11. September 2001 und die Folgen
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Politische Reaktionen auf mögliche Anschläge
auf AKWs und ihre Denkfehler

Spät und mit bemerkenswerter Inkonsequenz melden sich Politiker zur neuen (?) Gefahr von Terroranschlägen auf Atomanlagen zu Wort. Den Reigen eröffnete der innenpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion Cem Özdemir mit der richtigen Erkenntnis, dass "die Sicherheit der Atomanlagen ... derzeit in der Debatte über Maßnahmen zur Terrorabwehr nicht genügend berücksichtigt (werde)". Mit der Forderung nach einem "roten Telefon" gedacht als Notfallleitung zur Schnellabschaltung liegt er allerdings daneben.

Die von der CDU-Fraktion ausgeschlossene "Gefahr einer unkontrollierten atomaren Kettenreaktion" (= Atomexplosion) hat allerdings außer diesen selbst bisher auch niemand ins Spiel gebracht. Diese Gefahr ist bauartbedingt in der Tat bei europäischen AKWs weitgehend ausgeschlossen, es sei denn, sie würde von mehreren Selbstmord-Terroristen gleichzeitig vor Ort in (!!) den AKWs gezielt herbeigeführt. Dazu müssten diese dort längere Zeit unbehindert agieren können, ohne dass Alarm ausgelöst würde. Ein zweites Tschernobyl ist zwar vom Ablauf her (anderer Reaktortyp), aber nicht von der Wirkung her, ausgeschlossen. Für die oft zitierte "Kernschmelze" reicht bereits die Nachwärme (nach einer Schnellabschaltung), wenn sämtliche Kühlwasserkreisläufe (z.B. durch eine große Explosion) ausfallen.

Die von der grünen energiepolitischen Sprecherin Michaele Hustedt erhofften "eine halbe bis zwei Stunden" werden im Ernstfall eines Anschlages wie in New York eben nicht zur Verfügung stehen. Selbst die nach dem ersten Anschlag am 1. September verbliebenen ca. 15 Minuten reichen hier für keinerlei nutzbringenden oder gefahrmindernder Reaktion. Daher ist das geforderte "rote Telefon" auch vollkommen zwecklos. Eine Kernschmelze ist je nach Reaktortyp noch für die nächsten 12 - 36 Stunden nach einer Schnellabschaltung im Fall eines Anschlages durch eine vollgetankte Verkehrsmaschine zu erwarten. Die freizusetzende Menge an Radioaktivität läge in diesem Fall - vorsichtig berechnet - mindestens in der Größenordnung der Katastrophe von Tschernobyl.

Die Äußerungen Hustedts "... bei einem gezielten Absturz ... (würde) das Umfeld des Kraftwerks immer noch (!!) radioaktiv verseucht (werden)" und der Hinweis "auch Gas- und Stromleitungen (seien) anfällig für Sabotage- oder Terrorakte" zeigen die völlige Verkennung der Gefahren. Selbst ein "worst case"-Szenario eines vergleichbaren Anschlages auf ein laufendes großes Öl- oder Gaskraftwerk (die "Leitungen" sind "peanuts"!) Kosten schätzungsweise im 3-stelligen Millionenbereich verursacht und maximal einige Hundert "Soforttote" fordert. Es hinterließ aber keine Langzeitfolgen. Bei einem solchen Anschlag auf ein laufendes AKW muss mit 2 - 3-stelligen Milliardenschäden, mehreren Dutzend bis mehreren Hundert Toten innerhalb weniger Tage, aber vor allem mit einer Verstrahlung des Einzuggebietes (je nach Windrichtung gelegen, in der Windfahne mind. 100 km Länge und ca. 20 km Breite + ein 35 km-Radius um das Akw) auf Jahrzehnte hin sowie Erkrankungen mit Todesfolgen an der Strahlung im Bereich weiterer Tausenden von Menschen gerechnet werden. Die betroffenen Gebiete wären auf Jahrzehnte weder bewohnbar noch für Arbeitsplätze zu nutzen. (In Tschernobyl geben selbst die "mauernden" russischen Behörden bis heute bereits mind. ca. 10.000 Tote zu). Träfe der Anschlag gar Sellafield oder Le Hague, würden die nachrangigen Folgen noch mal ca. um den Faktor "10" gesteigert.

Gerade diese völlig neue Größenordnung möglicher "Schäden" erfordert unorthodoxes und wohlüberlegtes Handeln seitens der Regierung, will sie ihrer immensen Verantwortung gerecht werden.

Ein Abschalten der am stärksten gefährdeten Reaktoren, wie von der niedersächsischen SPD-Regierung gefordert, bringt aber in der Sache (Terroranschläge) wenig . Wird dann im Gegenzug die Restlaufzeit auf die übrig gebliebenen "weniger stark gefährdeten" AKWs übertragen, so ist letztendlich überhaupt nichts gewonnen. Anschläge wie die vom 11.9. waren am 10.9. noch völlig undenkbar. Terror zeichnet sich ja gerade durch seine völlige Unkalkulierbarkeit aus. So mag es die Öffentlichkeit beruhigen, wenn AKWs, die nicht einmal gegen eine kleine Sportmaschine gesichert sind, vom Netz genommen und ausgeräumt werden. Die potentiellen Terroristen werden sich dann größerer Maschinen bemächtigen. Ein Schutz vor derartigen Anschlägen wird es nicht mehr geben, solange weltweit das Terrorismusproblem nicht gelöst ist!

Karl-W. Koch
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