Fachbereich Kinder, Jugend, Bildung

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Rede von Brigitte Schumann
zu " Grundzüge einer Bildungsoffensive Ruhrgebiet"
auf der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung am 14. 9. beim KVR in Essen

Anrede

Ich danke der Heinrich-Böll-Stiftung als Veranstalterin. Mein Dank gilt ebenso dem Kommunalverband Ruhrgebiet als Gastgeber, der aus seiner besonderen Verantwortung für diese Region dem Thema" Bildung und Regionalentwicklung"in seinem Haus ein Forum gibt.

Die Befunde zur Bildungssituation im Ruhrgebiet verlangen nach einer Stellungnahme und fordern zum gemeinsamen Handeln heraus.

In diesem Sinne habe ich, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Arbeit der Grünen Landtagsfraktion, einen Aufruf "INITIATIVE BILDUNGSREGION RUHRGEBIET" vorgelegt.

Die Grundzüge dieser Bildungsoffensive, die auch von den BildungspolitikerInnen der Grünen auf Landesebene unterstützt wird, möchte ich Ihnen heute vortragen und zur Diskussion stellen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat das Ruhrgebiet sowohl in der Bereitstellung von Bildungseinrichtungen und Bildungsangeboten als auch hinsichtlich der Bildungsanstrengung der Menschen einen großen Schritt nach vorn gemacht. Bezüglich der Übergangsquoten und der Abschlüsse lassen aktuelle allgemeine Statistiken keine negativ signifikanten Abweichungen zwischen den Durchschnittszahlen im Ruhrgebiet und NRW erkennen.

Der besondere Bildungsmangel und damit der besondere Bildungsbedarf zeigen sich erst in einer kleinräumigen Betrachtung der einzelnen Stadtteile in den zum Kernballungsraum gehörenden Ruhrgebietsstädten. Dabei wirkt sich die bis heute in allen Bundesländern anhaltende strukturelle Bildungsbenachteiligung der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders ungünstig aus.

Auch wenn die Spaltung in bildungsarme und bildungsreiche Stadtteile ein zutreffendes Merkmal auch anderer metropolenartiger Regionen ist, so hat diese Region allen Grund, sich mit den Ursachen und den Wirkungen der sozialen Chancenungleichheit auseinanderzusetzen und nach Lösungen zu suchen.

In den Stadtgesellschaften des Ruhrgebiets hat sich der Kreislauf von Chancenungleichheit, Bildungsbenachteiligung und Desintegration unter den Bedingungen der hohen Erwerbslosigkeit und der Armutsentwicklung verbreitet und verschärft. Er spaltet die Städte in arme und reiche Quartiere und Stadtteile. Er legt sich entwicklungshemmend auf die Region und gefährdet den Strukturwandel. Die besonderen Solidaritätspotenziale, auf die die Region in den siebziger Jahren als ihr "soziales Kapital" zurückgreifen konnte, sind ziemlich aufgebraucht.

Zunehmende Desintegrationsprozesse in Teilen der deutschen Bevölkerung des Ruhrgebiets verschlechtern die Integrationschancen von zugewanderten Menschen und fördern vorhandene Tendenzen zur Ethnisierung sozialer Konflikte.Das brüchig gewordene Zusammenleben in den Stadtgesellschaften bildet auch einen gefährlichen Nährboden für Rechtsextremismus.

Immer mehr Kinder und Jugendliche wachsen unter Armutsbedingungen mit den Erfahrungen von Ungleichwertigkeit und Gewalt auf. Besonders betroffen sind die Gruppe der zugewanderten Kinder und Jugendlichen und die Kinder von Alleinerziehenden. Über ihre extrem geminderten Bildungs-und Berufschancen wird gewissermaßen die Vererbung von Armut garantiert.

Wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung in der Wissensgesellschaft setzen Menschen mit hoch qualifizierten Abschlüssen voraus. Die Initiative für Ausbildungs- und Arbeitsplätze, der Schwerpunkt der rot-grünen Landesregierung, droht ohne entsprechende Bildungsanstrengungen der Region, ins Leere zu laufen.

Dabei geht es nicht nur um die Zahl der höher wertigen Abschlüsse. In der Tat geht es, wie wir alle wissen, um eine deutliche Steigerung der Qualität von Bildung und Erziehung. Die Bemühungen um Qualitätsverbesserung verfehlen allerdings ihr Ziel, wenn die sozialen und partizipatorischen Voraussetzungen und Bedingungen für Qualität nicht nachhaltig verbessert, sondern statt dessen für sozial deprivierte Kinder und Jugendliche neue Bildungshemmnisse aufgebaut werden.

Meine Vorstellung von einer Bildungsoffensive für das Ruhrgebiet setzt bei den sozialen Disparitäten an. Sie bindet die drei Ziele - Abbau der extremen Chancenungleichheit, Förderung der sozialen Integration und Verbesserung der Qualität von Bildung und Erziehung- in eine gemeinsame Strategie ein und knüpft dabei an bestehende Entwicklungspotenziale und Beispiele sowie an andere Politikfelder an. Zu den wesentlichen Inhalten der Offensive gehören:

- die besondere Förderung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen in benachteiligten Stadtteilen,

- die produktive Verzahnung von Schul-und Stadtteilentwicklung und

- die Entwicklung und Gestaltung von ertragreichen und tragfähigen Lernkooperationen und Lernallianzen mit ausserschulischen Partnern.

Besondere Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher in benachteiligten Stadtteilen:

zunächst und zuallererst zu den Kindern!

Es ist der größte bildungspolitische Skandal, dass trotz des Wissens über die präventive und kompensatorische Bedeutung der Frühförderung für die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung und die Herausbildung von Lernkompetenzen wir in allen deutschen Bundesländern im Vergleich zu anderen OECD-Ländern zu wenig in die vorschulische Erziehung und die Arbeit der Grundschulen investieren. Es ist geradezu peinlich, dass die Bildungsbürokratie auch heute noch die großen Unterschiede in den Pro-Kopf -Ausgaben zwischen einem Grundschüler und einem Gymnasiasten mit den unterschiedlichen Lehrergehältern und dem unterschiedlichen Volumen der Stundentafel rechtfertigt. Damit bestätigt sie doch nur, was wir wissen: Kinder und die Arbeit mit Kindern haben einen geringer geschätzten Stellenwert.
Die aufgeregte Diskussion über die "digitale Spaltung" der Gesellschaft übersieht, dass die Frage der Gleichheit oder Ungleichheit der Bildungschancen sich nicht am Besitz des Laptops entscheidet. Was ist ein Laptop für alle wert, wenn er nur von einer Elite richtig gebraucht werden kann? Insofern hat der Bundespräsident Recht, wenn er auf dem ersten Kongress des Forum Bildung am 14. Juli 2000 feststellte: "Wer nicht Denken gelernt hat, der kann diesen Mangel durch noch so viele Informationen nicht ersetzen, auch nicht durch modernste technische Hilfsmittel. Denken und Verstehen: das hat zu tun mit dem ganzen Menschen, mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand."

Wir wissen aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien, dass Bildungsinvestitionen in den ersten Jahren langfristig positive Effekte für Kinder aus einem benachteiligten Umfeld erbringen.
Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch die Kinder mit Behinderungen. Frühe Förderung durch integrative Förderkonzepte sichert am wirksamsten ihr Recht auf gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe und stellt zugleich einen bemerkenswerten Beitrag zur Humanisierung der Gesellschaft dar.
Ein Bündnis für Erziehung muss ein Pakt der Vernunft sein und der vernünftigen Einsicht endlich zum Durchbruch verhelfen, die der Bundespräsident auf dem o.g. Kongress in die Worte fasste:" Die öffentlichen Ausgaben für Bildung und Wissenschaft sind geringer, als wir uns das leisten können."

Allerdings: Es kann nicht um "ein bisschen mehr" für alle Kinder gehen. Es muss ein präventives und kompensatorisches, am Wohl der einzelnen benachteiligten Kinder ebenso wie am Gemeinwohl orientiertes Konzept gehen, das auf die ungleiche soziale Lage der Kinder in den benachteiligten Stadtteilen des Ruhrgebiets eingeht.

Die Politik braucht deshalb den Mut zur Schwerpunktförderung von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen in benachteiligten Stadtteilen. Diese sind anhand sozialer Indikatoren leicht zu identifizieren. Ihre Zahl liegt weit über der Zahl der anerkannten und vom Land geförderten "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf". Nach allen Erfahrungen im In- und Ausland muss die Förderung dieser Kinder bestimmte Maßnahmen umfassen, die gewissermaßen zur Standardausstattung gehören. Ich schlage vor, so etwas wie ein - in der Zweitbedeutung des Wortes - CARE-Paket für Kindertageseinrichtungen und Grundschulen in belasteten Stadtteilen zu schaffen, das abgerufen und selbstverständlich an die jeweiligen Verhältnisse angepasst werden kann.

Bestandteile dieses Pakets sind: die Bildung kleiner Gruppen bzw. Klassen, sonderpädagogische bzw. sozialpädagogische Unterstützung, Programme zur Sprachförderung von Deutsch als Erst- und Zweitsprache sowie zur Förderung der Herkunftssprache, einbezogen in ein umfassendes Konzept interkulturellen Lernens, das Differenz als Nomalfall anerkennt und nicht dem absurden Bild einer homogenen Lern- und Entwicklungsgruppe hinterherläuft. Musisch-ästhetische Angebote, Sport, Gesundheitsprävention, Mittagstische und eine pädagogisch qualifizierte Unterstützung am Nachmittag gehören dazu. Die Fort-und Ausbildung der ErzieherInnen und LehrerInnen sind ebenso zu berücksichtigen wie die institutionelle Zusammenarbeit des Elementar-und Grundschulbereichs.

Den Einrichtungen muss die Möglichkeit und der Auftrag gegeben werden, ein für ihre jeweilige Situation passendes Förderkonzept zu entwickeln und ihren Bedarf anzumelden. Ausreichende Mittel sind zu garantieren und zu verstetigen, wenn sich in einer vernünftigen Erfolgskontrolle das Konzept bewährt hat.

Im Übrigen sollte wenigstens nachgedacht werden über das Für und Wider einer Kindergartenpflicht ab dem 4. Lebensjahr; dagegen bedürfen die 6-jährige Grundschule und der Ausbau von Ganztagsgrundschulen nicht mehr ihrer pädagogischen und sozialen Rechtfertigung, sondern lediglich noch ihrer Umsetzung.

Wir müssen uns vor Augen halten: Eine Heimunterbringung für ein Kind oder einen Jugendlichen kostet ebensoviel wie das Jahresgehalt eines Sozialpädagogen.

Meine Damen und Herren, ich komme nun zu den benachteiligten Jugendlichen!
Die Quote der Jugendlichen ohne schulischen und beruflichen Abschluss ist in den Stadtteilen mit besonderen Belastungen katastrophal hoch. Dies lässt sich erschließen aus den Statistiken zur Bildungsbeteiligung der zugewanderten Jugendlichen und schlussfolgern aus den Strukturen der Sozialhilfeabhängigkeit im Ruhrgebiet. Leider lässt sie sich nicht mit Zahlen aus offiziell zugänglichen und direkt erhobenen Bildungsstatistiken belegen, weil offensichtlich bis auf Ausnahmen - hier sind z.B. die Städte Herten, Unna, Castrop-Rauxel und Essen zu nennen - Verantwortliche an solchen Zusammenhängen wenig Interesse haben.

Das muss sich ändern! Wir brauchen einen regionalen und kommunalen Chancengleichheitsbericht.
Es ist gesellschaftlicher Auftrag, das Aufwachsen junger Menschen so zu gestalten, dass sie Selbstwertgefühl und soziale Kompetenz entwickeln können. Eine eingriffsorientierte Bildungspolitik zielt auf die Stärkung der sozial benachteiligten Jugendlichen, der Sicherung ihrer Abschlüsse und damit der Erhöhung ihrer Chance auf Arbeit und soziale Anerkennung.

Pädagogische Konzepte gegen Schulmüdigkeit, Schulversagen und Schulverweigerung sind erprobt bzw. in der Erprobung. Sie müssen in die Fläche gebracht werden zu den Schulen in benachteiligten Stadtteilen. Die Kommunen müssen den Aufbau schulbezogener Netzwerke im Übergang Schule-Beruf aktiv vorantreiben. Die Finanzierung des dafür zusätzlich erforderlichen Personals darf nicht länger Streitpunkt sein zwischen dem Land und den Kommunen. Das Land muss einen festen Anteil an diesen Personalkosten übernehmen und hierüber eine verbindliche Vereinbarung treffen.

Ich werde nun beispielhaft einige Lernallianzen skizzieren.

Lernallianz "Schule und Stadt": von der Schule im Stadtteil zur Stadtteilschule
Insbesondere in den benachteiligten Stadtteilen wissen die Schulen längst, dass die Bedingungen des Wohnens, Arbeitens, Lebens mit den Lernchancen der Kinder und Jugendlichen verwoben sind und eine Vernetzung von Schule und Stadtteil notwendig ist. Aber auch viele Schulen ohne diesen problematischen sozioökonomischen Hintergrund wissen um die qualitätssteigernde Wirkung eines Unterrichts mit Lebensweltbezug und Handungsorientierung und haben die Schulöffnung zu ihrem Schulprogramm gemacht.
Allerdings engen die Rahmenbedingungen die Handlungsmöglichkeiten der Schulen ein, die Brücken schlagen wollen zu den Eltern, zu den Ausbildungsbetrieben, zu der Bürgerschaft und ihren Vereinen, zu sozialen und kulturellen Einrichtungen.Meine Damen und Herren, für die konsequente Entwicklung zur Stadtteilschule brauchen die Schulen als wichtigste Ressource Zeit von Menschen. Das sog. Zeitbudget für Schulen mit besonderen Aufgaben ist von seinem Volumen her unzureichend und wird zudem nur befristet gewährt, obwohl es für die zusätzlich anfallende Arbeit dauerhaft gebraucht wird. Deshalb fordere ich vom Land einen "Stadtteilzuschlag" für die stadtteilbezogene Netzwerkarbeit von Schulen.

Vorbildliche Kommunen unterstützen ihre Schulen schon jetzt durch entsprechende Kooperations-und Unterstützungsstrukturen und durch ressortübergreifendes Verwaltungshandeln. Dies muss im Sinne einer erweiterten Schulträgerschaft zukünftig von allen Kommunen geleistet werden.

Das Land ist aufgefordert, das Landesprogramm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" an die tatsächlichen Bedarfe der Region qualitativ und quantitativ anzupassen. Es ist aufgefordert, zur ganzheitlichen Förderung der Stadtteilentwicklung die Mitarbeit der Schulen verlässlich zu fördern und zu unterstützen. Es muss seine Zuständigkeiten, die Förderprogramme, die Finanzierung und die Entscheidungsabläufe bündeln, die Maßnahmen aufeinander abstimmen und die Gelder in einen Pool für den Stadtteil zur flexiblen Bewirtschaftung zusammenzuführen.

Ein besonders wichtiges Merkmal der Stadtteilschule ist eine intensive, aktivierende Elternarbeit und die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. Es sollte deshalb eine

Lernallianz "Schule und Weiterbildung" geben.
Wir wissen, dass Elternarbeit ein zentraler Aspekt ist, um den Kreislauf des sich reproduzierenden sozialen Scheiterns zu durchbrechen. Indem Eltern in die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule einbezogen werden, können auch ihr Verständnis und ihre Verantwortung für die Lernprozesse ihrer Kinder wachsen. Elterncafes, Elterntreffs an Schulen sind niederschwellige Angebote für Austausch, Beratung und Information und wenden sich gerade an die Eltern, die normaler Weise für die Schulen nicht erreichbar sind. Diese Angebote nach dem Vorbild der englischen Community Schools auszubauen, sollte ein Ziel von Lernallianzen zwischen Schule und Weiterbildung werden. Dabei könnte es um Weiterbildungsangebote mit stadtteilbezogenem Projektcharakter als Grundlage für die Partizipation der BewohnerInnen im Stadtteil gehen oder um Weiterbildungsangebote, die das Erlernen der grundlegenden Kulturtechniken bis hin zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen ermöglichen, oder aber auch um gezielte arbeitsmarktbezogene Programme.Weiterbildung kann aber auch für die Qualifizierung von Stadtteilakteuren mit bestimmten ehrenamtlichen Stadtteilfunktionen nutzbar gemacht werden, z. B. als Stadtteilmütter oder -väter, die zwischen Schule und Elternhaus moderieren. Dafür geeignete Menschen, z. B. in vormals pädagogischen oder affinen Berufen, zu Nachbarschaftshelfern zu qualifizieren und in benachteiligten Stadtteilen einzusetzen, soll selbstverständlich die hauptberuflichen Strukturen nicht ersetzen, sondern möglichst wirkungsvoll ergänzen.

Zur Förderung dieser Lernallianzen mit erweiterten Lernstrategien muss das Land sowohl die räumlichen Voraussetzungen für multifunktionale Stadtteilschulen als auch Anreize für die Träger der Weiterbildung und deren Einrichtungen schaffen. Steuernde und koordinierende Aufgaben liegen bei den Kommunen.
Lernallianz "Schule und Wirtschaft" - diese ist mehr als ein Programm für schulmüde Jugendliche. Der Nutzung betrieblicher Orte als Lernorte für Schülerinnen und Schüler liegt eine Lernkonzeption zu Grunde, die durch Handlungsorientierung und reflektierten Praxisbezug auch das Lernen leistungsfähiger und motivierter SchülerInnen verbessert. Aber für Jugendliche, die vom Scheitern bedroht sind, liegen darin besondere Chancen. Bezüglich der Konzeptionen gibt es keinen Königsweg.In Köln z. B. gibt es das sog. Jahrespraktikum für Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 9 oder 10. Sie arbeiten 1 Jahr lang einen Tag in der Woche fest in einem Betrieb.
Ein völlig anderes Beispiel für eine gelungene Lernallianz gibt es an einem Essener Gymnasium. Aus der Zusammenarbeit zwischen OberstufenschülerInnen, Auszubildenden der Telekom und engagierten LehrerInnen sind die Einrichtung und der Betrieb eines Internetcafes hervorgegangen. Über Fortbildungsangebote der Telekom für SchülerInnen und LehrerInnen hat sich die Medienkompetenz der ganzen Schule enorm verbessert.

Im Rahmen einer Bildungsoffensive für die Region wird es auch darauf ankommen, dass die Wirtschaft, insbesondere die großen Unternehmen der Region, sich an der Verantwortungsgemeinschaft für die Ausstattung der Schulen mit Multimedia und Technik beteiligen. Eine Fonds-Lösung ist am ehesten geeignet sicherzustellen, dass alle Schulen, egal ob im Norden oder Süden einer Stadt oder ob nördlich oder südlich des Hellwegs, eine adäquate und gleichwertige Ausstattung haben.
Es sollte eine Lernallianz "Schule und Hochschule" geben.

So wie eine Zusammenarbeit der Institutionen an dem Übergang vom Kindergarten zur Grundschule oder an dem Übergang der Klasse 10 in die berufliche Ausbildung sinnvoll und notwendig ist, so stellt sich die Aufgabe auch für die Sekundarstufe II und die Hochschulen. Dabei ist der Vorteil einer dichten, leistungsfähigen Hochschullandschaft mit Universitäten, Gesamthochschulen und Fachhochschulen zu nutzen. Abbruch von aufgenommenen Studiengängen, zeitaufwändiger Wechsel des Studienfaches, könnten vermieden, aber auch Anreize zur Aufnahme eines Studiums geschaffen werden durch bessere Kenntnis des universitären Betriebs, seiner spezifischen Lernformen und Methoden sowie der Studienangebote. Umgekehrt müssen auch die Hochschulen lernen, was Abiturienten brauchen, um erfolgreich in ein Studium einzusteigen.
Um die Zukunftspotenziale des Ruhrgebiets zu entwickeln, müssen Schulen auch die Möglichkeit erhalten, sich zu Zukunftswerkstätten mit neuen Lernwegen und Lerninhalten zu profilieren. Die Hochschulen könnten in eine solche Entwicklungsarbeit einbezogen und an den Veränderungsprozessen beteiligt werden.

Und schließlich ist eine Lernallianz "Schule und Kultur" unverzichtbar.

Unsere Schulen sowie die Kinder und Jugendlichen leiden darunter, dass die kulturelle Bildung aus dem Kerngeschäft des schulischen Unterrichts immer mehr verbannt wird. Dies hat den Bundespräsidenten in seiner bemerkenswerten Rede vor dem Forum Bildung zu der Mahnung veranlasst: "Zum Wissen und zum Können für morgen gehören auch die Inhalte jener Fächer, die an den Rand zu geraten drohen, wenn wir nur noch nach Nützlichkeit und Verwertbarkeit gehen: Musik, Kunst und Sport. Die Begegnung mit den Künsten kann verhindern, dass aus Bildung ein trostloses Fitmachen für... wird."
Die zunehmende Privatisierung dieser Inhalte durch ausserschulische und teils kommerzielle Anbieter hat zur Folge, dass die Kinder, die von Haus aus nicht mit "kulturellem Kapital" ausgestattet sind, in der Regel keinen Zugang zu den Künsten bekommen. Dabei wissen wir, dass durch die kreative Eigentätigkeit, durch musisch-ästhetische Bildung Grundlagen für eine positive Lernentwicklung gelegt werden. Wo bleibt die Weltoffenheit von NRW, wenn es darum geht, die vorhandenen kulturellen Talente der Migranten zu fördern und ihre Fähigkeiten als Leistung anzuerkennen?

Warum wird nicht durch eine gezielt geförderte Kooperation von Schule und Kultureinrichtungen wie Musikschule, wie Theater, wie Museum und Bibliothek eine breite kulturelle Bildung für alle vermittelt, die die Grundlage darstellt für kulturelle Spitzenleistungen? Die Region wird bildungsoffensiv!Was soll, was muss passieren, wenn die Befunde zum Thema "Bildung und regionale Entwicklung" geteilt werden?

Nichts oder doch nur wenig an nötigen Präventionen und Interventionen muss erfunden werden. Fast alles gibt es schon, erfreulicher Weise auch in unserer Region. Dies aber verstreut, unsystematisch, zufällig, vielfach ausschließlich basierend auf persönlichem Engagement der Akteure vor Ort.

Die Region muss ihre Probleme reflektieren, Bildungsinitiativen aus der Region als Anregung aufgreifen, Innovationsstrategien diskutieren und sich auf ein gemeinsames Handlungskonzept verständigen. Das Ziel: ein Bündnis für Bildung und Erziehung im Ruhrgebiet! Im Netzwerk von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sowie anderen relevanten gesellschaftlichen Gruppen ist der KVR berufen, diesen Prozess zu entwickeln und zu fördern. Damit kommt er seiner Aufgabe nach Förderung der kommunalen Belange im Ruhrgebiet nach. Er wirkt dem Mangel an Kommunikation über Zukunftsstrategien in der Bildung durch die Aufsplitterung der weit gehend getrennten Zuständigkeiten mit einer solchen Initiative entgegen. Er überlässt die weitere Entwicklung nicht dem freien Spiel der Kräfte, sondern er positioniert sich, auch gegenüber der Landesregierung.Dies schließt die Klärung von Grundsatzfragen ein, die sich aus der Implementation der Projekt Ruhr und der Definition ihrer Aufgabenfelder durch die Landesregierung ergeben.

Letztlich aber kommt es darauf an, dass nicht nur die Städte und Kreise im Ruhrgebiet ihre Stimme unter dem Dach des KVR möglichst einstimmig erheben. Um einen bildungspolitischen Aufbruch der Bildungsregion Ruhrgebiet zu organisieren, kommt es auf alle Gruppen an, die ihre Kommunen bei der genannten Herausforderung nicht im Stich lassen dürfen.



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