Es ist ausgerechnet eine rot-grüne Regierung, die mehr als 50 Jahre nach
dem Zweiten Weltkrieg wieder dafür sorgt, daß deutsche Soldaten fremde
Länder überfallen. Die Sozialdemokraten haben ihre Lektion aus der
Geschichte
gelernt. Nie wieder wollen sie sich als Vaterlandslose Gesellen beschimpfen
lassen. Jetzt dürfen sie sogar endlich zum ersten mal selber von den Kommandohöhen
der Regierung aus einen Krieg führen. Was bei der SPD 120 Jahre brauchte,
das absolvieren die Grünen im Schnelldurchlauf. Seit dem Auseinanderbrechen
Jugoslawiens 1991 sind es gerade Intellektuelle aus dem Umfeld der Grünen-Partei
und der ihre nahestehenden Tageszeitung die taz, die vehement einer
Logik der kriegerischen Eskalation und des militärischen Eingreifens im
ehemaligen Jugoslawien das Wort geredet haben. Schon 1992 forderte das grüne
Vorstandsmitglied Jürgen Maier aus Baden Württemberg, daß die
NATO Belgrad bombardieren solle. 50 Tage nach dem NATO-Überfall auf Jugoslawien
ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht. Im Gegenteil: Jeder Tag bringt eine
neue militärische Eskalation und eine drohende Ausweitung des Krieges mit
sich. In den
Nachbarländern greift die Angst und die Panik vor einem Überschwappen
des Krieges um sich.
Es wird immer deutlicher, daß dies ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung
Jugoslawiens ist: Brücken, Autobusse, Fabriken, Fernsehstationen und Wohnhäuser
werden angegriffen und zerstört. Angriffe gegen die Zivilbevölkerung
sind ein Kriegsverbrechen. Dies sagt auch die Genfer Konvention. Die ganze Fischer-Initiative
ist ein einziger Schwindel. Wer wie
die Linken in den Grünen, den Koalitionsfrieden wahren will, dem sagen
wir ganz deutlich: Ihr seid Mitglied einer Partei, die einen Angriffskrieg führt
und deshalb seid ihr voll verantwortlich für diese Kriegspolitik. Mehr
als nur ein Nein so nicht zu sagen, sondern jeglicher Regierungsbeteiligung
die Unterstützung zu verweigern, das wäre ein Dienst an der Antikriegsbewegung.
Daß ihr den Partei- und Regierungsfrieden aufkündigt, das ist das
Wenigste. Oder ist Kriegsführung nur ein Kavaliersdelikt?
Dieser Krieg ist kein Schicksal sondern gewollt. Er wurde von den Journalisten
herbeigeschrieben und den Politikern forciert. Ludger Volmer lügt, wenn
er schreibt, daß die Grünen alles getan hätten um einen Krieg
zu vermeiden. Das Abkommen von Rambouillet ist ein Besatzungsdiktat, das keine
Regierung in Jugoslawien unterschreiben konnte. Miloevic Ablehnung war
einkalkuliert, um den Krieg beginnen zu können. Und die führenden
Grünen, wie Fischer, Volmer und Beer haben dies genau gewußt. Die
NATO hat sich selbst zur Geisel einer Hysterie gemacht, die in vielem
an den 1. Weltkrieg erinnert. Aus der Sicht der westlichen Politiker und Militärs
muß der Krieg weitergeführt werden, weil sonst die Existenz der NATO
auf dem Spiel steht. Egal ob dabei der ganze Balkan in Krieg und Elend
versinkt. Es geht nicht so sehr um Jugoslawien, als vielmehr um die Zukunft
der NATO; ein Militärbündnis, das keine Funktion hat, weil wir von
keinem angegriffen oder bedroht werden.
Wie vor dem ersten Weltkrieg belauern sich die Staaten, die heute die NATO
bilden, gegenseitig. Deutschland, so schreibt die Neue Züricher Zeitung
am 31.3.199, führt diesen Krieg auch deshalb, weil es neben Frankreich
und
England eine gleichwertige Rolle unter den europäischen NATO-Staaten einnehmen
will. Deutschland ist kein unbeteiligter Zuschauer des jugoslawischen Dramas,
das jetzt endlich seine moralische Pflicht wahrnimmt und wehrlosen Menschen
hilft, wie dies Fischer und Scharping behaupten. Seit 1991 hat Deutschland alles
in seiner Macht stehende dafür getan, daß die Auflösung Jugoslawiens
in jenem Desaster endet, das sich heute im Kosovo zeigt. Berauscht von der Wiedervereinigung
sagte Helmut Kohl, daß wir den Kroaten und Slowenen nicht verweigern könnten,
was wir gerade selbst bekommen hätten, das Recht auf nationale Selbstbestimmung.
Und die Regime von Tudjman und Izetbegovic, die Milosevic zum verwechseln ähnlich
sehen, wurden hier als romantische Freiheitskämpfer gefeiert, über
deren
Kriegsverbrechen man großzügig hinwegsah. Aber hierzulande stellt
sich ein ganzes Land kollektiv dumm, und will nicht wahrhaben, daß es
Genscher mit seiner Erpressung der anderen EU-Staaten war, Kroatien und Slowenien
einseitig anzuerkennen, der dafür gesorgt hat, daß der Weg in den
kriegerischen Abgrund unausweichlich wurde. Jeder Vorschlag eines Kompromißfriedens
im ehemaligen Jugoslawien wurde hierzulande von einem Wutgeheul kriegsgeiler
Alt-68er begleitet. Eine Wut, die sich nicht nur gegen die Serben, sondern ganz
in der Tradition deutschen Größenwahns auch
wieder gegen die perfiden Engländer, den französischen Erbfeind und
die unzivilisierten Amerikaner richtete.
Wir brauchen keine Bomben auf Belgrad und kein neues Abenteuer mit Bodentruppen
Wir brauchen endlich eine Diskussion über den verhängnisvollen deutschen und grünen Beitrag zum Morden auf dem Balkan.
Sofortige Beendigung des Angriffskrieges gegen Jugoslawien
Rücktritt des Kriegskabinetts Schröder/Fischer/ Scharping/ Kriegsgegner raus der Grünen Partei
Die Grünen unter 5 % das ist unser Ziel!
Antikriegsbündnis Bielefeld
Rede auf der Antikriegsversammlung zum Parteitag der Grünen
Nach 20 Jahren Marsch durch die Institutionen hat ein Großteil der 68-Generation ihr Ziel erreicht. Seit sieben Monaten sind sie in der letzten Institutuion der Bundesregierung angekommen und sind heimisch geworden im nationalorientierten.kapitalistischen Deutschland. Sie tragen endlich Regierungsverantwortung in einer rot-grünen Regierungskoalition.
Die Grünen, als Teil der 68-Bewegung behaupten von sich, daß sie
die Gesellschaft gründlich zivilisiert hätten. Es gehört viel
Selbstverleugnung dazu, das zu behaupten.
Heute inszenieren die Grünen in Bielefeld das alte Spiel von innerer Selbstzerrissenheit
und finden einen faulen Kompromiß, der ohne Konsequenzen das Ende der
Bombardements fordert und die Minister in der Regierung läßt.
Was ist passiert?
Historisch hat sich in Deutschland mit der Beteiligung der Bundeswehr an einem
Angriffskrieg im Rahmen der NATO eine Zäsur ereignet. Die alte Weltordnung
wurde zerschlagen. Erstmalig nach dem Beginn des zweiten Weltkrieges bricht
Deutschland wieder das internationale Völkerrecht. Die UN-Charta kennt
nur zwei Fälle des berechtigten militärischen Eingreifens.
Im ersten Fall geht es um die individuelle oder kollektive Selbstverteidigung
im Rahmen eines Bündnisses (NATO). Im zweiten Fall ermöglicht der
Beschluß des UN-Sicherheitsrates bei einer Bedrohung des Weltfriedens
den Einsatz militärischer Mittel. Nur der UN-Sicherheitsrat besitzt das
Gewaltmonopol, was aus guten Gründen nach 1945 so festgelegt worden ist.
Im Wahlprogramm der Grünen von 1998 steht: "Militärische Friedenserzwingung
und Kampfeinsätze lehnen wir ab. Desweiteren sehen sie ihre Außenpolitik
von folgenden Grundsätzen geleitet: "Verpflichtung auf Gewaltverzicht,
Unverletzlichkeit der Grenzen. Nach nur sechs Monaten haben die Grünen
die wichtigsten außen-und sicherheitspolitischen Programmpunkte gebrochen.
Ludger Vollmer sinngemäß zur Kriegsbeteiligung der Grünen: Wir sind jetzt Regierungspartei und tragen Verantwortung, deshalb ist unser Programm nur in der Opposition gültig und nicht als Regierungspartei.
Als Grundlage der Außenpolitik wird im Koalitionsvertrag "die Beachtung des Völkerrechts, Gewaltverzicht und Vertrauensbildung" bezeichnet. Weiter: "Die Beteiligung deutscher Streitkräfte an Maßnahmen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist an die Beachtung des Völkerrechts und des deutschen Verfassungsrechts gebunden. Die neue Bundesregierung wird sich aktiv dafür einsetzen, das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen zu bewahren." Alle diese Regelungen im Koalitionsvertrag sind nach nur sieben Monaten Makulatur geworden.
Was hat der Wähler von dieser Regierung noch zu erwarten?
Es bleibt festzustellen die Grünen und die SPD sind Kriegsparteien.
Die NATO wollte mit diesem Angriffskrieg eine "humanitäre Katastrophe"
verhindern. Dies ist ihr nicht gelungen. Im Gegenteil die humanitäre Lage
der Flüchtlinge hat sich verschärft. Gleichzeitig macht die BRD die
Grenzen
dicht und nimmt nur 10000 Flüchtlinge auf. Da ein schneller Sieg nicht
zu erreichen ist, wurden im weiteren Verlauf des Krieges die Kriegsbegründungen
und Kriegsziele verändert. Es geht jetzt um den Erhalt der NATO als Ordungsmacht,
die selektiv nach ihren Interessen weltweit unter den Deckmantel der Menschenrechte
intervenieren will. Im Schatten der NATO will die Regierung die Bundeswehr zur
offensiven Interventionsarmee umstrukturieren.
Das rot-grüne Regierungsbündnis hat es auf einmalige perfide Weise
geschafft Auschwitz für den Angriffskrieg zu instrumentalisieren. Es gab
bis heute in den Parteien von SPD und Grünen keinen oder wenig Widerspruch
zu den
Auschwitz-Vergleich, der durch die Begriffe Völkermord, Deportationen,
KZ, Milosevic = Hitler behauptet wird. Die Regierungskoalition hat es geschafft
Auschwitz als Argumentation eines moralisch gerechten Krieges ohne großen
Widerspruch zu benutzen und deutsche Normalität zu behaupten.
Die gespaltenen und zerrissenen Kriegsgegner innerhalb der Grünen sind
inkonsequent. Anstatt die Regierungskoalition platzen zu lassen und die Minister
zum Rücktritt aufzufordern, spielen sie innere Zerrissenheit und
fragen uns, was man hätte tun sollen?
Damit leugnen sie Herrschaftsverhältnisse und ziehen uns in einen fiktiven
Zusammenhang von Herrschaft hinein, der nicht besteht, weil wir keine Macht
haben. Unsere Möglichkeit ist die radikale Kritik an den Kriegsparteien
in der Regierung und diese zeigen wir heute durch unseren Protest.
Wir fordern die Grünen auf die Kriegskoalition zu verlassen!
Wir fordern die sofortige und bedingunslose Beendigung der Bombardements!
Die Grünen haben die Gesellschaft in keinster Weise emanzipatorisch verändert.
Eine Erfolgsstory können sie aber aufzeigen: Als Partei sind die Grünen
das größte Beschäftigungsprojekt der letzten Jahre für
arbeitslose
Akademiker, die endlich einen gesicherten Arbeitsplatz haben.
Die Konsequenz aus der Entwicklung der Grünen kann nur sein, daß sich antikapitalistische Politik nur außerhalb der palarmentarischen Institutionen und antistaatlich organisieren läßt.
Peter Ridder-Wilkens Antikriegsbündnis Bielefeld
Eröffnungsredebeitrag, gehalten am 13. Mai 1999 in Bielefeld um 8.00 Uhr morgens anläßlich des Versuchs, die Seidenstickerhalle zu besetzen und den Kriegsparteitag der Grünen zu verhindern.
Wir stehen hier, weil wir den Grünen Kriegsparteitag verhindern und an
seine Stelle eine Antikriegsversammlung setzen wollen. Wir stehen hier, um die
Entscheidung darüber, welche Fragen in diesem Krieg gestellt und welche
verhindert werden, selbst in die Hand zu nehmen. Wir stehen hier, um dafür
zu sorgen, daß Positionen formuliert werden können,
die von den rotgrünen KriegerInnen und einem Großteil der Medien
unterdrückt und diffamiert wurden, wo immer sie sich artikulierten. Wir
stehen hier, um einige wichtige, in der medialen Vedunkelung dieses Krieges
bislang unsichtbare Bilder hervorzuholen und sie sozusagen im Wiederschein des
Bombenfeueres über Jugoslawien ins rechte Licht zu rücken. Und wir
stehen hier, vor diesem Grünen Kriegsparteitag, um dafür zu sorgen,
daß einige ebenso zynische wie verbrecherische Fragen nicht mehr weiter
gestellt werden. Allen voran die Frage nach dem Für- und Wider eines Nato-Angriffskrieges.
Wir stehen hier, weil wir die pseudo-demokratische Debatte über das Pro-
und Contra eines Krieges, der vor Monaten beschlossen und vorbereitet und seit
Wochen von der rotgrünen Bundesregierung mit geführt wird, verhindern
wollen. Es gibt keinerlei Legitimation dafür, über Vor- und Nachteile
des dritten Angriffskrieges gegen Serbien/Jugoslawien in
diesem Jahrhundert zu debattieren. Die einzig richtige Antwort auf diesen Krieg
ist NEIN!
Wir stehen hier mit einer maßlosen Wut angesichts der Übermächtigkeit
der kriegerischen Verhältnisse, in denen wir leben und in denen zahllose
Menschen in ganz Jugoslawien derzeit sterben. Die bislang über 50 Kriegstage
der Nato gegen die BR Jugoslawien sind nicht einzigster, aber aktuellster Ausdruck
dieser Verhältnisse. Wir wissen, wie leicht es der mehr oder minder subtilen
Macht der Medien fällt, durch falsch gestellte Fragen, selektive Berichterstattung,
die Auswahl bestimmter Bilder und das Zurückhalten anderer, Krieg mit zu
betreiben und eine Realität zu konstruieren, die dann
letztlich als Anlaß zum Handeln genommen werden kann. Und so wissen wir
weder, was in Jugoslawien, in Serbien wie im Kosovo genau geschieht, noch können
wir voraussagen, was von unserer Aktion hier medial vermittelt zur
sogenannten Wahrheit werden wird.
Denn dieser Krieg ist auch ein Krieg der Bilder. Bilder, die unter die Haut
gehen sollen und das auch tun, zeigen das Elend der von serbischer Armee und
Milizen vertriebenen oder vor den Natobomben geflüchteten kosovo-albanischen
Bevölkerung in Flüchtlingslagern. Es sind Bilder von Hilflosen, zu
Tode Erschöpften, von Weinenden, von eindeutigen Opfern, die seit nunmehr
bald zwei Monaten über die Fernsehschirme irren und uns aus den Tageszeitungen
entgegen schauen. Diese Art von Bildern macht es der internationalen Mediengemeinschaft
leicht, diese Flüchtlinge zu mögen, denn sie wirken nicht bedrohlich.
Was wäre, wenn diese Menschen an der bayerischen Grenze stehen
würden?
Die zweckreichen Bilder aus den Flüchtlingslagern sollen weiter dazu dienen,
KriegsgegnerInnen, die den Interessen der kriegsführenden Parteien, wie
hier den Grünen und sei es auch nur vor einer Halle, im Wege stehen, als
"antihumanitär", als "Wegbereiter des Faschismus" zu
diffamieren. Die Bilder dienen den kriegsführenden Natostaaten als endlos
verlängerbares Argument dafür, Jugoslawien immer tiefer in eine Finsternis
hinein zu bomben, die sich hier niemand auch nur annähernd ausmalen kann,
denn es gibt davon - ähnlich, wie vom Irak während und nach dem zweiten
Golfkrieg - keine Bilder.
Es gab keine auch nur annähernd so eingängigen Bilder der Kosovo-Flüchtlinge
des Sommers 1998, die damals zu hunderttausenden auf der Flucht waren. Es gibt
keine entsprechenden Bilder aus Kurdistan, dem Sudan, aus Osttimor. Ist
das nicht seltsam? Auch gab und gibt es, um in Jugoslawien zu bleiben, keine
Bilder von durch die UCK mit den Waffen der westlichen Rüstungskonzerne
ermordeten serbischen KosovarInnen. Es gibt keine Bilder frierender und weinender
Kinder aus den Luftschutzkellern von Belgrad. Es gibt keine Bilder verzweifelter
SerbInnen, die vor der Zerstörung flüchten. Und es wird auch nicht
viele Bilder von Jugoslawien nach dem Krieg geben, denn kaum jemand wird Interesse
daran haben, sie zu sehen. Es könnten unangenehme Fragen daran geknüpft
werden. So könnte die befürchtete Frage der nachfolgenden Generation,
die Joschka Fischer gerne selbst und heute schon stellt, und die er der Einfachheit
halber auch gleich selber beantwortet dann ganz anders gestellt werden. Sie
würde nicht etwa lauten: "Warum habt ihr das nicht
verhindert?", sondern "Warum habt ihr das getan?" Auf diese Frage
würde es keine ausreichende Antwort geben und also gibt es die Bilder nicht.
Und also gibt es die Menschen nicht. Und da es sie nicht gibt, gibt es, anders
als zum Schicksal der Flüchtlinge aus dem Kosovo auch keine Frage: "Was
kann man denn dagegen tun?"
Wir sind unter anderem hier, um diese Frage dennoch und trotz fehlender Bilder zu stellen und nach Antworten zu suchen.
Denn allerdings, sie stellt sich, diese Frage: Was können wir gegen diesen
Krieg tun? Wir können diesen Tag zum Anfang einer starken Antikriegsbewegung
werden lassen. Einer Bewegung, die auf vielerlei Weise nicht nur Fragen nach
den Natobomben stellt und nicht nur Fragen stellt, solange die Nato bombt. Der
Krieg in Jugoslawien ist nach dem Ende der Bombardements lange nicht vorbei.
Nach dem Krieg der Militärs folgt der Wirtschaftskrieg. Die Waffen sind
die altbekannten Mittel der westlichen Kreditgeber. Die schweren Geschosse von
Weltbank und IWF werden dafür sorgen, daß das, was von der BR Jugoslawien
dann noch übrig sein wird, nicht mehr auf den Gedanken kommt, Fragen der
eigenen nationalen Souveränität auch nur zu bedenken. Wie die dann
entstehenden territorialen Gebilde benannt werden, ist dabei nebensächlich.
Ein Widerstand gegen militärische wie auch gegen zivile Kriege ist, wie
es weltweite Beispiele zeigen, möglich. Die Voraussetzung für die
Menschen in Jugoslawien ist dafür zur Zeit das reine physische
Überleben und so fordern wir hier als allererstes ein bedingungsloses und
sofortiges Ende der Natobombardements auf die BR Jugoslawien.
Rede vor der dem grünen Sonderparteitag in Bielefeld
am 13.5.1999
(im Rahmen des bundesweiten Aufrufs autonomer Gruppen)
Wir sind hier hergekommen, um Ihren grünen Sonderparteitag für den
Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zu verhindern. Wir sind weder Ihr
Spielbein, noch Ihr Standbein. Wir werden uns nicht daran beteiligen, als
KriegsgegnerInnen zur Begrünung Ihres Parteitags beizutragen. Wir wollen
Ihnen-mit aller Bescheidenheit und Wut- Steine in den Weg legen.
Sie wollen Verantwortung übernehmen. Die sollen Sie zu spüren bekommen.
Sie werden uns vielleicht fragen: warum gerade wir? Die, die sich mit dieser
Kriegsentscheidung so schwer getan haben, so gerungen haben, so viele schlaflose
Nächte damit verbracht haben. Zu einem "gerechten" Krieg gehören
schlaflose Nächte, übermüdete Gesichter, Menschen, denen man
die Schwere der politischen Entscheidung ansieht. Genauso wie ein Herr Scharping,
der jahrelang als getretener Hund in der SPD sein erklägliches Dasein fristete
und nun, als erster Kriegsminister der SPD stolz und über sich hinauswachsend
durch seine selbst aufgebaute Nazi-Kulisse in Jugoslawien -versteht sich- wandert.
Es vergeht kein Tag, wo Sie als grüne, deutsche PolitikerInnen Jugoslawien
in eine Kulisse des Nazi-Deutschlands verwandeln. Von Deportationen, von KZ,
von Vertriebenen, vom Diktator ist die Rede- während hier Nazi-Größen,
vor
jeder Verfolgung geschützt, ihre Karrieren in Politik und Wirtschaft fortsetzen
konnten. Nazi-Größen, die jene deutsche Außenpolitik mitprägten,
für deren Kontinuität sich Joschka Fischer ausdrücklich verbürgt.
Während hier ZwangsarbeiterInnen vergeblich um Entschädigung ringen,
braune "befreite Zonen" existieren, in denen alle, die nicht "deutsch"
genug aussehen um ihr Leben fürchten müssen, werden in Jugoslawien
die Lehren aus der deutschen Geschichte exekutiert. Im Gestus derer, die ihre
Eltern gefragt haben, warum sie nicht Auschwitz verhindert haben, wird die
nationalsozialistische Vergangenheit nachgestellt, um diesmal auf der Seite
der Sieger deutsche Kriegspolitik zu betreiben. Selbst für die Zeit nach
dem Krieg drohen Sie mit Ihren Erinnerung an die NS-Diktatur: Ein "Marshall-Plan"
ist bereits aufgestellt. Den Bombenlegern sollen unverzüglich die Kreditoren
folgen.
Nein, meine Damen und Herren, Sie leugnen nicht die Einzigartigkeit von "Auschwitz".
Um Deutschland wieder kriegstüchtig und angriffsfähig zu machen, brauchen
Sie "Auschwitz". Um endlich wieder Krieg zu führen,
verweisen Sie gerade auf "Auschwitz", um mit rechten "Auschwitz-Lügen"
und linken "Auschwitz"-Relativierungen an ein gemeinsames Ziel anzukommen:
Krieg als Ausdruck voller außenpolitischen Normalität. Sie haben
es geschafft, aus
der Einzigartigkeit von "Auschwitz" eine einzigartige Kriegsdrohung
zu machen. Ihr grüner Kriegsbeitrag kann widerlicher kaum sein.
Nicht wir, Sie lassen keine passende Gelegenheit aus, auf das Grundgesetz,
das UN-Völkerrecht und die große Bedeutung internationaler Rechtsgarantien
zu verweisen, wenn es darum geht, ihr Phantasma von der "Zivilgesellschaft"
einzukleiden. Sie wissen genau, daß dieser Krieg -ganz verfassungspatriotisch
gesprochen- eklatant gegen das Grundgesetz und gegen das UN-Völkerrecht
verstößt. Statt sich als Kriegsverbrecher freiwillig dem internationalen
Gerichtshof in Den Haag zu überstellen, fordern sie ein neues UN-Recht,
das zukünftig das für "straffrei" erklären soll, was
heute schlichtweg Kriegverbrechen sind.
Sie wissen seit mindestens 50 Tagen Nato-Krieg, was in Ihrem Krieg "militärische"
Ziele sind: Brücken, Krankenhäuser, Raffinerien, Heiz-und Stromkraftwerke,
Telefonverbindungen, Fernseh-und Hörfunkstationen, Getreidesilos, Autofabriken..Sie
wissen, daß die gesamte zivile Infrastrukrur dieses Landes zerstört
werden soll. Sagen Sie bloß nicht,
davon haben Sie nichts gewußt, das sei der Dynamik eines Kriegs geschuldet,
den Sie so nicht wollten. Wie , z. B. Herr Trittin. Herr Trittin, Sie sind ein
Heuchler. Sie wissen noch mehr als wir, daß es sich dabei nicht um "fehlgeleitete"
Bomben handelt, sondern um biologische Kriegsführung, die die Bevölkerung,
nicht nur im Krieg, sondern vorallem nach diesem Krieg, zur Geißel dieser
Nato-Politik machen soll. Fragen Sie Ihren Kampfgenossen Joska Fischer. Der
weiß, daß genau diese Ziele Abend für Abend abgestimmt und
Tag für Tag durchgebombt werden.
Sie rechtfertigen diese Kriegsverbrechen damit, daß Sie einem "Diktator",
einem "Schlächter" das Handwerk legen wollen, daß sie dort,
Bombe für Bombe, Demokratie und Menschenrechte herstellen wollen. Wir müssen
Ihnen heute
nicht die vielen Dikaturen und Militärregimes aufzählen, die im Namen
und in Obhut der Nato tagtäglich morden, Menschen vertreiben und ausplündern.
Lassen wir das.
Sie hatten in diesem Land genug Gelegenheit gehabt, gegen Rassismus und Nationalismus
Position zu beziehen. Wie lächerlich Ihre Kriegsparolen sind, beweist sich
im Frieden. Statt jedem Nationalismus den Kampf anzusagen,
haben sie den "natürlichen" und "gesunden" Nationalismus
entdeckt. Statt der rassistischen Kampagne der CDU gegen das doppelte Staatsbürgerschaftsrecht
entschieden entgegenzutreten, haben Sie windelweich den Schwanz eingezogen.
Statt der SPD, die das Asylrecht mit abgeschafft hat, den Kampf anzusagen, überbieten
sie sich gegenseitig mit Betroffenheitsriten, wenn es um das Schicksal von Flüchtlingen
aus dem Kosovo geht, die vor Ihrem Nato-Krieg,
landauf, landab, als kriminelle Hütchenspieler gehandelt und
als Scheinasylanten abgeschoben wurden. Lassen wir das.
Ihr Gerede von Menschenrechten und Demokratie ist nackter Zynismus, wenn man
sich vorstellt, was nach diesem Krieg- egal wie er militärisch endet- passieren
wird. Egal, welche Regierung danach kommt, jede demokratische Wahl
wird zur Farce, wenn man sich nur eine Sekunde vergegenwärtigt, was es
heißt, Kredite für den Wiederaufbau eines zerstörten Landes
von denselben Herren in Empfang zu nehmen, die zuvor das Land in Schutt und
Asche gelegt
haben. Das Nato-Protektorat Bosnien- Herzegowina ist dafür ein Beispiel-
die demokratische Verfassung dieses Landes ein Kinderparlament.
Zu diesem "gerechten" Krieg passen nicht nur Ihre übermüdeten Gesichter, der herzzerreißende, anstrengende Weg vom "Prinzip der Gewaltfreiheit", hin zum erweiterten Pazifismusbegriff, sprich Krieg. Zu Ihrem "gerechten" Krieg gehört auch, die zur Schau gestelle Ohnmacht. Das lange zuschauen, die Inszenierung der Tatenlosigkeit, die ein Ende haben muß. Nicht einmal Ihr Therapeut würde Ihnen das glauben.
Müssen wir Ihnen wirklich erklären, daß lange vor dem Nato-Angriffskrieg Deutschland und viele Nato-Mitgliedsländer an der Zerstörung der Bundesrepublik Jugoslawien mitgewirkt haben? Wollen Sie uns wirklich weißmachen, daß Sie nicht wissen, daß mit sogenannten Strukturanpassungskrediten vom IWF u.s.w. der wirtschaftliche und soziale Ruin Jugoslawiens eingeleitet und vorangetrieben wurde? Müssen wir Ihnen wirklich die Strategiepapiere des "Westens" um die Ohren schlagen, in denen von Menschenrechten nicht die Rede ist,- dafür umso mehr von geo-politischen Interessen, den "Balkan" für den kapitalistischen Weltmarkt reif zu schießen? Weder Sie, noch Deutschland haben dabei zugeschaut- Sie haben diesen Prozeß wirtschaftlicher und sozialer Destabilisierung aktiv mitbetrieben.
Es gehört zu Ihrem Liebungswort, in Jugoslawien von "ethnischen Säuberungen" zu reden- und in die Türkei Waffen zu schicken- im Kampf gegen den kurdischen Widerstand.
Keine Frage: die Ethnifizierung Jugoslawiens wäre ohne die entsprechenden
intellektuellen und nationalen Eliten vor Ort nicht möglich gewesen. Doch
genauso zweifelsfrei steht fest, daß der blutige Erfolg dieser Ethnifizierung
ohne die aktive Rolle der Bundesrepublik nicht möglich gewesen wäre.
Es war gerade die vorangegangene Bundesregierung, in deren
außenpolitische Kontinuität Sie sich ausdrücklich stellen, die
als erstes eurpäisches Land, Kroatien anerkannt hat. Die Verbrechen, die
in diese Staatsgründung mündeten, brauchen hier nicht aufgeführt
werden. Die über 1 Millionen Flüchlinge, die diesem Nationalwahn zum
Opfer fielen, sind bekanntermaßen für Sie nicht der Rede wert.
Wir wissen -aus Funk und Fernsehen- daß Sie sich schwer getan haben, für diesen Nato-Angriffskrieg zu stimmen. Sie haben uns wissen lassen, daß alles versucht wurde. Sie haben verhandelt, in Rambouillet, wochenlang. Sie nannten uns eherenwerte, völlig selbstlose Ziele. Dem Scheitern gaben sie einen Namen: Milosevic. Sie haben sich schweren Herzens für das letzte Mittel der Politik entschieden, entscheiden müssen- gegen Ihren eigenen Pazifismus, gegen das Grundgesetz, auf das Sie vereidigt wurden, gegen das reine Gewissen.
Sie haben uns nach Strich und Faden belogen.
Sie und all die anderen BT-KollegInnen haben für diesen Angriffskrieg gestimmt- ohne den Vertragstext zu kennen- einschließlich des danach bekanntgewordenden Anhangs. Nicht einmal das schert Sie- zu Recht. Denn so konnten Sie -unbelastet- die Rolle spielen, die in einem gerechten Krieg nicht fehlen darf: PazifistInnen, die im äußersten Fall auch Krieg führen.
Wir wissen, spätestens seit Bekanntwerden des geheim gehaltenen Vertragtextes,
daß diese Verhandlungen den Nato-Krieg gegen Jugoslawien nicht verhindern,
sondern vorbereiten sollten. Es ging darum, dem gerechter Krieg
authentische Bilder vom Ringen um eine friedliche Beilegung des Konfliktes vorwegzuschicken.
Für die Öffentlichkeit posieren Sie mit
Menschenrechten, hinter verschlossenen Türen wurde verhandelt, als hätte
der Nato-Krieg längst stattgefunden. Der Sieger stand fest, für den
Verlierer lag die Pistole auf dem Tisch, die Kapitulation nur noch eine Frage
fürs Protokoll.
Die Verhandlungen in Rambouillet sind weder am Autonomiestatus des Kosovo gescheitert,
noch an der Frage der Flüchtlinge und Vertriebenen. Dem politischen Teil
dieses Abkommens stimmte Jugoslawien zu. Gescheitert sind
die Verhandlungen an dem Teil des Abkommens, der ganz Jugoslawien zu einem Nato-Protektorat
machen sollte und den Kosovo zu einem neuen "unabhängigen" Staat.
Dieser Teil des gescheiterten Abkommens hat nichts, aber auch gar
nichts mit dem Kosovo-Konflikt zu tun. Dafür um so mehr mit geo-strategischen
und wirtschaftlichen Interessen der Nato-Länder, die mit der völligen
Zerschlagung Jugoslawiens durchgesetzt werden sollen. Aber warum sollen wir
Sie mit Grundsatz- und Strategiepapieren aus dem Verteidigungs- und Außenministerium
langweilen.
Vom Wiedereinstieg in Verhandlungen soll heute viel die Rede sein, von Fischers
Friedensplan, von einer Politik hin zur Deeskalation. Während die Nato
zeitgleich ihre nächsten Ziele durchbombt, soll hier und heute der gegenseitige
Respekt geübt werden. Hier, in Bielefeld, die Inszenierung einer lebendigen,
streitbaren Demokratie, dort in Jugoslawien die Politik
der verbrannten Erde. Man wird die KriegsgegnerInnen in Ihren Reihen in den
Arm nehmen, man wir Ihnen in Formulierungen und Gesten entgegenkommen. Man wird
einen Leitantrag vorlegen und abstimmen, indem Platz für alle ist:
genug Platz für KriegsgegnerInnen und noch mehr Platz für Interpretationen
und Auslegungsmöglichkeiten. Die KriegsgegnerInnen in Ihren Reihen werden
versöhnt sein, die Partei-für alle- gerettet und der Krieg ,in Gestalt
von
Bomben und Marshall-Plan kann ungestrört weitergehen. Bei allem Respekt
für diese Parteitagschoreographie: wir werden Ihnen diesen Gefallen nicht
tun, wir werden Ihr Spiel nicht mitspielen,allen Ernstes. Wir werden Ihren
Sonderparteitag als das behandeln, was er ist: ein integraler Bestandteil eines
verbrecherischen Krieges.
51. Kriegstag, autonome L.U.P.U.S.-Gruppe
Grüne Himmelfahrt
Thesen zum Kriegsparteitag der Grünen in Hagen
Die Entwicklung der sogenannten "Realo" - Fraktion innerhalb der
Grünen und
ihres außerparteilichen Milieus wurde von der radikalen Linken unterschätzt.
Ihre Kennzeichnung als reformistisch ist zu kurz gegriffen. Jenseits von
polemischen Zuschreibungen gibt es noch keine grundsätzliche und
verallgemeinerte Analyse der langjährigen politischen Veränderung
dieser
dominanten Fraktion der ehemaligen "neuen Linken" zu einer bürgerlichen,
militant antisubversiven, elitären und autoritären "radikalen
Mitte". Die
Auswirkungen dieser Transformation, die von zahlreichen Medien protegiert
wurde, sind seit dem Beginn der rot - grünen Koalition in Bonn gänzlich
sichtbar geworden.
Ein großer Teil der Grünen und ihrer WählerInnenbasis vollzieht
diese
Entwicklung mit und profitiert von ihr. Sie trug und akzeptierte die
"Realpolitik" mit ihrer Zielrichtung programmatischer und struktureller
Anpassung und Hinarbeitung zur Regierungsfähigkeit. Phasen der
Verunsicherung und Sanktionsangst (vor Wahlverlusten, Umfrageergebnissen und
Medienkampagnen) innerhalb der Grünen führen zur immer engeren Gruppierung
um den existentiellen Regierungspartei - Konsens: keinesfalls die
Spielregeln und Normen des herrschenden politischen Systems verletzen oder
verändern. Selbst wenn diese Grünen den brutalen Machiavellismus eines
Fischer nicht mögen, brauchen sie diesen jedoch, um "Politik Zu machen",
in
Konfrontationen und Extremsituationen zu bestehen.
Die Regierungsparteiführung wird beim Kriegsparteitag alle Kunst aufbieten,
um gleichzeitig Regierung und Opposition, für Krieg und Pazifismus zu sein.
Neben der Kriegsfähigkeit wird Friedenswillen demonstriert, die ultima
ratio
und die überschäumende Moral ins Feld geführt, die innere Geschlossenheit
und die pluralistische Debatte bejubelt. Das Ziel ist die Dethematisierung
der politischen Konflikte. Und am Ende wären nach dem Willen der
Parteitagsregie die Verluste begrenzt und die Partei als Instrument der
Machtverteilung und Kontrolle gerettet.
Der Bruch des Bundestagswahlprogramms, des Koalitionsvertrags, der
Verfassung, des 2+4-Vertrages und der UN-Charta mit diesem Angriffskrieg -
diese nackte Gleichgültigkeit der Regierungs -und Parlamentsoligarchie
gegenüber der Legalität ist erfreulich desillusionierend und erschreckend
zugleich: Parteien, Parlamente und internationale Institutionen haben die
Funktion, den Schein von Kontrolle, Öffentlichkeit und Legitimität
aufrechtzuerhalten. Allein die Sichtbarkeit, die Repräsentanz der Eliten
und
Entscheidungsträger und ihre Tätigkeit im Parlament bürgen scheinbar
für
demokratische Verhältnisse. Mit dem Kriegsbeginn schlug sichtbar die Stunde
der Exekutive und des Militärs, deren Entscheidungen Parteien und
Parlamentsfraktionen nur hinterher traben konnten. Der "harte Führungskern"
hat sich demonstrativ von Legalitätsschranken emanzipiert. "Verletzung
der
Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos. Kein Mensch fragt
danach, wenn wir gesiegt haben." So sprach Adolf Hitler im November 1939
vor
Wehrmachtsgenerälen; er hat die allgemeinen Regeln und Prinzipien der Macht
begriffen und realpolitisch angewandt. Was macht die rot - grüne Koalition
anders ?
Der Befehl zu töten und bereit zu sein zu sterben - verlangt nicht nur
von
den Soldaten, sondern auch von der Gesellschaft eine Entscheidung: sich
entweder der Befehlsgewalt der NATO zu unterwerfen und sich den Inhalt des
Befehls zu eigen zu machen, oder sich zu ver-weigern und den Befehl
abzulehnen. Jede "dritte" Position, die entweder nur die Gerechtigkeit
des
Zwecks der Gewalt oder die Legitimität der angewandten Mittel bezweifelt,
ignoriert die Herrschaftsförmigkeit der Befehlsgewalt an sich.
Ein Teil der Grünen und SozialdemokratInnen will alles tun, um dieser
Entscheidung und ihren Folgen auszuweichen und zu vergessen: so schnell wie
möglich an den Verhandlungstisch zurückkehren, den Kriegseinsatz beenden,
den moralischen und politischen Kollaps begrenzen, dann erleichtert zur
Debatte um die Ökosteuer übergehen. Paternalistisch nimmt die
Bundesregierung diesen unsicheren Teil der Gesellschaft in Schutz mit der
Ablehnung des Einsatzes von deutschen Bodentruppen, und erspart sich selbst
weitere Konflikte. Beim Beginn des zweiten Weltkrieges gab es in der
deutschen Bevölkerung Verunsicherung, aber keine Kriegsbegeisterung. Erst
nach den Blitzkriegen und schnellen Siegen gegen Polen, Dänemark, Norwegen,
Belgien, Luxemburg, Frankreich und die Niederlande 1939/40 überspülte
eine
Welle nationalistischer Begeisterung das Land: Man ging mit den
unbesiegbaren Mächtigen, das versprach Beute, Macht und Anerkennung, die
genialen Unternehmen brachten Erfolg und geringere Kosten als erwartet.
Dieser häßliche Opportunismus, der Angst vor Rache und Niederlage
hat, lebt
zum Teil in der Ängstlichkeit weiter, die heute die Schwankenden der
einstigen Opposition zeigen.
"Die Kampfentschlossenheit dürfe kein Gefälle nach abwärts
erfahren;
stattdessen fortgesetzte Steigerung mit immer bewußterer und zäherer
Erfassung des politischen Kampfzieles..., die Propaganda müsse die
Ausgangssituation verdeutlichen, negative Einflüsse ausschalten und das
positive Kriegsziel klar herausstellen." So Josef Goebbels in einer
Gedenkschrift 1939 zum Kriegsbeginn. Die innere Front ist eine Problematik,
die sich jeder kriegführenden Partei stellt, so auch Josef Fischer: "In
der
Entschlossenheit nicht nachlassen, der Gewalt nicht beugen, die
Extremsituation durchstehen und handlungsfähig zeigen." Die Betonung
der
Kriegsbereitschaft von Fischer ist konsequent: der Krieg wird länger und
härter als erwartet, so die neue Parole. Die Militärmaschinerie läuft,
und
nichts wird sie aufhalten. Eine entschlossene Kriegspartei braucht eine
begradigte innere Front und keine Deserteure: langsam greift die
Disziplinierung. Die Staatssekretärin im Umweltministerium Gila Altmann
wird
der Regierungsdisziplin unterworfen (warum trat Lafontaine wirklich zurück
?), Christian Ströbele sollte der Parteiräson gehorchen, Gregor Gysi
wird im
Parlament des Landesverrats verdächtigt (die 5.Kolonne der Adenauer-Ära
taucht wieder auf), und FlugblattverteilerInnen der DFG/VK werden
kriminalisiert, weil sie Soldaten zur Desertion auffordern würden (daß
die
Strafanzeigen gegen die Bundesregierung in der Sicht des
Generalbundesanwalts gegenstandslos sind, wer hätte anderes erwartet).
Falls
sich die KriegsbefürworterInnen mit ihrer Kompromißstrategie auf
dem Grünen
Parteitag durchsetzen, wird sich die Exekutive ermächtigt sehen, gegen
KritikerInnen und eine radikale Opposition aggressiver vorzugehen.
"Ja, das Wort "Friede" bezeichnet in seiner Bedeutung, in welcher
es
Korrelat zur Bedeutung "Krieg" ist (es gibt nämlich noch eine
ganz andere,
ebenfalls unmetaphorische und politische, diejenige, in welcher Kant vom
"Ewigen Frieden" spricht), geradezu eine solche a priori und von allen
Rechtsverhältnissen unabhängige notwendige Sanktionierung eines jeden
Sieges. Diese besteht eben darin, daß die neuen Verhältnisse als
neues
"Recht" anerkannt werden, ganz unabhängig davon, ob sie de facto
irgendeiner
Garantie für ihren Fortbestand bedürfen oder nicht." Walter Benjamin,
Zur
Kritik der Gewalt.
Der Frieden anerkennt und bestätigt die rechtsetzende Macht des Krieges;
das
neue Recht eines Friedensvertrages vereinbart "gleiches Recht" für
Sieger
und Besiegte. "Es verbietet Armen und Reichen unter Brückenbögen
zu
nächtigen"(Anatole France). Ein Vertragsbruch Löst konsequent
den jetzt
rechtmäßigen Anspruch neuer Gewalt aus, was die ursprüngliche
Gewaltsamkeit
des Friedens exhumiert.
Die Regierungslinken in den Grünen, die vor dem Kriegskurs längst
kapituliert haben, indem sie "irgendeinen Frieden" akzeptieren wollen,
nur
um nicht weiter in die Doppeldeutigkeit der eigenen Moral und Ideologie
getrieben zu werden, sind keine KriegsgegnerInnen. Sie lehnen weder die
imperialistischen Kriegsgründe ab, noch die ökonomische und politische
Unterwerfung und Neuordnung der "Krisenregion" im Interesse der westlichen
Großmächte Und des nationalen wie transnationalen Kapitals. Die Folgen
der
nationalen Befreiung aus dem "Völkergefängnis Jugoslawien"
und des Friedens
in Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina werden von diesen
"Friedenstauben" nicht reflektiert, weil sie die eigene Phraseologie
von
nationaler Selbstbestimmung, antiserbischem Vorurteil und ziviler
internationaler Gemeinschaft ad absurdum führen würde.
Der Krieg demontiert die "Friedenstauben" der Grünen rasanter
und radikaler,
als es beim Regierungsantritt zu erwarten war. Kein Frieden sondern Feinde:
nie stand die jugoslawische Bevölkerung geschlossener hinter Milosevic,
immens der Verlust politischer und moralischer Autorität der westlichen
Demokratien, groß die Empörung und der Haß auf "die NATO"
in vielen Ländern
Osteuropas. Wenn Grüne jetzt als Peacemaker auftreten, der Diplomatie eine
Chance geben wollen, ignorieren sie, daß sie gründlich diskreditiert
sind,
und nur unter Zwang Als Verhandlungspartner akzeptiert werden.
Eine Region destabilisieren, zerbomben, und danach einen Stabilitätspakt
und
einen Marshallplan fordern, gehört zu den Zynismen der Grünen, die
ihnen
selbst nicht bewußt sind. Nachdem sie die Beine gebrochen haben, bieten
sie
den Opfern Krücken an.
Mit aufgeblasener Empörung verteidigen Fischer und Scharping stellvertretend
für viele ihr quasi "antifaschistisches" Engagement. Von dieser
Verpflichtung war vorher in der politischen Auseinandersetzung um
Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen durch die deutsche Industrie und
Banken, in der sogenannten Walser-Debatte oder dem alltäglichen Kampf gegen
NS-Organisationen, rechte deutsche Jugend und Rassismus nichts zu spüren,
und wird nachher nichts übrig sein. In diesem Krieg, der Hitler, die Nazis
und Auschwitz exterritorialisiert, können der Ex-Jungsozialist und der
Ex-Autonome frei von Angst vor Diskriminierung, Ausschluß aus der
Gemeinschaft und Repression militante Antifaschisten sein. Die aggressiven
Impulse sind erstaunlich "authentisch". Die "antifaschistische"
Argumentation vom "Völkermord" ist ehrlich überzeugt, links
zu sein. Die
Judenvernichtung, deren Synonym Auschwitz ist, war in den Augen des
Nationalsozialismus die Vernichtung des "Anti-Volks", der Volksfeinde.
Die
deutsche Vernichtungsmaschinerie selektierte die Juden von "den Deutschen",
obwohl sie Deutsche waren. Die Nazis taten dies in ihrem Selbstverständnis
um einen "Völkermord" an der arischen Rasse durch die Juden abzuwenden.
Das
Gerede vom "Völkermord" kann nur völkisch sein, und es kann
faschistisch
werden: der Einmarsch der Wehrmacht in der Tschechoslowakei und in Polen
1938/39, nach eskalierter antitschechischer und antipolnischer Hysterie im
deutschen Reich, legitimierte sich als Schutz bedrohter deutscher
Volksgruppen vor dem "Völkermord". Vergleiche mit dem Nationalsozialismus
sind nur bedingt tauglich, die Auschwitzanalogie verbietet sich ganz. Der
großserbische Nationalismus, der jedoch immer mehr Gebiete seit 1991
aufgeben mußte, kann nur mit diesen Vorbehalten mit der NS-Volkstumspolitik
inhaltlich verglichen werden ("alle Serben zusammen"). Der völkische
Terror
im Kosovo und die antialbanische Stimmung in Jugoslawien sind schematisch
mit der Praxis im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren gegen die Tschechen
und zugunsten der Deutschen vergleichbar. Da Jugoslawien jedoch nicht nur
überlegen agiert, sondern in diesem Sezessionskrieg defensiv reagiert,
sind
zum Beispiel die faschistischen Paramilitärs eher mit den nationalistischen
Freicorps 1919 zu vergleichen, die eine Abtrennung "kommunistischer Gebiete"
wie die bayrische Räterepublik verhinderten.
Der Krieg der jugoslawischen Führung geht strategisch um die Erhalt eines
Staatsgebietes, nicht um die imperialistische Ausdehnung desselben. Der Form
nach ist dies aber noch ein Anti-Guerillakrieg (der counterinsurgency), den
britische und französische Militärs ursprünglich im Krieg gegen
antikoloniale Befreiungsbewegungen entwickelten, und insbesondere die USA
weltweit im Trikont anwendeten und unterstützten: Die Zerstörung der
sozialen und ökonomischen Strukturen, Basis jeder Guerilla, durch
Vertreibung, Umsiedlung, Plünderung und abschreckenden Terror.
Die falschen historischen Analogien sind Erzählungen, die zur moralischen
Legitimation der eigenen Entscheidungen dienen, obwohl diese Demonstrationen
historischer Erkenntnis und finaler Vernunft rein gar nichts mit den
Beweggründen zum Krieg zu tun haben. Aber die gegenwärtige Unwahrheit
wird
durch die unwahren Vergleiche der Vergangenheit verdoppelt. Sie beruft sich
auf das schwache historische Gedächtnis, und die Unfähigkeit etwas
anderes
als den eigenen Standpunkt wahrzunehmen. Auschwitz hätte durch die
Alliierten nicht durch einen vorzeitigen Krieg verhindert werden können,
weil 1936 noch niemand etwas von Auschwitz wissen konnte, kein Vergleich in
der Geschichte existierte. Die unterstellte "Weichherzigkeit" der
Appeasementpolitik Frankreichs und Englands gegenüber Hitler hat ganz banale
machtpolitische Gründe: Kompromißpolitik gehört zum Inventar
imperialistischer Außenpolitik, solange gemeinsame Interessen
(Handelsbeziehungen, Bollwerk gegen den Bolschewismus) im Vordergrund stehen
und ein Ausgleich der Interessensphären möglich erscheint. Und dies
besonders, wenn ein Staat dem anderen militärisch, ökonomisch und
in
Bevölkerungszahlen nicht gewachsen ist.
In Anbetracht der erdrückenden technologischen, militärischen und
ökonomischen Überlegenheit der NATO-Staaten ist es geradezu eine wahre
Freude nicht weichherzig zu sein, und gegen die Hitlers dieser Welt Kriege
zu führen. Der zur Schau gestellte Mut der Antifaschisten in Bonn, die
allen
zeigen, wie man Antifaschismus richtig macht, ist die Selbstgerechtigkeit
nationaler Maulhelden, und ein Tritt ins Gesicht derjenigen, die wirklich
gegen die nationalsozialistische deutsche Bestie gekämpft haben, ob in
Madrid, Paris, an der Drina oder in Stalingrad, im Warschauer Ghetto oder
als PartisanIn in Griechenland.
Der Angelpunkt dieses "antifaschistischen" Diskurses ist die
Selbstrepräsentation als charakterfester, prinzipientreuer Mensch. Er war
gutmütig und wohlwollend, idealistisch und großzügig, ist aber
durch seine
Erfahrungen und Erkenntnisse ein anderer geworden. Die brutale Realität
zwingt ihn, unbarmherzig, kompromißlos und gewalttätig zu sein. Dieselbe
Diskursfigur benutzt der Rassist, der sein Gewordensein und Vorurteil als
Erfahrungs und Erkenntnisprozeß darstellt, ursprünglich ein
Menschenfreund,
der jetzt aber zu jeder notwendigen Maßnahme bereit ist. Sie sind natürlich
betrogene und enttäuschte Opfer, wie abgewiesene Liebhaber, die in ihrer
Eifersucht der Angebeteten nur jede Bösartigkeit unterstellen können,
niemals aber einen rationalen, selbstverständlichen Grund.
Die Alltäglichkeit dieses Opferdiskurses der potentiellen TäterInnen
bewirkt
die Eingängigkeit und leichte Übernahme der Argumentationen der
KriegsbefürworterInnen. Sie ermächtigt zu dominanten Handlungsstrategien
und
Definitionsmacht, sobald die Rede öffentlich legitimiert wird. Die
Herstellung "verlorener" Macht, Dominanz, Kontrolle und Verfügungsgewalt,
die in der möglichen Autonomie und Individualität des Gegners sich
bedroht
sieht, ist das Ziel. Und nicht etwa Gerechtigkeit oder andere Prinzipien.
Jugoslawien war Fischer und Scharping schon immer gleichgültig.
Wenn die Grünen 1999 einen Bruch des antifaschistischen Prinzips "Nie
wieder
Krieg" befürworten, um das Prinzip "Nie wieder Auschwitz"
einzuhalten, wäre
es dann nicht logisch, wenn sie 2002 bereit sind "Auschwitz" zu befürworten,
um einen Bürgerkrieg zu verhindern? Die felsenfeste Prinzipientreue entpuppt
sich als restlose Prinzipienlosigkeit im Konkreten. Das Fallenlassen von
Prinzipien ist nur ein Euphemismus derjenigen, die nie welche hatten. Die
Sozialdemokratie hatte beim Ausbruch des 1.Weltkriegs ähnlich prinzipielle
Probleme, mit der Neuauslegung der Lehrsätze ihre eigene Kapitulation zu
kaschieren. Kautsky, der Theoretiker der deutschen Sozialdemokratie,
versuchte es, und zog sich den Spott Rosa Luxemburgs zu: "Im Frieden gelten
im Innern jedes Landes der Klassenkampf, nach außen die internationale
Solidarität; im Kriege gelten im Innern die Klassensolidarität, nach
außen
der Kampf zwischen den Arbeitern verschiedener Länder. Der welthistorische
Appell des Kommunistischen Manifests erfährt eine wesentliche Ergänzung
und
lautet nun nach Kautskys Korrektur: "Proletarier aller Länder, vereinigt
euch im Frieden, und schneidet euch die Gurgel ab im Kriege!"
Für die Grünen ist der erste Angriffskrieg, an dem Deutschland seit
1945
direkt mit Soldaten beteiligt ist, so einschneidend , wie es der 4.August
1914 für die Sozialdemokratie war. In ihrem ersten Artikel sprach Rosa
Luxemburg davon, daß die Sozialdemokratie abgedankt habe, weil sie nur
noch
die nationalen und imperialistischen Interessen ihrer jeweiligen Bourgeoisie
vertreten könne. Trotzdem hat die SPD diese ideologische und politische
Krise überstehen können, die KriegsgegnerInnen waren eine kleine Minderheit.
Daß sich die Grünen mit der Kriegsbeteiligung ihre eigene Todesurkunde
ausgestellt hätten, die Partei überflüssig geworden sei, diese
unter
Linksradikalen verbreitete These ist verfrüht. Der kulturelle und soziale
Rückhalt der Grünen ist zwar nicht mit der Basis der SPD in Gewerkschaften
und ArbeiterInnenbewegung 1914 vergleichbar, für die Grünen kann es
bei
Wahlen knapper werden. "Rot-grün" ist die Legierung einer
Strömungsideologie, die ihre Protagonisten als Erben von 1968, modernes
Weltbürgertum und durch Selbstbewußtsein geadelte Generation an der
Macht
auszeichnet. Ob diese Strömung ausreicht, um die Grünen als Partei
zu
erhalten, ist tatsächlich offen. Was wäre wenn sich eine Mehrheit
auf dem
Hagener Parteitag mit einem "Nein" zum Kriegskurs querstellt, die
rot-grüne
Koalition riskiert, in der sie nur demütigende Niederlagen (Atomausstieg,
Staatsbürgerschaftsrecht) erlitten hat ? Was wäre ,wenn eine Mehrheit
Programmdisziplin üben würde statt der geforderten
Regierungsparteidisziplin?
Autonome und radikale Linke vor einem Bundesparteitag der Grünen, wer
hätte
das vor einem Jahr vermutet? Selbst für großzügige Linke ist
diese Partei
seit zehn Jahren kein emanzipatorisches Projekt mehr, gibt es keine
einflußreiche linke, feministische oder internationalistische Opposition
innerhalb der Grünen. 1999 am Himmelfahrtstag in Hagen zu demonstrieren,
kann nur einen Sinn haben: radikal die rot-grüne Kriegs- und Friedenspolitik
zu demontieren. Ob die "Kritik der Straße" den Parteitag beeinflußt,
ist
ungewiß. Denn die Wirklichkeit ist manchmal spannender als erwartet, oder
schlimmer als befürchtet.
Viktor Stein, April 99
Stellungnahme der Initiative Kein FriedeN mit der Nato zur
ersten
Vollversammlung der Antikriegsbewegung in Bielefeld am 13.5.99:
Unruhige Zeiten!
Wir können ihn nicht verhindern, wir können seinen Verlauf (noch)
nicht
verändern, wir können seine Folgen nicht rückgängig machen:
Scheiß Krieg!
Die Hauptursache dieses Krieges hat zwei Namen: Deutschland und Nato
Das gesamte Konzept der militaristischen Zerschlagung Jugoslawiens, das seit
der Neuorganisierung des Projektes Deutschland (es gibt heute noch Menschen,
die so etwas Wiedervereinigung nennen) 1989 voll trägt, ist von hier aus
machtpolitisch organisiert worden. Wo immer auch während dieser 10 Jahre
bis
heute völkisch-rassistisch argumentierende politische Strukturen in
Südosteuropa aufgetaucht sind, stand der Machtapparat Deutschlands
anschiebend im Rücken. Für jede politische Struktur, die auch nur
ansatzweise über eine soziale Basis verfügt, bedeutet die Verbindung
mit
einer politisch-ökonomischen Weltmacht wie Deutschland enorme
Möglichkeiten - bis hin zur Machtfrage. In der Regel entspannt sich der
Kampf um die Anbindung an die Freßtöpfe der Reichtumsinseln an völkischen
Kriterien.
Die Ethnisierung des Sozialen
Das Muster der völkischen Rassisten ist immer gleich, sehr einfach und
überaus brutal: Sie beginnen mit einer propagandistischen Materialschlacht,
die sämtliche soziale Probleme durch die völkische Brille preßt:
Da sind
Bäuerinnen und Bauern nicht deswegen arme Schlucker, weil die kapitalistisch
e Weltmacht nur noch da relativen Wohlstand zuläßt, wo sich seine
Produktionsstätten und seine Organisationsstrukturen sammeln, sondern weil
sie "KroatInnen", "Muslime" oder auch "AlbanerInnen"
sind. Da sind Bullen
und Soldaten nicht mehr Teile des nationalen Machtapparates der bürgerlichen
Klasse, sondern Serben, die nationale Minderheiten unterdrücken. Banalitäten
werden so lange und so massiv verzerrt, bis das, was die völkischen
Rassisten im sozialen Raum plazieren, allein durch die Masse von Meldungen
für wahr gehalten wird. Als wenn nicht jeder Polizei- und Militärapparat
zur
Unterdrückung allen sozialen Widerstandes da ist, also bei Bedarf auch
zur
Unterdrückung nationaler Minderheiten.
Als nächster Schritt werden die gesellschaftlichen Gruppen, die sich nicht
auf der Grundlage rassistischer Kriterien organisieren, als "Handlanger
des
serbischen Terrors" denunziert oder als Schwärmer und TraumtänzerInnen
psychiatrisiert. Demnach bleibt nach den Vorstellungen des völkischen
Rassismus (auf Grün: Ethnizität) nur noch die patriarchal-militaristische
Variante der "Völkertrennung" als "Lösung" des
Problems. In dieser "Lösung"
verschwinden die gesellschaftlichen Widersprüche der bürgerlichen
Klassengesellschaft zunehmend, wodurch unter anderem der politische Raum für
eine neue Herrschaftselite geöffnet wird - ein idealer Nährboden für
faschistische Männerbünde! Nicht ganz zufällig regiert in Kroatien
bis heute
die Tudjman-Clique mit ihren Bezügen auf den historischen
Ustascha-Faschismus!
Der eigentliche Angriff auf den "Multikulti-Staat", wie er hierzulande
denunziatorisch genannt wird, beginnt, sobald die völkische Bewegung in
der
Lage ist, aus ihren Reihen heraus Guerilla-Aktionen zur Feindbestimmung zu
tragen. Gezielt wird versucht, den Repressionsapparat des "Gegners"
zu
provozieren. Die gewünschte Reaktion ist die personelle und ideologische
Umstrukturierung des Repressionsapparates entlang rassistischer Kriterien.
Es entsteht ein wechselseitiger Prozeß, der auf der Grundlage patriarchaler
Vernichtungslogik alle sozialen Strukturen angreift, sprengt und als
Bestandteil militaristischer Kriegsstrukturen neu organisiert. Spätestens
wenn die Repressionsorgane zu Maßnahmen greifen, die den Charakter einer
Vertreibung der Bevölkerung annehmen oder tatsächlich haben, um ein
Gebiet
guerillafrei zu machen, schlägt die Stunde der Weltmachtdiplomatie. Aus
den
politischen Strukturen der völkischen Rassisten werden die
kooperationsfähigsten Teile auf die diplomatische Bühne gehieft, als
die
einzig legitimen Vertreter des unterdrückten "Volkes" anerkannt.
Ab diesen
Zeitpunkt zählt nicht mehr die Qualität der Guerilla, d.h. die Frage,
wie
hoch die Verankerung der völkischen Bewegung in der Bevölkerung ist,
sondern
die ökonomische und politische Durchsetzungsfähigkeit der kooperierenden
Weltmacht. Seit 1989 hat das imperialistische Projekt Deutschland mehrfach
bewiesen, daß es in der Lage ist, die nationalstaatlichen Strukturen jeder
Region in Südosteuropa auseinanderzunehmen, in denen es soziale Spannungen
zwischen Bevölkerungsgruppen gibt. Selbst gegen den Widerstand der größten
Militärmacht der Welt, den USA. Im Kosovo allerdings war die soziale Basis
der UCK so schmal und der Widerstand des rest-jugoslawischen
Unterdrückungsapparates so stark, daß ein offener Angriffskrieg nötig
war,
um die völkisch-rassistischen Teilungspläne durchzusetzen.
Das eigentliche Ziel der deutschen Diplomatie ist erreicht.
Das politische und soziale Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen im Kosovo
ist auf mittlere Sicht unmöglich gemacht worden. Bei der Fortsetzung des
Nato-Angriffskrieges über jetzt schon fast zwei Monate geht es um die
enormen Schwierigkeiten der Agressorenbande bei der Aufteilung des Kuchens,
der bald keiner mehr ist. Das Kalkül: Je zerstörter die Verhandlungsmasse,
desto leichter ist die Einigung.
Soviel erstmal als Umriß der Einschätzung unserer Initiative, die
wir als
Ausgangsposition für die Diskussion auf dieser ersten bundesweiten
Anti-Kriegs-Vollversammlung einbringen.
Der von Deutschland aus organisierte Nato-Angriffskrieg auf Rest-Jugoslawien
hat logischerweise unmittelbar auf die Innenpolitik zurückgeschlagen. Die
grüne Führungsspitze hat für den Preis ihrer Weiterbeschäftigung
im Projekt
Deutschland jedes Stück Papier zerrissen, daß die Beziehungen der
verschiedenen Staaten zueinander regelt (Völkerrecht, UNO-Charta)
die speziellen Beziehungen zwischen den Staaten der Anti-Hitler Koalition
und Deutschland regelt (2+4 Verhandlungen)
die Beziehungen der sozialen Gruppen in Deutschland regelt (Verfassung)
die Beschlußlage der politischen Basis der Grünen ausdrückt
(Parteiprogramm)
Die einzig noch existierende glaubhaft überprüfbare Stellung der Grünen
ist
die Beteiligung an einem Angriffskrieg. Dies ist seit dem 24.3.99 so und es
ist bitter mitzuerleben, daß KriegsgegnerInnen immer noch, nach 7 Wochen
grüner Kriegspraxis mit all ihrer Zerstörungswut, glauben, es gäbe
etwas mit
oder gar in den Grünen zu diskutieren. Wir werden alle diejenigen Männer
und
Frauen, die erst anläßlich des grünen Befriedungsparteitages
die faktische
Unterstützung der grünen Kriegspartei eingestellt haben, sehr kritisch
hinterfragen. Ihre Glaubwürdigkeit als KriegsgegnerInnen geht für
uns gegen
Null. Weil einige von ihnen Teil der Anti-Kriegs-Vollversammlung sein
werden, ein paar spezielle Worte in diese Richtung: Jeden Versuch von euch,
repräsentative Funktionen in der Antikriegsbewegung zu übernehmen,
werden
wir als opportunistischen Karrierismus werten, als Angriff auf
antirassistische und antimilitaristische Positionen innerhalb der
Antikriegsbewegung. Geht in die antimilitaristischen Basisgruppen zurück
und
stellt euch der Kritik!
Mag sein, daß einige von euch diese Position als zu stark polarisierend
begreifen. Immerhin könnten ja einige der bekannteren grünen Gesichter
für
mehr Präsenz von Antikriegspositionen in der Öffentlichkeit sorgen.
Diese
ohne Zweifel richtige taktische Betrachtung würde aber die Positionierung
der Antikriegsbewegung gegen den dritten von Deutschland aus organisierten
Angriffskrieg gegen Jugoslawien verwässern. Nichts halten wir im Moment
für
wichtiger als die konsequente Verurteilung des Nato-Angriffskrieges.
Wir halten die Organisation eines Angriffskrieges in zweiter Linie auch für
einen Angriff auf die antimilitaristische Bewegung. Der Übergang einer
Partei in das Kriegslager, die bis weit in die linksradikalen Strukturen
hinein ihre Bindungen und gegenseitigen Abhängigkeiten hatte, bringt für
viele von uns mehr oder weniger große Brüche in der politischen Praxis.
So
mußten wir unsere Haltung zu diesem Krieg bei einigen Aktionen über
die
Ausgrenzung grüner Parteistrukturen klarstellen.
Klar ist, daß mit den Grünen in irgendeiner Form verbundene Gruppen
versuchen, ihre Position im gesellschaftlichen Raum zu verteidigen, von den
ganzen Einzelpersonen zu schweigen, die aus einer wie auch immer gearteten
Laune heraus Rot-Grün gewählt haben:
"Wir werden wenig anders - aber vieles besser machen!" Was für
eine
prophetische Ankündigung.
Die gesellschaftliche Position all dieser Gruppen und Einzelpersonen wird in
kürzester Zeit unhaltbar werden - spätestens wenn die Propagandablase,
die
über diesen Krieg gestülpt wird, platzt. Es stehen Entscheidungen
mit großer
Tragweite an.
Die Tatsache, daß Deutschland gegen die gesamte EG- und US-Diplomatie
ein
sich auf den mörderischen Ustascha-Faschismus beziehendes kroatisches Regime
diplomatisch anerkannt hat, ist in ihrer Bedeutung nicht wegzudiskutieren.
Die deutsche Politik hat die völkisch-rassistischen Bürgerkriege in
Jugoslawien bis heute immer gewollt und politisch-militärisch
mitorganisiert. Wer oder welche die überragende Rolle der USA in den
Nato-Militärstrukturen oder die bislang eher noch zurückhaltende
militärische Beteiligung Deutschlands als Argument für die Relativierung
der
deutschen Verantwortung in der Entstehung des Nato-Krieges betrachtet,
schwimmt in sehr gefährlichen Gewässern. Allein die politische Unterstützung
der Ustascha-Faschisten sollte eigentlich in aller Deutlichkeit klarmachen,
wie es um die Moral der deutschen Außenpolitik bestellt ist. Sie reitet
offen auf den strategischen Vorgaben ihrer VorgängerInnen, dem Kaiserreich
und dem Nazi-Faschismus. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das
politische und gesellschaftliche Umfeld dieser Regierung ist ein komplett
anderes, es gibt keinen ideologischen Hauptfeind, der im Moment von
überragendem Interesse wäre. Es handelt sich bei diesem Krieg um einen
mit
moralischen Zerrbildern nur sehr mühsam verdeckten Verteilungskampf des
Turbokapitalismus der Nato-Metropolen. Aber die Schärfe der
völkisch-rassistischen Bestialitäten, wie sie sich seit Jahren in
Ex-Jugoslawien abspielen, hat in der Hauptsache die deutsche Machtpolitik zu
verantworten.
Die Reparaturtrupps, die mittlerweile auf allen Ebenen versuchen, die
Aggressivität des rassistischen Imperialismus zu vertuschen, den Deutschland
an den Tag legt, sind überall unterwegs. Die sogenannte deutsche Initiative,
d.h. die Umformulierung des Besatzungsstatuts für Jugoslawien, täuscht
eine
diplomatische Hektik vor, die nur für die Fernsehkameras und die Weltpresse
gut ist. Die völkisch-rassistische Umstrukturierung Südosteuropas
ist längst
beschlossene Sache. Da ist nichts zu verhandeln. Es wird so lange gebombt,
bis auch Milosevic, die russische, chinesische, griechische oder sonstwelche
Diplomatie diese Tatsache auf einem Fetzen Papier endlich anerkennt.
Die nationalistischen Teile der Friedensbewegung, aber auch die
Nationalisten in der Antikriegsbewegung werden mit ihrer speziellen
Phraseologie auf diesen Zug aufspringen. Sie werden den Schein der Distanz
zur US-dominierten Kriegsführung für bare Münze nehmen, gegen
die böse USA
wettern, die Reform der Nato fordern, mehr Unabhängigkeit von den USA
verlangen. NO WAY!
Wo wir gehen, ist der politische Gegner nicht weit. Wir brauchen nicht über
den Atlantik zu schielen, um Kriegstreiber bei der Arbeit zu beobachten. Der
gesamte westdeutsche Politikapparat hat seine Widersprüche untereinander
zurückgestellt, um die Organisierung eines Angriffskrieges nach innen
verkaufen zu können. Unsere Aufgabe ist es, ihnen diesen Krieg so lange
um
die Ohren zu hauen, bis sie alle von der politischen Bühne abgetreten sind.
Wir wissen aus den Hochzeiten der Friedensbewegung 1982 und 1991, daß
ein
Teil von ihr nur auf die Gelegenheit wartet, sich mit den nationalen Eliten
wieder versöhnen zu können. Das Gelaber vor dem Befriedungsparteitag
der
Grünen diente genau diesem Zweck: Die Fischer-Bande formuliert die
Versöhnung als Angebot, die sogenannten KriegsgegnerInnen innerhalb und
außerhalb der Grünen als Forderung. Wir werden nicht mit euch gehen:
Wir
organisieren uns in der antimilitaristischen Bewegung von unten gegen die
herrschenden Eliten hier im Land, nicht mit oder neben ihnen!
Ähnliches gilt für die ostalgischen Nationalisten in der Antikriegsbewegung.
Euer "proletarischer Nationalismus" ist im Agressionspotential nach
außen
vielleicht etwas harmloser, ansonsten aber keinen Deut besser als der
Nationalismus der Imperialisten. In der Sowjetunion wurde mit der Phrase vom
"Aufbau des Sozialismus in einem Land" der staatsterroristische
Formierungsprozeß nach innen voll entwickelt und der Kampfruf "Hoch
die
internationale Solidarität" zur Farce degradiert. Die spanischen
AntifaschistInnen vor und die griechischen AntifaschistInnen nach dem
zweiten Weltkrieg können ein Lied davon singen.
Diese politische Tradition ist gekappt und wird bei der Neuformulierung
unserer gesellschaftlichen Utopien nur noch die Rolle eines Auslaufmodells
spielen: Billig zu haben und auf Dauer nicht zu gebrauchen!
Die kommenden Fehler sind bei dem stark nationalistischen Einschlag der PDS
und ihrem radikaleren Umfeld schon vorauszusehen. Sie treten durch die
sträfliche Unterschätzung patriarchaler und rassistischer
Formierungsprozesse schon heute deutlich zu Tage. Wir sind jederzeit bereit,
die Diskussion über die historische Entwicklung des Projektes Deutschland
zu
führen. Es ist unsere feste Überzeugung, daß nichts hängenbleiben
wird, was
Bestandteil einer Zukunftsperspektive sein kann.
Undiskutierter Abschluß
Die Vorstellung über unsere Zukunft wird im Kern von revolutionären
FeministInnen formuliert werden. Das Zerstörungs- und Vernichtungspotential
patriarchaler Gesellschaftsorganisation erzwingt geradezu diese Perspektive.
Der Kapitalismus ist die aktuelle und hoffentlich letzte Herrschaftsform des
Patriarchats.
Die Befreiung der Männer besteht aus ihrem Abschied von der Macht.
Die Befreiung der Frauen besteht aus der Übernahme der Organisation einer
klassenlosen Gesellschaft - weltweit.
Soweit der Diskussionsbeitrag der Initiative Kein FriedeN mit der Nato zur
ersten bundesweiten Vollversammlung der Antikriegsbewegung in Bielefeld.
Peter Ridder peter.ridder-wilkens@uni-bielefeld.de