Elisabeth Schroedter
Mitglied des Europäischen Parlaments

 

PRESSEMITTEILUNG vom 21.10.99
Europaabgeordnete: Bundesregierung verstößt gegen EU-Kodex für Waffenexporte

Die Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter (Grüne, D) hat als Reaktion auf den Beschluss des Bundessicherheitsrates, Kampfpanzer Leopard 2 A5 an die Türkei zu liefern, eine parlamentarische Anfrage zur Überprüfung der Verletzung des Verhaltenskodex für Waffenexporte an den Europäischen Rat gerichtet. "Dieses Vorhaben der Bundesrepublik verstößt klar gegen den EU-Verhaltenskodex, der Waffenlieferungen in Länder in denen Menschenrechtsverletzungen herrschen, nicht erlaubt", so die Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter. Sie kritisiert weiter: "Damit macht die Bundesregierung den mühselig verhandelten Verhaltenskodex der Europäischen Union praktisch zunichte und öffnete dem freien Waffenhandel in Krisengebiete Tür und Tor." Frau Schroedter ist überzeugt, dass die Türkei an dem Kampfpanzer interessiert sei, um seine durch das Warmsichtgerät hervorragende Eignung in den Bergen gegen die Kurden einzusetzen. Doch genau dieses schließe der Verhaltenskodex aus. Waffen dürften nicht an Regierungen geliefert werden, wenn der Verdacht bestünde, daß sie zur internen Repression oder sogar bei grenzverletzenden Aktionen eingesetzt würden.

Die grüne Politikerin bedauert, dass der Verhaltenskodex noch immer nicht rechtsverbindlich zwischen den Mitgliedstaaten sei, wie es das Europäische Parlament seit langer Zeit fordere. "Es ist kein Freibrief für den unerlaubten Waffenhandel der deutschen Regierung, dass das Europäische Parlament zugestimmt hat, der Türkei den Status eines Beitrittskandidaten zu geben, denn gleichzeitig hat das Parlament die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei deutlich kritisiert und deshalb Beitrittsverhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen," so Frau Schroedter.

Parlamentarische Anfrage im Anhang

ANHANG:

Elisabeth Schroedter, MdEP

Schriftliche parlamentarische Anfrage an den Europäischen Rat:
Eingereicht am 21.10.99

Verletzung des EU-Verhaltenskodex für Waffenexporte: Deutschland liefert Leopard 2 A5 an Türkei

In meiner früheren Anfrage vom 10.03.99 an die deutsche Präsidentschaft, welche Rolle Menschenrechtsverletzungen in potentiellen Empfängerländer von Waffen spielen, bekam ich die Anwort (am 10.06.99), daß dies eine "der zentrale Entscheidungsvoraussetzungen seien" und daß im Falle von Menschenrechtsverletzungen keine Ausfuhrgenehmigung erteilt wird.

Die Europäische Kommission hat in ihrem Beschluß vom 13.10.99 zur EU-Erweiterung festgestellt, daß die Voraussetzungen für Verhandlungen mit der Türkei insbesondere auf dem Gebiet der Menschenrechte nicht gegeben sind.

Die Regierung der Bundesrepublik hat am 20.10.99 beschlossen, für den Kampfpanzer Leopard 2 A5, welcher durch seine Wärmebildgeräte insbesondere für den Einsatz interner Bürgerkriege geeignet ist, eine Exportgenehmigung für die Türkei zu erteilen.

1. Sind alle Mitgliedstaaten der EU vor diesem Beschluß von diesen Exportabsichten der Bundesregierung nach den Regeln des Verhaltenskodex informiert worden? Ist der Rat der Meinung, daß die Exportabsichten Deutschlands mit dem Kriterium ZWEI des Verhaltenskodex zu vereinbaren sind? Wurden diesbezüglich Bedenken von einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber den deutschen Exportabsichten angemeldet? Wenn, ja welche?

2. Wurde von Deutschland eine umfangreiche Bewertung der Menschenrechtssituation in der Türkei vorgenommen und diese den anderen Ratsmitgliedern vorgelegt? Wenn ja, wann?

3. Wurde von Deutschland geprüft, ob ein Einsatz des Kampfpanzers Leopard 2 A5 für interne Repressionen innerhalb der Türkei ausgeschlossen ist? Was ist das Ergebnis der Prüfung?

4. Ist dem Rat bekannt, daß das türkische Militär - auch im Grenzgebiet zum Irak - Offensiven gegen die PKK durchführt und es regelmäßig zu großangelegten Grenzverletzungen im Nordirak kommt? Inwieweit ist dieses Vorhaben mit dem Kriterium ZWEI des Verhaltenskodex vereinbar, welches einen Verstoß gegen das Territorialprinzip durch den Endverwender ausschließt?

5. Wurde von Deutschland sichergestellt, daß das ausgeführte Gerät nicht auf Umwegen zu einer nicht dem Verhaltenskodex entsprechenden Endverwendung gelangen kann? Wenn ja, wie sehen die Sicherheiten aus? Sind diese Sicherheiten von dem Rat als ausreichend angesehen worden? Wenn ja, aus welchen Gründen?

6. Würde der Rat auch weiteren größeren Lieferungen des Kampfpanzers Leopard 2 A5 oder seiner Einzelteile an die Türkei zustimmen? Wenn ja, mit welcher Begründung?

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