamt länger, und es werden weniger Kinder geboren. Wenige junge Menschen werden in Zukunft viele RentnerInnen ernähren müssen. Eine Rentenreform muss darum diese 3 Aspekte berücksichtigen: Geschlechtergerechtigkeit, unstete Erwerbsverläufe und Generationengerechtigkeit, sonst wird sie nicht tragfähig sein.

Die bedarfsorientierte Grundrente muss Armut im Alter verhindern.

Lebensbiographien von Frauen beinhalten nach wie vor eine Konzentration unbezahlter Arbeit, die nicht oder zu gering durch Rentenansprüche anerkannt wird. Die Folge eines Lebens mit viel ehrenamtlichem Engagement und Erziehungszeiten ist oftmals ein Altersleben unter dem Existenzminimum. Das wollen wir durch die Aufstockung geringer Rentenansprüche auf eine in der Höhe noch zu bestimmende Grundrente verändern. Deren Niveau muß deutlich über der jetzt geltenden Sozialhilfe liegen; Sozialhilfe ist eine Überbrückung zwischen Erwerbszeiten, die Grundrente dagegen der Lebensgrundstein für das Alter ohne Erwerbsarbeit.
Die von der SPD geplante Aufstockung geringer Rentenansprüchen auf das Sozialhilfeniveau verhindert Armut im Alter nicht. Sie ist lediglich der Wegfall einer zusätzlichen bürokratischen Hürde für RentnerInnen. Eine Grundrente muß sich am tatsächlichen rechnerischen Existenzminimum plus einem zusätzlichen Betrag ausrichten, um ein würdiges Leben im Alter zu sichern.

Die Anerkennung berechtigungsfremder Leistungen wie Erziehungs- und Pflegearbeit und Ehrenamt ist dringend notwendig.

Damit wird man zumindest ansatzweise den unterschiedlichen Lebensbedingungen von Frauen und Männern gerecht wird.
Langfristiges Ziel soll der Erwerb eines eigenen Rentenanspruchs von Frauen sein. Die jetzige Hinterbliebenenversorgung beschränkt sich weitgehend auf Ehefrauen.

Wir wollen die Aufstockung anteiliger Rentenansprüche auf das Durchschnittsniveau,

Bündnisgrüne Beschäftigungspolitik setzt nicht nur auf eine deutlichen Arbeitszeitverkürzung, sondern auch auf die Steigerung der Attraktivität von Teilzeitarbeit. Dies verstärkt die Bereitschaft, Teilzeitarbeit zeitweise zugunsten von Vollzeitarbeit zu wählen.
Die Aufstockung soll durch eine Erhöhung des Bundeszuschusses finanziert werden.
Die Angst der Alten wie die Angst der Jungen müssen wir ernst nehmen.

Die Politik der Bundesregierung setzt im Augenblick auf viel Leistung bei stabilen Beiträgen.
Die jetzt in Kraft getretene reale Kürzung durch ledigliche Anpassung auf das Inflationsniveau soll nur vorübergehend gelten. Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Generationen muss mit neuen Konzepten angegangen werden, wollen wir nicht die jetzige Generation der Erwerbstätigen doppelt und dreifach belasten.

Ein grundsätzlich anderer Weg, die Renten zu finanzieren, ist die Umstellung des ArbeitgeberInnenanteils auf die Wertschöpfung. Gerade arbeitskraftintensive Betriebe werden dabei entlastet, hoch technisierte Bereiche entsprechend mehr belastet, ohne innovationshemmend zu sein. Die Prüfung der Wertschöpfungsabgabe wurde zwar im Koalitionsvertrag angekündigt, wird aber zur Zeit nicht mehr diskutiert geschweige denn umgesetzt.

Wir stehen in der Pflicht

Wenn Bündnis90/Die Grünen ihren Anspruch, Geschlechter- und Generationengerechtigkeit auf den Weg zu bringen, umsetzen wollen, so müssen sie in allen Politikbereichen tätig werden. Wir haben uns hier auf die wesentlichen, zur Zeit dringlichsten Bereiche beschränkt. Die skizzierten Vorschläge für die Bereiche Arbeitsmarkt-, Jugend- und Rentenpolitiker sind bereits ausgearbeitet, mehrheitsfähig und in ihren Grundsätzen mit der SPD im Rahmen des Koalitionsvertrages ausgehandelt. Sie sind realisierbar, jetzt, in dieser Legislaturperiode.
Es gilt, den skizzierten Paradigmenwechsel jetzt einzuleiten- und zwar aus unserer veränderten Rolle in der Regierungsverantwortung. Dies heißt beispielsweise im Bündnis für Arbeit: die ModeratorInnenrolle annehmen und gleichzeitig Sprachrohr zu sein für ausgegrenzte Betroffenengruppen wier die Erwerbslosen.
Die Geschlechter- und Generationengerechtigkeit ist kein Projekt, das sich in einer einzigen Legislaturperiode verwirklichen läßt. Aber es gilt, an Hand der vorhandenen Konzepte die ersten Schritte umzusetzen. Dabei ist es unerläßlich, gerade die Perspektiven von jungen Menschen im Auge zu haben.
Die Regierung und insbesondere Bündnis90/Die Grünen stehen somit in der Pflicht - gegenüber den eigenen Mitgliedern, den WählerInnen wie gegenüber der Gesellschaft. Denn ohne Geschlechter- und Generationengerechtigkeit ist unsere Gesellschaft nicht zukunftsfähig.


Angelika Albrecht, Frauenpolitische Sprecherin des Bundesvorstands, B 90/GRÜNE; Angelika Birk, Ministerin für Frauen und Wohnungsbau, Schleswig-Holstein, Swantje Helbing, Bündnis90/GRÜNE; Hiltrud Hofmann, Landesvorstansmitglied Hessen, Präsidium des Bundesfrauenrates, Sibyll Klotz, MdA B 90/GRÜNE Berlin;
Anja Kofbinger, Frauenpolitische Sprecherin Landesvorstand Berlin, B 90/GRÜNE; Regina Michalik, Landesvorstandssprecherin Berlin, B 90/GRÜNE; Bärbl Mielich, Sprecherin der BAG Arbeit, Soziales und Gesundheit; Kerstin Müller, Sprecherin der BT-Fraktion, Claudia Neusüß, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung. Ruth Paulig, Fraktionssprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im bayrischen Landtag, Lisa Paus, MdA Bündnis90/GRÜNE Berlin; Martina Schmiedhofer, Stadträtin für Soziales und Gesundheit, Berlin-Wilmersdorf, B 90/GRÜNE; Elisabeth Schroedter, MdEP, Petra Streit, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung