Internationaler Solidaritätsfonds (ISF)
Bündnis 90/Die Grünen, Postfach 04 06 09, 10063 Berlin
Tel./Fax: 0221/24 93 94, E-mail: isf-umb@t-online.de
An die
SprecherInnen der Landesvorstände
von Bündnis 90/ Die Grünen15.Oktober 1999
Internationaler Solidaritätsfonds (ISF)
Liebe Freundinnen und Freunde,
auf der Tagesordnung für die erweiterte Bundesfinanzratssitzung am 29./30.10.99 in Braunschweig, zu der Ihr eingeladen seid, steht auch der ISF. Wie Ihr wißt, hat der Bundesfinanzrat auf seiner letzten Sitzung am 17.Juli 99 eine interne Haushaltssperre für den ISF und auch die Ökofonds beschlossen. Weil wir ausschließlich mit über den Bundesverband gehenden Spendenmitteln der Abgeordneten arbeiten, sind wir seither arbeitsunfähig. Außerdem kursiert ein Entwurf von Jo Schroers, Landesschatzmeister in Nordrhein-Westfalen, für einen Antrag an die nächste BDK, den ISF ganz abzuschaffen. Der Antrag wird bereits von einigen Landesvorständen unterstützt.
In dieser Situation wenden wir uns an Euch mit der Bitte, diese Angelegenheit zu überdenken und in Euren Landesvorständen zu diskutieren.
Wir halten den genannten Antragsentwurf nicht für stichhaltig. Unter anderem aus folgenden Gründen:
- Er enthält falsche Behauptungen wie, daß unser satzungsgemäßer Vergaberat keiner demokratischen Kontrolle unterläge und wir keine Rechenschaft über unser Tun ablegten.
- Er argumentiert vor allem damit, daß es, anders als in der Zeit, in der der ISF gegründet wurde, eine Vielzahl von anderen Finanzierungsmöglichkeiten für die Gruppen und Initiativen gibt, die bei uns Anträge stellen. Bei Lichte betrachtet stimmt das weder für öffentliche Mittel auf Länder- und Bundesebene, noch z.B. für die Heinrich-Böll-Stiftung. Gerade im letztgenannten Fall haben intensive Versuche, an uns gerichtete Anträge an die HBS weiterzuleiten, zu keinem Ergebnis geführt - weil eben die beiden Einrichtungen, HBS und ISF, sich wohl ergänzen und zusammenarbeiten, aber nicht gegenseitig substituieren können. Vor allem aber verkennt diese Argumentation, daß der ISF keine beliebige Einrichtung der entwicklungsbezogenen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist, sondern ein explizit politisches Instrument einer politischen Partei, das auch und gerade dort zur Verfügung steht, wo aus außen- oder innenpolitischen Interessen keine öffentlichen und kirchlichen Gelder zur Verfügung stehen, die Partei aber ihre Politik zum Ausdruck bringen will. Um einige Beispiele zu nennen: Auf Grund einer Intervention des Auswärtigen Amtes durfte die HBS die "Mütter der Plaza de Mayo" in Argentinien nicht unterstützen - wir haben es getan. Bei der Bundesregierung hat es selbstverständlich kein Geld für die Demonstration gegen den letzten
Weltwirtschaftsgipfel in Köln gegeben - bei uns schon.
Die Kirchen (und natürlich erst recht die Regierungen) geben grundsätzlich kein Geld für Aktivitäten, die direkt gegen Konzerne gerichtet sind, wie z.B. die Arbeit der Coordination gegen Bayer-Gefahren oder der BUKO-Kampagne gegen Rüstungsexporte - wir schon.
Insgesamt vermissen wir in der aktuellen Auseinandersetzung, ebenso wie wir es in früheren Auseinandersetzungen getan haben, die politischen Argumente. Gerade die Art, wie der Bundesfinanzrat zuletzt kurzerhand die für 1999 verbleibenden Mittel des ISF gestrichen hat, um damit Löcher im Haushalt 1999 zu stopfen, hat - nicht nur bei uns - ganz stark den Eindruck hinterlassen, daß es einzig und allein um das Geld geht.
Das halten wir gerade in einer Situation, in der die Partei zahlreiche politische Niederlagen hinnehmen muß, für fatal.
Weshalb will die Partei, deren Kompetenz in der internationalen und Entwicklungspolitik in den letzten Jahren eh schon geringer geworden ist, sich jetzt auch noch in Gestalt des ISF eines Instrumentes berauben, das 15 Jahre lang bündnisgrüne internationale und Entwicklungspolitik praktiziert hat und im Ausland wie wohl kaum eine andere Einrichtung der Partei dafür bekannt ist, und zwar als repräsentativ für bündnisgrüne Politik?
Weshalb will die Partei, deren vornehmste Eigenschaft lange Zeit die Basisnähe, die Stärkung der Zivilgesellschaft gewesen ist, jetzt auch noch zwei Instrumente, den ISF und die Ökofonds, beschneiden oder gar liquidieren, die in hervorragender Weise in die Öffentlichkeit hinein wirken, deren Arbeit an der Basis ankommt und dort nach wie vor geschätzt wird und die Beiträge leisten zur Stärkung der Zivilgesellschaft?
Kann denn die Beteiligung an der Bundesregierung und an etlichen Landesregierungen, die Vertretung im Bundestag und in zahlreichen Landtagen, Instanzen, in denen unentwegt politische Kompromisse geschlossen werden müssen, ein eigenständiges Instrument der internationalen und Entwicklungspolitik ersetzen, über das die Partei frei verfügen und das sie ohne Abstriche zur Propagierung ihrer Ziele und Interessen in diesen Politikfeldern einsetzen kann?
Lohnt es sich wirklich, den ISF zu opfern, um seine doch recht bescheidenen Mittel kurzfristig zur Deckung von Defizit zu verwenden, die er in keiner Weise mitverursacht hat, die ganz andere Dimensionen haben und die vor allem struktureller Natur sind, insofern als der Bundesparteiapparat seit Jahren auch an finanzieller Auszehrung leidet, so daß er z.B. kontinuierliche internationale Beziehungen weder aufbauen noch gebührend pflegen kann?
Das sind die Fragen, um die es eigentlich geht und die wir gerne diskutieren möchten. Wir bitten Euch, sie jenseits der drängenden finanziellen Probleme des Bundesverbands auch zu bedenken und in ihrem Lichte zu prüfen, welchen politischen Zugewinn die Abschaffung des ISF der Partei denn bringen könnte.
Mit herzlichen und solidarischen Grüßen
Ulf Baumgärtner
ISF-Koordination
Bei der obengenannten Adresse könnt Ihr ein kleines Paket abrufen, in dem unsere bisherigen Stellungnahmen zusammen getragen sind.