Antrag für die BDK am 13.5.99 in Bielefeld


Die NATO-Luftangriffe sofort und endgültig beenden!

Wir verurteilen entschieden den brutalen ethnischen Vertreibungskrieg, den jugoslawische Truppen und Paramilitärs gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo führen. Menschenrechtsverletzungen sind keine "innere Angelegenheit" eines Staates, sondern wir alle müssen ihnen, gleich wo sie stattfinden, mit Entschiedenheit entgegentreten und zu ihrer Bekämpfung alle zivilen Mittel einsetzen, die der internationalen Völkergemeinschaft zur Verfügung stehen bzw. von ihr entwickelt werden müssen. Gleichzeitig gilt es, die Ansätze demokratischer Kultur und Gegenmobilisierung im Lande zu stärken, mit gezielten Anreizen auch ökonomischer Natur auf eine Veränderung der Politik hinzuwirken.

Dies erscheint uns allen bitter wenig, obwohl es schon weit über die jetzige Politik z.B. gegenüber der Türkei in Bezug auf ihre Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan hinausgeht. Die Wirkung ist viel zu langsam angesichts politischer Verbrechen, Mord und Vergewaltigung, Geiselnahme der Zivilbevölkerung und ethnischer Vertreibung. Aber gibt es dazu wirklich eine Alternative? Die Gleichung, die militärische Mittel mit "druckvoller Konfliktlösung" und die Ablehnung von Militärintervention mit "hilfloser Ohnmacht" gleichsetzt, geht in der Realität nicht auf: Zum einen legen diejenigen, die Militärinterventionen ablehnen, nicht die Hände in den Schoß, zum anderen zeigt sich gerade an dem Militäreinsatz gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, wie ohnmächtig militärische Mittel gegen Menschenrechtsverletzungen sind. Viele in den Grünen waren von Beginn des NATO-Einsatzes an dieser Auffassung, während andere anfangs glaubten, mit Bombardements von kurzer Dauer Milosevic zum Einlenken bringen zu können.

Die Bilanz nach sechs Wochen Bombenkrieg ist hingegen mehr als ernüchternd:
- Die zivilen Opfer der Luftangriffe werden immer zahlreicher und die ökologischen und mate-riel-len Schäden haben ungeheure Ausmaße angenommen. Die Grundlagen für ein ziviles multi-ethni-sches Zusammenleben in der Zukunft werden täglich schwieriger.
- Die humanitäre Katastrophe konnte nicht verhindert werden. Der serbische Vertreibungster-ror gegen die Kosovo-albanische Bevölkerung nahm unvorstellbare Ausmaße an.
- Innenpolitisch wurde Milosevic eher gestärkt.
- Montenegro, Mazedonien und Albanien sind tiefgreifend destabilisiert worden.
- Die Beziehungen zu Rußland befinden sich nach wie vor in der Krise.
- Das völkerrechtliche Legitimationsdefizit der Luftangriffe droht dauerhaft das System inter-natio-naler Organisationen und die völkerrechtliche Ordnung zu gefährden. Die UNO und OSZE werden durch die von uns abgelehnte Selbstmandatierung der NATO weiter politisch marginalisiert.

Gerade in den letzten Tagen ist noch einmal tragisch deutlich geworden, daß die Bombardierungen den Flüchtlingen aus dem Kosovo, und vor allem denen, die sich noch im Kosovo befinden, nicht helfen. Wir sehen darum mit großer Sorge die Zuspitzung der humanitären Situation in den Flüchtlingslagern der Region und besonders der Flüchtlinge im Kosovo. Ihre Versorgung ist absolut vordringlich. Auch um Versorgungsflüge durchführen zu können, internationalen Hilfsorganisationen und UN-Komissaren den Zugang zu ermöglichen, müssen die Bombardierungen beendet werden.

Die Luftangriffe treffen in der ganzen Bundesrepublik Jugoslawien die Zivilbevölkerung. Sie zerstören die wirtschaftlichen und ökologischen Lebensgrundlagen in der gesamten Region auf lange Zeit. Besonders zynisch ist die Verwendung von Splitterbomben. Der Einsatz von Waffen mit abgereichertem Uran verursacht langfristig unabsehbare Krebsleiden und genetische Schäden.

Ebenso ist deutlich geworden, daß es nicht möglich ist, gleichzeitig erfolgversprechende diplomatische Wege aufzuzeigen und die Luftangriffe fortzusetzen. Wie diametral die Bombardierung einer Verhandlungslösung entgegensteht, wird deutlich, wenn versehentlich die chinesische Botschaft in Belgrad von einer NATO-Bombe getroffen wird, während gleichzeitig auf diplomatischer Ebene die Bemühungen um Chinas Zustimmung für ein UN-Mandat für die internationale Überwachung eines Waffenstillstandes verstärkt werden sollten.

Die NATO muß die Bombardierungen sofort und endgültig einstellen. Es geht um den Aus-stieg aus der militärischen Eskalationsspirale, nicht um eine Unterbrechung. Eine Feuerpause reicht nicht aus, weil die NATO sich damit erneut unter einen selbstgewählten Zugzwang setzt. Wenn nach der kurzen Frist von 24 oder 48 Stunden nicht alle ihre Forderungen erfüllt sind, ist der Einstieg in die nächste Eskalationsstufe vorprogrammiert.

Wir fordern die sofortige und endgültige Beendigung der Bombardierungen und die Aufnahme von Verhandlungen mit Hilfe einer neutralen Vermittlung. Die Bedingungen für einen sofortigen Waffenstillstand sind von den Bedingungen eines Friedensvertrages zu trennen. NATO-Bodentruppen lehnen wir ab.

Wir fordern die sofortige Aufnahme von Versorgungslieferungen aus der Luft für die Flücht-linge im Kosovo und den uneingeschränkten Zugang des UNHCR und des Internationalen Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen für Hilfsleistungen im Kosovo.

Wir sprechen uns - nach einer entsprechenden Vereinbarung mit Zustimmung der Konfliktparteien - für eine Überwachung des Waffenstillstands durch internationale Truppen mit einem Mandat der Vereinten Nationen bzw. der OSZE aus. Die tragende Rolle müssen dabei Staaten übernehmen, die nicht direkt am Krieg beteiligt waren.

Wir fordern die Aufnahme von Verhandlungen über die Umsetzung der G-8 Vereinbarung, der Initiativen von Außenminister Fischer, der ukrainischen und russischen Regierung und des UN-Generalsekretärs Kofi Annan für eine dauerhafte Friedensregelung, die eine sichere Rückkehr der Ver-triebenen ermöglicht.

Bis zu einem Ergebnis der Verhandlungen fordern wir die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und politischen Drucks auf die jugoslawische Regierung durch Sanktionen oder andere geeignete zivile Maßnahmen.

Wir begrüßen die Bemühungen der Bundesregierung um eine Balkankonferenz und einen Stabilitätspakt für Südosteuropa als Beginn eines umfassenden ökonomischen und politischen Wiederauf-bauprogramms für die ganze Region, das sich insbesondere auch der wirtschaftlichen und ökologi-schen Kriegsschäden annehmen muß.

UnterzeichnerInnen:

Annelie Buntenbach (KV Bielefeld), Christian Simmert (KV Warendorf), Monika Knoche (KV Karlsruhe),
Reiner Schiller-Dickhut (KV Bielefeld), Willi Kulke (KV Bielefeld), Silvia Kotting-Uhl (KV Odenwald-Kraichgau), Hanno Böck (KV Muhr, LaVo BaWü), Olaf Meyer (KV Dresden), Robert Fuß (KV Rhein-Sieg), Brigit Ebel (KV Bielefeld), Ulrich Zucht (KV Bielefeld), Jörg Prante (KV Bonn), Davide Brochi (KV Düsseldorf), Wolfram v. Specht (KV Heilbronn), Irmgard Pehle (KV Herford), Monika Steinheuser (KV Recklinghausen), Ulrich Schröder (KV Hagen), Verena Schmidt (KV Bochum), Guido Fackinger (KV Dessau), Heiko Glawe (KV Salzgitter), Bärbl Mieleich (KV Breisgau-Hochschwarzwald), Hubertus Zderbel (KV Warendorf), Frederieke Benjes (KV Heidelberg), Simon Gordon Littmann (KV Muldental), Doro Temme (KV Bielefeld), Hanns Püllen (KV Bielefeld), Carsten Schäfer (KV Bochum, Marco Rieckmann (KV Lüneburg), Oliver Passek (KV Siegen Wittgenstein), Nicole Bartsch (KV Mannheim), Peter Jung (KV Frankfurt), Alja Epp-Naliwailko (KV Fulda), Rainer Epp (KV Fulda), Walter Hastler (KV Fulda), Uwe Kerkow (KV Rhein-Sieg); Werner Link (KV Bielefeld), Rudolf Ladwig (KV Hagen), Roman Schmidt (KV Bonn), Krystyna Grendus (KV Hardt), Harald Grendus (KV Hardt), Casper Schunk (KV Gießen), Ramona Pop (KV Münster, LaVO GAJB NRW), Ingrid Fitzek (KV Duisburg, MdL NRW), Gilla Lommer (KV Bielefeld), Reimer Hamann (KV Gießen), Karin Hagemann (KV Gießen), Christian Meyer (KV Holzminden), Peter Ruhwedel (KV Holzminden), Barbara Häusling (KV Hagen)